EU-Gipfel:Rückschlag für Merkel

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Die Kanzlerin spricht von "Millimeterarbeit": Der EU-Gipfel verschiebt die von Angela Merkel geforderten Reformverträge bis weit ins kommende Jahr. Auch die Bankenunion ist kein Selbstläufer - Parlamentspräsident Schulz kündigt heftigen Widerstand an.

Die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geforderte Einführung von Reformverträgen ist auf dem EU-Gipfel bis weit ins kommende Jahr verschoben worden. "Ich sage ganz frank und frei, hier wird noch viel Arbeit notwendig sein", sagte Merkel in der Nacht zum Freitag in Brüssel. Anstatt im Juni soll der Vorschlag nun erst im Oktober kommenden Jahres wieder auf der Tagesordnung stehen.

Merkel setzt sich schon seit längerem dafür ein, die Umsetzung von Reformen zwischen Mitgliedstaaten und EU-Kommission verbindlich zu vereinbaren. Diese Partnerschaften sollen nach dem "Zuckerbrot und Peitsche"-Prinzip funktionieren: Für die Umsetzung von Reformen soll es finanzielle Hilfe geben. Im Kreis der Gipfelteilnehmer gibt es aber Widerstand gegen das Projekt: In einem Entwurf der Gipfelerklärung war noch von einem Beschluss im Juni die Rede - doch das wurde auf dem Treffen in Brüssel gekippt.

Diese erneute Verschiebung sei unter anderem den Europawahlen im Mai geschuldet, sagte Merkel. Die Kanzlerin räumte aber auch ein, dass die Beratungen schwierig seien und die Dringlichkeit offenbar nicht von allen Mitgliedstaaten gesehen werde, da die "wirtschaftspolitische Koordinierung von den Märkten scheinbar nicht so wichtig" genommen werde. "Wir haben uns sehr daran gewöhnt, wenn die Finanzmärkte die Zinsen steigen lassen, dann wird agiert. Und wenn nicht, dann wird nicht agiert", kritisierte die Kanzlerin.

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Angesichts der Widerstände war Merkel nach eigenen Worten sogar bereit, einen Beschluss bis Dezember 2014 aufzuschieben. Dagegen hätten sich aber EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionschef José Manuel Barroso ausgesprochen, deren Amtszeit vorher ende. Aufgeben will Merkel das Projekt nicht. "Wir werden da Millimeter für Millimeter vorankommen", sagte die Kanzlerin. "Aber es ist eine Millimeterarbeit, das gebe ich auch zu."

Als "großen Erfolg" begrüßte Merkel die Einigung der EU-Finanzminister vor dem Gipfel auf den zweiten Pfeiler der europäischen Bankenunion. Dadurch wird die europäische Bankenunion durch ein Regelwerk und einen europäischen Fonds zur Abwicklung von Pleitebanken ergänzt. Die Kanzlerin erwartet nun aber noch "intensive Verhandlungen" mit dem Europaparlament. "Das wird nicht ganz einfach."

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hatte die Beschlüsse auf dem EU-Gipfel heftig als unzureichend kritisiert. "Eine Bankenunion macht man entweder richtig oder besser gar nicht", sagte er in einer Rede vor den Staats- und Regierungschefs. "Deshalb wird das Europäische Parlament die Beschlüsse in dieser Form nicht mittragen." Die Zustimmung der Abgeordneten ist jedoch nötig, um das Abwicklungsregime aufzubauen.

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