EU:Brüssel nimmt deutsche Exportüberschüsse unter die Lupe

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Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission nimmt die riesigen deutschen Exportüberschüsse unter die Lupe. Bis zum kommenden Frühjahr will die Behörde feststellen, ob der Leistungsbilanzüberschuss ein wirtschaftliches Ungleichgewicht ist - und damit ein Problem für die ganze Eurozone.

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Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission nimmt die riesigen deutschen Exportüberschüsse unter die Lupe. Bis zum kommenden Frühjahr will die Behörde feststellen, ob der Leistungsbilanzüberschuss ein wirtschaftliches Ungleichgewicht ist - und damit ein Problem für die ganze Eurozone.

Die Behörde fordert unmissverständlich von der neuen großen Koalition von Union und SPD in Berlin, das Wachstum anzukurbeln und offene Märkte zuzulassen. Ein Verfahren eröffnete die Kommission nicht. Deutschland muss im Falle eines Verstoßes gegen EU-Regeln eine Milliardenstrafe fürchten.

Deutschland ist hinter China Export-Vizeweltmeister. 2012 hat die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt Waren im Wert von 1097 Milliarden Euro ins Ausland verkauft. Dem standen Importe von 909 Milliarden Euro gegenüber - unter dem Strich ergibt sich damit ein Handelsüberschuss von 188 Milliarden Euro. Der Handel ist einer der wichtigsten Posten in der Leistungsbilanz.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso unterstrich, es gehe nicht darum, die größte Volkswirtschaft der Eurozone zu schwächen: „Es ist sehr gut für Europa, dass Deutschland solch eine wettbewerbsfähige Volkswirtschaft bleibt. Wir bräuchten mehr Deutschlands in Europa.“

Der Portugiese forderte Deutschland aber auf, mehr für das Wachstum zu tun und Dienstleistungsmärkte zu öffnen. „Das wäre gut für Deutschland, gut für die Verbraucher, und gut für die europäische Wirtschaft.“

15 weitere EU-Länder werden wegen möglicher Verstöße gegen EU-Regeln untersucht. Im Visier sind vor allem zu hohe Schulden und Arbeitslosenzahlen. Bei Frankreich machen der Verlust von Exportmarktanteilen und die Verschuldung Sorgen.

„Deutschland und Frankreich haben eine besondere Verantwortung, zur Erholung im Rest der EU beizutragen“, so Barroso. Der Aufschwung in Europa sei zwar spürbar, aber immer noch anfällig, warnte er.

EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte, es gehe auch darum, dass viele Deutsche ihre Ersparnisse im Ausland anlegten. „Die Frage ist, ob das effizient ist, auch aus der deutschen Perspektive.“

Der Direktor der Brüsseler Denkfabrik Bruegel, Guntram Wolff, sagte dem Informationsdienst dpa Insight EU, er halte die niedrigen Investitionen im deutschen Inland für den eigentlichen Schwachpunkt. Mit Blick auf die EU-Untersuchung sagte er: „Wir sollten auf jeden Fall feststellen, dass es ein Ausdruck dafür ist, dass es in Deutschland nicht genug Nachfrage gibt. Dabei geht es besonders um Nachfrage nach Investitionen, nach der Schaffung neuer Produkte. Das ist das eigentliche Problem, das im Leistungsbilanzüberschuss zum Ausdruck kommt.“

Ein Verfahren wegen wirtschaftlicher Ungleichgewichte könnte die Kommission frühestens im kommenden Jahr eröffnen. In letzter Konsequenz droht in solchen Verfahren ein Bußgeld von 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung. Bei einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands von über 2,6 Billionen Euro (2012) würde eine Milliardenstrafe fällig.

Verhängt wurden solche Strafgelder aber bisher nicht. Rehn hatte den Mitgliedstaaten vor zwei Jahren schriftlich zugesichert, bei Überschüssen solle es keine Strafmaßnahmen geben. Zu möglichen Strafen äußerten sich weder Rehn noch Barroso.

Der europäische Referenzwert für den Leistungsbilanzüberschuss beträgt 6 Prozent der Wirtschaftsleistung - herangezogen wird ein Mittelwert für drei Jahre. Laut Eurostat betrug der deutsche Mittelwert für 2010 bis 2012 genau 6,5 Prozent.

Die verstärkte Wirtschaftsüberwachung wurde von den EU-Staaten nach den schweren Turbulenzen der Euroschuldenkrise eingeführt. Es soll verhindert werden, dass insbesondere im gemeinsamen Währungsgebiet Volkswirtschaften immer weiter auseinanderdriften. In der diesjährigen Runde sind unter anderen Italien, Spanien, Luxemburg, Finnland und das nicht zur Eurozone gehörende Großbritannien.

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