Strafrecht:Weniger Haft, mehr Sozialstunden

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Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will das System der Ersatzfreiheitsstrafe überarbeiten. (Foto: Frederic Kern/Imago)

Eine Geldstrafe wegen Schwarzfahrens im Gefängnis abzusitzen, dauert laut Justizminister Buschmann zu lang. Deshalb will er das Sanktionenrecht reformieren. Manche Strafen sollen aber auch härter werden.

Von Sophie Kobel, Berlin

Wer in Zukunft eine verhängte Geldstrafe nicht zahlen kann oder will, soll als Ersatz nicht mehr so viel Zeit im Gefängnis verbringen müssen. Das besagt ein Entwurf zur Überarbeitung des Sanktionenrechts, den Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Dienstag zur Abstimmung den anderen Ressorts der Bundesregierung übergeben hat.

Stimmen diese den Vorschlägen zu, würde der Umrechnungsmaßstab verändert werden. Bisher gilt: ein Tagessatz Geldstrafe - abhängig vom jeweiligen Nettoeinkommen der Betroffenen - entspricht einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Zukünftig könnte diese Dauer halbiert werden. Dann müssten Verurteilte, die nicht zahlen können oder wollen, für einen Tagessatz Geldstrafe nur einen halben Tag ins Gefängnis.

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In der Regel werden Ersatzfreiheitsstrafen in Deutschland für geringfügige Taten verhängt, zum Beispiel fürs Schwarzfahren oder kleine Diebstähle. Das Ziel der geplanten Veränderung sind weniger und kürzere Gefängnisaufenthalte für diese Verurteilten. Denn deren Inhaftierung, so steht es in dem Entwurf, leiste in der Regel keinen Beitrag zur Resozialisation in die Gesellschaft.

Auch soll die Verkürzung der Haftzeiten es verurteilten Menschen erleichtern, Ersatzfreiheitsstrafen gar nicht erst antreten zu müssen. Denn das wäre in vielen Fällen mithilfe von gemeinnütziger Arbeit möglich. Etliche Betroffene schreckt die hohe Anzahl der Stunden jedoch ab, sie wählen lieber das Gefängnis. Da mit der Gesetzesänderung auch die Stunden der sozialen Arbeit halbiert würden, erhofft sich das Justizministerium mehr Motivation für diese alternative Strafe. Nicht zuletzt, weil ein Haftplatz den Staat um die 130 Euro pro Tag kostet. Geldstrafen, die bei Nichtzahlung in die Haft führen, werden zu etwa einem Drittel wegen kleinerer Diebstähle oder Betrügereien verhängt.

Ganz abschaffen will Buschmann die Ersatzfreiheitsstrafe nicht

Viele von ihnen kennen jedoch weder ihre Rechte, noch verstehen sie, welche Möglichkeiten es gäbe, um eine Freiheitsstrafe zu umgehen. Darum sollen in Zukunft Vollstreckungsbehörden Verurteilte früh genug, verpflichtend und in verständlicher Sprache darauf hinweisen, wie sie mithilfe von gemeinnütziger Arbeit eine Inhaftierung vermeiden. Völlig abschaffen will das Justizministerium die Ersatzfreiheitsstrafe aber nicht.

Der Deutsche Anwaltsverein meldet dagegen grundsätzliche Zweifel an der Ersatzhaft an und äußerte sich kritisch zu Buschmanns Entwurf: "Generell ist das Nichtzahlen von Geldstrafen oft ein Fall des Nicht-Könnens. Dies kann aufgrund finanzieller Not(-lagen) der Fall sein, aber auch aufgrund psychischer und/oder Suchtprobleme. Das Strafrecht darf aber weder Armut noch soziale Ausgegrenztheit bestrafen, sondern ausschließlich Kriminalität".

Der Entwurf enthält noch weitere geplante Änderungen am Sanktionenrecht. Strafen sollen etwa schärfer werden, wenn aus "geschlechterspezifischen" und "gegen die sexuelle Orientierung gerichteten" Beweggründen Taten begangen wurden. Hintergrund ist, dass in Deutschland jeden dritten Tag ein Mann seine (Ex-)Partnerin tötet und jeden Tag ein Mann dies versucht. Eine Verschärfung entspräche der derzeitigen Rechtslage, wonach Hass gegen Frauen und LSBTI-Personen grundsätzlich strafschärfend berücksichtigt werden müssen.

Das soll in Zukunft in der Rechtsprechung noch stärker mitgedacht werden. Der Begriff "geschlechterspezifisch" soll Fälle einbeziehen, in denen die Tat von Vorstellungen geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit geprägt ist. Einfacher formuliert: Übt ein Mann Gewalt auf seine Partnerin aus, wird er nicht nur dann schärfer als üblich bestraft, wenn er eindeutigen Hass auf Frauen hegt. Sondern auch dann, wenn er mit dem Angriff seinen patriarchalischen Besitzanspruch durchsetzen will.

Sollte der Entwurf im Herbst vom Kabinett beschlossen werden, könnte die Reform im kommenden Frühjahr in Kraft treten.

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