Erdoğan in Deutschland:Es gilt ein Kundgebungsablehnungs-Gebot

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Eine öffentliche Redeerlaubnis für Erdoğan in Deutschland wäre eine Beihilfe zu Freiheitsberaubung und Geiselnahme. Die Hand dafür darf die Bundesregierung nicht reichen.

Kommentar von Heribert Prantl

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist - neben vielem anderen, was man über und gegen ihn sagen kann - ein Geiselnehmer. Er hat aus politischen Gründen, um ein menschliches Pfand gegen die Bundesrepublik in der Hand zu haben, den deutschtürkischen Journalisten Deniz Yücel als Geisel nehmen lassen.

Seit Anfang 2017, seit sechs Monaten also, ist Yücel als angeblicher Terrorist eingesperrt. Für Erdoğan ist bekanntlich fast jeder ein Terrorist, der dezidiert anderer Meinung ist als er. In dieser Situation war sein Begehr, am Rande oder bei Gelegenheit des G-20-Gipfels in Hamburg eine Kundgebung für seine "Landsleute" in Deutschland abzuhalten, eine Provokation. Einer solchen Provokation muss schnell und unmissverständlich begegnet werden. Die Bundesregierung hat das in der notwendigen Klarheit getan.

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Außenminister Gabriel lehnt alle Wahlkampfauftritte ab, mit denen Politiker aus Nicht-EU-Staaten Konflikte nach Deutschland tragen. Eine harsche Position, passend zur Stimmung in Deutschland.

Von Stefan Braun, Berlin

Eine deutsche Erlaubnis zu einer Erdoğan-Kundgebung wäre ein Akt der Souveränitätsaufgabe gewesen; unverständlich und skandalös, eine Beihilfe zu Freiheitsberaubung und Geiselnahme. Die Hand dafür durfte die Bundesregierung nicht reichen. Sie durfte Erdoğan keine Bühne für öffentliche Aufwiegelei bieten.

Das Versammlungs-Grundrecht ist nicht für einen Erdoğan gemacht

Der Auftritt war und ist aus politischen und rechtlichen Gründen zu versagen. Die politischen Gründe hat Außenminister Sigmar Gabriel formuliert: Es wäre nicht gut, "die innenpolitischen Konflikte anderer Länder in unsere Bevölkerung zu tragen". Und juristisch ist es so, dass es zwar grundsätzlich einen Ermessensspielraum der Behörden gibt, solche Auftritte zu erlauben.

Dieser Spielraum ist aber angesichts der Situation in der Türkei und des rechtsstaatswidrigen Verhaltens von Erdoğan auf null geschrumpft; das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist nicht für einen wie ihn gemacht. Sein Auftritt kann nicht nur, er muss auch aus juristischen Gründen abgelehnt werden. Das Versammlungsrecht, das Aufenthaltsgesetz, vor allem die Regeln der Souveränität geben dafür die Handhabe.

Die Bundesregierung darf die Verwaltungsbehörden der Kommunen, die für die Genehmigung von Kundgebungen zuständig sind, nicht damit alleinlassen und darauf hoffen, dass die irgendeine Krimskrams-Begründung zur Ablehnung finden. Es handelt sich ja allenfalls im sehr übertragenen Sinn um Entscheidungen, in denen es um Brandschutz und dergleichen geht, wie ihn die Verwaltungsbehörden bei ihren Genehmigungen zu prüfen haben.

Es geht vielmehr um eine Grundsatzentscheidung deutscher Politik. Sie führt derzeit zu einem Rede- und Kundgebungsablehnungs-Gebot in Deutschland für türkische Regierungsmitglieder; das wäre auch schon im Februar 2017 geboten gewesen, als die deutschen Staatsgewalten den Wahlkampfauftritt des türkischen Premiers Binali Yıldırım fatalistisch über sich ergehen ließen.

Dem Gipfel fernbleiben wird Erdoğan des Kundgebungsverbots wegen kaum; er schnitte sich ins eigene Fleisch. Er wird womöglich versuchen, eine Pressekonferenz zum G-20-Gipfel zu einer aufwiegelnden Kundgebung umzufunktionieren.

© SZ vom 30.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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