Einigung von Hamas und Fatah:Lieberman: Palästinenser haben rote Linie überschritten

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Hamas und Fatah wollen ihren Streit beenden und eine Übergangsregierung bilden. Der israelische Außenminister Lieberman fürchtet, dass jetzt die radikalislamische Hamas auch im Westjordanland die Macht übernimmt - und Hamas-Terroristen aus den Gefängnissen entlassen werden.

Mit der Versöhnung der zerstrittenen Fraktionen Hamas und Fatah haben die Palästinenser nach den Worten des israelischen Außenministers Avigdor Lieberman eine rote Linie überschritten. Lieberman sagte dem israelischen Rundfunk am Donnerstag, Israel müsse jetzt seine Schritte erwägen. Er erwarte die Freilassung Hunderter Hamas-Terroristen aus Gefängnissen im Westjordanland, sagte der ultrarechte Außenminister.

"Eine rote Linie überschritten", sagt der israelische Außenministers Avigdor Lieberman zur Einigung von Hamas und Fatah. (Foto: AP)

Bei den vereinbarten palästinensischen Wahlen werde die radikalislamische Hamas voraussichtlich auch im Westjordanland die Kontrolle übernehmen. Bislang hatte die gemäßigte Autonomiebehörde gemeinsam mit Israel im Westjordanland die Hamas bekämpft.

Auch in Deutschland stößt die Einigung der Palästinenserorganisationen auf Skepsis. "Die Hamas ist für uns kein Gesprächspartner, weil wir nicht mit Organisationen zusammenarbeiten, die das Existenzrecht Israels mit Gewalt bekämpfen", sagte Außenminister Guido Westerwelle dem Tagesspiegel. Diese Maxime stehe nicht zur Disposition, solange die Hamas an ihren radikalen Positionen festhalte. Die Bundesregierung werde die konkreten Bedingungen der Vereinbarung zwischen Fatah und Hamas "genauestens prüfen", sagte der FDP-Politiker. Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Aston äußerte sich zurückhaltend zur Einigung der beiden bisher verfeindeten Palästinensergruppen. Zwar befürworte die EU ein Ende der Teilung zwischen dem von der Hamas kontrollierten Gaza-Streifen und dem Westjordanland, wo die Fatah regiert, es komme aber auf die Details der Vereinbarung an.

Hamas und Fatah hatten am Mittwochabend in Kairo überraschend die Unterzeichnung einer grundsätzlichen Vereinbarung über eine Versöhnung verkündet. Binnen eines Jahres sollen Präsidenten- und Parlamentswahlen in den Palästinensergebieten stattfinden. Auch der Nationalrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO soll neu gewählt werden. Die Übereinkunft kam nach Vermittlung durch den ägyptischen Geheimdienstchef Murad Muwafi zustande.

Bis zu den Wahlen soll eine Übergangsregierung mit unabhängigen Kandidaten gebildet werden, die die Zustimmung beider Fraktionen haben. Die Hamas hat deutlich gemacht, dass sie ihren Widerstand gegen Israel nicht aufgeben will und die Übergangsregierung keine Friedensverhandlungen mit dem jüdischen Staat führen wird.

Die Vereinbarung von Kairo soll einen jahrelangen Bruderkrieg zwischen Fatah und Hamas beenden. Die Beziehungen der als gemäßigt geltenden Fatah des Palästinenserpräsidenten Machmud Abbas zur radikalislamischen Hamas hatten sich nach der Wahl 2006 drastisch verschlechtert.

Frieden mit Israel - oder Frieden mit der Hamas

Nach einem blutigen Machtkampf hatte die bei den Wahlen siegreiche Hamas 2007 mit Gewalt die alleinige Kontrolle im Gazastreifen übernommen. Israel hat seitdem eine strikte Blockade über das Palästinensergebiet verhängt.

Die Fatah sieht in der Einigung mit der Hamas den ersten Schritt auf dem Weg zu einem arabischen Staat Palästina. Fatah-Sprecher Ahmed Assaf schwärmte in einem Telefoninterview mit der Nachrichtenagentur dpa: "Dies ist der Beginn einer neuen Ära." Gleichzeitig kritisierte Assaf den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu. Dieser hatte am Vortag erklärt, die Palästinenserbehörde in Ramallah müsse "zwischen einem Frieden mit Israel oder einem Frieden mit der Hamas wählen". Assaf sagte: "Wir geben Netanjahu auch die Möglichkeit zu wählen, und zwar zwischen Frieden oder dem Bau von Siedlungen. Außerdem muss er wählen zwischen Frieden und seinem Außenminister Avigdor Lieberman, der eine Symbolfigur für Rassismus ist."

Nach Einschätzung der Hamas wurde die Aussöhnung der Palästinenser durch den Wandel in der arabischen Welt begünstigt. "Diese Einigung ist zwar nicht das direkte Ergebnis des Sturzes von Präsident Hosni Mubarak. Aber wir können nicht leugnen, dass der Wandel in Ägypten auch auf Seiten der Palästinenser eine neue Atmosphäre geschaffen hat", sagte Politbüro-Mitglied Essat al-Rischk am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa in Damaskus.

Die Ziele der neuen ägyptischen Führung seien andere als die von Mubarak, der am 11. Februar nach Massenprotesten von den Streitkräften entmachtet worden war. "Die Prioritäten der Ägypter haben sich geändert und sie nehmen im innerpalästinensischen Konflikt jetzt eine neutralere Haltung ein", erklärte al-Rischk, der zur Exilführung der Hamas in Syrien gehört.

Russland und Iran begrüßen die Versöhnung

Die ägyptische Führung hatte mehrere Jahre lang erfolglos versucht, die radikale Hamas und die gemäßigte Organisation Fatah des Palästinenserpräsidenten Machmud Abbas zu einer Versöhnung zu bewegen. Damals hatte es oft geheißen, Syrien wirke auf die Exilführung der Hamas ein, um einen Kompromiss zu verhindern. Ob auch die Unruhen in Syrien Einfluss auf die jetzt erzielte Einigung hatten, wollte al-Rischk nicht sagen.

Russland hat die Einigung der verfeindeten Palästinenserorganisationen Fatah und Hamas begrüßt. "Wir haben diesen bedeutenden Schritt mit großer Zufriedenheit vernommen", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Moskau nach Angaben der Agentur Interfax. Russland hoffe, dass die Palästinenser nach außen nun endlich geschlossen auftreten würden. Russland bemüht sich seit Jahren um eine Vermittlerrolle im Nahen Osten.

Auch in Iran ist die Einigung der verfeindeten Palästinenserorganisationen Hamas und Fatah auf große Zustimmung gestoßen. "Dies ist ein positiver Schritt, um die historischen Ziele der unterdrückten palästinensischen Nation zu erreichen", erklärte der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi laut der Nachrichtenagentur Fars.

© dpa/APF/AP/Reuters/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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