Einigung im Koalitionsausschuss:Feilschen und tauschen

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Selbst in den eigenen Reihen herrschte bis zum Schluss Skepsis - aber dann gelang doch eine Einigung: Wie die Chefs von CDU, CSU und FDP einen Kompromiss erringen, der auch die eigenen Parteien befrieden soll.

Stefan Braun und Peter Blechschmidt, Berlin

Schon bevor es ins Finale geht, wollen die Spitzenleute aller drei Parteien optimistisch wirken: die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel ebenso wie CSU-Chef Horst Seehofer und FDP-Chef Philipp Rösler. Also lassen alle drei schon am Sonntagmittag nach draußen verbreiten, dass es diesmal doch noch was werden könnte. Trotzdem bleiben bis in den Nachmittag hinein selbst die eigenen Leute skeptisch - bis es kurz nach 19 Uhr plötzlich heißt, es habe tatsächlich einen Durchbruch gegeben.

Die Spitzen von Union und FDP während des Koalitionsausschusses in Berlin: Dieses Mal konnte ein Durchbruch erzielt werden. (Foto: dapd)

Eine knappe halbe Stunde später treten Merkel, Seehofer und Rösler vor die Presse. Oft schon hatten sie eine frühe Einigung nebst frühabendlicher Präsentation angestrebt - und waren daran gescheitert. Diesmal aber erreichen sie ihr Ziel, noch zu den Abendnachrichten der großen Fernsehanstalten fertig zu werden.

Organisatorisch hatten sie es diesmal präzise vorbereitet. Schon am Vormittag waren die Parteichefs zusammengetroffen; am frühen Nachmittag kamen die Fraktionschefs dazu - bis schließlich die große Runde des Koalitionsausschusses im Kanzleramt zusammensitzt, um über einen großen Korb von Themen zu beraten. Betreuungsgeld und Zuwanderung ausländischer Fachkräfte, Verkehrsinvestitionen und Pflege - und dazu die wichtigste Frage, auf welchem Wege die Koalition ihr Versprechen, wenigstens im kleinen Rahmen die Steuern zu senken, doch noch wahr machen könnte.

Nach sieben Stunden Verhandlungen sieht es so aus, als habe die Koalition diesmal tatsächlich in zahlreichen Bereichen Ergebnisse erzielt. Bei den Steuern soll es nun in zwei Schritten 2013 und 2014 eine Anhebung der Steuerfreibeträge sowie einen Inflationsausgleich geben, Gesamtwert rund sechs Milliarden Euro. Zudem soll es mehr Steuergerechtigkeit geben - was die Vermutung zulässt, dass bei der Einkommensteuer auch die problematische kalte Progression bekämpft werden soll.

Andere Ideen, die zuletzt auch angedacht und ins Spiel gebracht worden waren, sind damit wieder vom Tisch. Dazu zählte eine Senkung der Stromsteuer oder eine Verringerung des Solidaritätszuschlags. Insbesondere letzteres war bei Ministerpräsidenten und Bundestagsabgeordneten aus Ostdeutschland auf scharfe Kritik gestoßen.

Außerdem bewahrheitete sich im Laufe der Verhandlungen, was intern schon vermutet worden war: dass andere Themen nach einer Einigung über die Steuern vergleichsweise schnell gelöst werden könnten. So ist es der CSU offenbar gelungen, das Betreuungsgeld durchzusetzen. Im Gegenzug stimmte sie dem Wunsch der Liberalen zu, die Zuwanderung gutqualifizierter ausländischer Arbeitskräfte zu erleichtern. Hier soll das für eine Einwanderung nötige Jahreseinkommen von derzeit 60.000 Euro gesenkt werden.

Eine Einigung hat es auch bei der zusätzlichen Finanzierung der Pflegeversicherung gegeben. Hier gibt es zusätzlich eine Milliarde für Demenzkranke und ihre Angehörige. Dafür soll der Beitragssatz um 0,1 Prozent erhöht werden - was durch die bereits angekündigte Senkung der Krankenversicherungsbeiträge aber wieder kompensiert wird. Schließlich verständigten sich die drei Parteien auf ein Investitionsprogramm für Verkehr und Infrastruktur - Gesamtsumme rund eine Milliarde Euro.

Die am Ende doch vergleichsweise schnelle Einigung dürfte auch zum Ziel haben, der zuletzt am Wochenende noch einmal laut gewordenen Kritik aus den eigenen Reihen Entschlossenheit entgegen zu setzen. So hatten mehrere CDU-Ministerpräsidenten, aber auch Bundesminister der Union Skepsis bis Ablehnung gezeigt gegen alle Ideen, in der derzeitigen Lage die Steuern zu senken. Dazu zählten Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen.

Ganz andere Töne kamen aus den Reihen der Liberalen. Dort war die Kritik an der FDP-Führung angeschwollen, so vom früheren FDP-Generalsekretär und heutigen Entwicklungsminister Dirk Niebel. Der FDP-Politiker sagte, die schlechten Umfragewerte seiner Partei sei der geringen Durchsetzungsfähigkeit geschuldet. Die FDP werde kaum wahrgenommen, weil sie von ihren Zielen bis jetzt kaum was habe durchsetzen können. "Wir sind als Bürgerbewegung in die Regierung gestartet und als Angestellte von Angela Merkel gelandet", sagte Niebel der Rheinischen Post.

© SZ vom 07.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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