Der Grant der bayerischen Staatsregierung auf die Berliner Ampel zieht sich bis ins kleinste Detail. Der Freistaat blockiert derzeit, was die meisten EU-Staaten schon umgesetzt haben: Dass Websites staatlicher Stellen einer einheitlichen Logik folgen, damit sie für Bürgerinnen und Bürger auf den ersten Blick als solche erkennbar sind. Das soll Betrug und Desinformation vorbeugen.
In Deutschland gleichen Verwaltungsportale Kraut und Rüben. Mal ist der Login links oben, mal rechts unterhalb der Kopfzeile. Designs sind nicht ähnlich, jedes Bundesland hat sich künstlerisch selbst verwirklicht. Es gibt zudem keine einheitliche Domainstruktur: Bayerns Portal steuert man unter www.bayernportal.de an, das Pendant in Sachsen nennt sich amt24.sachsen.de, die Angebote des Bundes enden wiederum alle mit bund.de.
Das kann zu einem Problem werden. Rund um die Einmalzahlung, die sogenannte Energiepauschale, versuchten Betrüger zum Beispiel, mit gefälschten Seiten Daten von Bürgern abzugreifen. Der - vielleicht nicht unbedingt extrem vertrauenswürdige - Name des offiziellen Angebots von Bund und Ländern: www.einmalzahlung200.de.
Bei der Vereinheitlichung gilt Großbritannien als Vorreiter
Die Gegenstrategie ist ebenso banal wie wirksam: In Großbritannien endet jede Behördensite mit gov.uk, in Frankreich mit gouv.fr, in Spanien mit gob.es, in Österreich mit gv.at, in Polen auf gov.pl, und so weiter. Großbritannien gilt generell als Vorreiter, hat bereits vor zehn Jahren eine einheitliche Strategie umgesetzt, unterschiedliche Websites zu einem gemeinsamen Portal zusammengefasst und alle Angebote optisch und funktional gleich aufgebaut. Motto: simpler, cleaner, faster.
Eigentlich hätte der digitale Flickenteppich der deutschen Verwaltungen mit der Ministerpräsidentenkonferenz vergangene Woche ein Ende haben sollen. Doch der Freistaat stimmte vor dem Treffen als einziges Bundesland dagegen. Bayerns Vertreter hatten in der Runde der Digitalbeauftragten von Bund und Ländern, dem sogenannten IT-Planungsrat, einem politisch weithin unbeachteten Gremium, deutlichen Protest eingelegt. Begründung des Sprechers des Digitalstaatsministeriums: "Unter dem Gesichtspunkt der Sichtbarkeit des Freistaats im Internet wäre dies ein weitreichender Übergriff der Bundesymbolik in die Landesverwaltung." Eine einheitliche Dachmarke würde föderale Zuständigkeiten ignorieren.
Dass in Deutschland die höchste politische Ebene kleinteilig über Namen und Design von Webauftritten diskutiert und am Ende gar nichts dabei herauskommt, stößt manchen sauer auf. "Das wirkt ja wirklich so, als ob wir nur mit uns selbst beschäftigt sind, statt Probleme zu lösen", sagt der Digitalbeauftragte eines Bundeslandes. Zumal alle Länder ihre Wappen und Landesfarben weiterhin hätten verwenden können.
Nun heißt es zurück zum Start: Beim nächsten IT-Planungsrat im März 2024 gibt es einen neuen Anlauf, sagt eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. Aus Bayern heißt es: An der Einstellung zum Thema werde sich nichts ändern.
Der Text basiert auf den Recherchen von SZ Dossier, dem neuen politischen Informationsservice der Süddeutschen Zeitung: sz-dossier.de