Ehe für Schwule und Lesben:Blöde Gefühle sind Sache für den Therapeuten

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In Frankreich demonstrierten im Jahr 2013 Bürger für die Gleichstellung der Homo-Ehe. (Foto: dpa)

Es geht nicht ums Kindeswohl, wenn sich Christen und Unionisten gegen die Gleichstellung der Homo-Ehe stemmen. Es geht um Bilder im Kopf. Um Ekel vor Sex unter Männern. Und um die Rettung jener Selbstgewissheit, die der Familie abhandengekommen ist.

Kommentar von Constanze von Bullion

Die Iren haben sich entschieden, das Institut der Ehe gleichgeschlechtlichen Paaren zu öffnen - und damit ein Erdbeben ausgelöst im christlichen Europa. Der Vatikan meldet Erschütterung, Kardinalstaatssekretär Pietro Paolin nannte die Entscheidung eine "Niederlage für die Menschheit". Die deutschen Bischöfe schwiegen erst vielsagend, bevor sich erste Würdenträger der Kirche vorsichtig von der Bemerkung distanzierten. Und auch in Deutschlands christlichen Parteien wird gestritten, seit die Iren die Frage aufgeworfen haben: Was schadet es eigentlich herkömmlichen Ehen und Familien, wenn es nebenan auch andere gibt, solche mit Ehepartnern gleichen Geschlechts?

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Es mag nicht schaden, aber es stört irgendwie, lautet die Antwort von Unionsfraktionschef Volker Kauder, auch wenn er sie anders formuliert. Die Ehe sei eine Verbindung von Mann und Frau, ihre Öffnung für Menschen gleichen Geschlechts lehne er ab, auch weil Schwule und Lesben keine Kinder adoptieren sollten, sagt Kauder. Prompt widersprachen ihm Familienpolitiker der Union, die daran erinnerten, dass auf Dauer angelegte Partnerschaften schon zu unterstützen seien, irgendwie. Und die Kanzlerin, die bereits früher diffuses Unbehagen gegenüber der Gleichstellung homosexueller Paare geäußert hat? Sie ließ ihren Sprecher in heillosem Zickzackkurs erläutern, die Bundesregierung sei zwar gegen Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Paare, unbedingt, nicht aber für ihre Gleichstellung mit Eheleuten. Was aber ist Nicht-Gleichstellung anderes als Diskriminierung?

Unaufhaltsam geht die Reise Richtung Gleichstellung

Wer ein wenig rührt im Gebräu aus Ängsten und Egoismen der christlich- heterosexuell geprägten Gesellschaft, sieht auf dem Grund: Ressentiment. Mit vernünftigen Argumenten nämlich lässt sich nicht begründen, warum gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland noch immer auf Abstand zur Ehe gehalten werden. Verfassungsrechtlich ist das nicht gedeckt, Karlsruhe hat signalisiert, dass die Reise Richtung Gleichstellung geht. Und auch die letzte Bastion der Verteidiger der Normfamilie dürfte bald fallen: das Privileg der Adoption nichtleiblicher Kinder, das Verheirateten vorbehalten ist, wenn auch mit anfechtbarer Begründung.

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Argument Nummer eins der Gegner gleichgeschlechtlicher Elternschaft: Kinder brauchen männliche und weibliche Vorbilder. Variatio delectat, Abwechslung macht Freude - das kann man so sehen. Aber würde man alleinerziehenden Eltern mit der gleichen Begründung die Eignung zu gelungener Erziehung aberkennen? Sicher nicht. Argument Nummer zwei: Homosexuelle "beschaffen" sich auf künstlichem Weg Kinder, die sie auf natürliche Weise nicht kriegen können. Das stimmt. Aber was unterscheidet sie da von Heterosexuellen mit unerfülltem Kinderwunsch, die sich zu künstlicher Befruchtung oder Adoption entscheiden? Nichts. Drittes Argument, das unausgesprochene: Schwule sind doch irgendwie latent pädophil und sollen die Finger von Kindern lassen. Wer das unterstellt, möge Beweise liefern. Ob die Niederlande, Großbritannien oder Dänemark - in keinem dieser Länder, in denen Schwule und Lesben seit Jahren adoptieren, wurde die Zunahme von sexuellem Missbrauch oder sonst welcher Schaden am Nachwuchs registriert.

Es geht also nicht ums Kindeswohl, wenn Christenmenschen, Unionisten und stille Mitläufer sich gegen die Gleichstellung stemmen. Es geht um Bilder im Kopf, um Ekel vor Sex unter Männern, auch um die Rettung jener Selbstgewissheit, die der Familie von heute abhanden gekommen ist. Blöde Gefühle gegenüber Schwulen und Lesben sind erlaubt, aber eine Sache für den Therapeuten. Auf Schutz durch das Gesetz haben sie keinen Anspruch - und auch keine hohe Lebenserwartung mehr.

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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