Wahlen in Ecuador:Wahlen im Schatten von Mord, Korruption und Drogenhandel

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Soldaten versorgen die Wahllokale in Ecuador mit den notwendigen Unterlagen. Wahrscheinlich kommt es im Oktober zu einer Stichwahl. (Foto: Martin Bernetti/AFP)

Ecuador ist zum wichtigen Transitland für Kokain geworden, die Regierung gilt als bestechlich, Bombenanschläge gehören inzwischen zum Alltag. Selbst ein Präsidentschaftskandidat wurde kurz vor der Wahl ermordet.

Nach Wochen der Gewalt wählt Ecuador an diesem Sonntag ein neues Staatsoberhaupt. Etwa 13,4 Millionen Wahlberechtigte sind zur Abstimmung aufgerufen. Die Wahl war notwendig geworden, nachdem der konservative Präsident Guillermo Lasso im Frühjahr das Parlament auflösen ließ, um einem Amtsenthebungsverfahren wegen mutmaßlicher Unterschlagung zuvorzukommen.

Unter den acht Kandidaten um die Präsidentschaft können sich vor allem die 45-jährige Luisa González (Movimiento Revolución Ciudadana), der indigene Umweltaktivist Yaku Pérez, 54, und der deutschstämmige frühere Vizepräsident Otto Sonnenholzner , 40, Hoffnungen auf einen Sieg machen. In den Umfragen führte zuletzt González mit rund 25 Prozent Zustimmung. Um zu gewinnen, ist allerdings eine absolute Mehrheit notwendig, oder mindestens 40 Prozent mit zehn Prozentpunkten Vorsprung vor dem oder der Zweitplatzierten. Es wird deshalb mit einer Stichwahl gerechnet, die am 15. Oktober stattfinden soll. Neben dem Präsidenten wählen die Ecuadorianer auch die Abgeordneten der Nationalversammlung. Außerdem stehen zwei Volksentscheide an: Einer zur Ölförderung im Yasuní-Nationalpark im Amazonasgebiet und einer über den Bergbau in den Nebelwäldern des Chocó Andino.

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In den vergangenen Monaten hat Präsident Lasso mehrfach den Ausnahmezustand verhängt und die Armee eingesetzt, die Probleme in dem Land jedoch nicht in den Griff bekommen. Todesdrohungen gegen Politiker, blutige Gefängnisaufstände und Bombenanschläge gehören inzwischen zum Alltag.

Vor der Wahl ist einer der Kandidaten einem Attentat zum Opfer gefallen: Der 59-jährige Journalist Fernando Villavicencio vom liberalen Wahlbündnis Construye (Baue) wurde am Mittwoch vergangener Woche nach einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Quito erschossen. Für die Partei tritt jetzt der Journalist Christian Zurita, 53, an.

Im Juli war bereits der Bürgermeister der Stadt Manta, Agustin Anibal Intriago, Opfer eines Attentats geworden. In der Woche vor der Wahl wurde Pedro Briones, ein Lokalpolitiker der Movimiento Revolución Ciudadana, in der Provinz Esmeraldas erschossen. Die genauen Hintergründe dieser Morde sind noch unklar, die Regierung macht jedoch das organisierte Verbrechen für die Tat verantwortlich.

Innerhalb von zwei Jahren hat sich die Mordrate verdreifacht

Villavicencio hatte als Journalist und Abgeordneter immer wieder die Korruption kritisiert und der Politik Verbindungen zur organisierten Kriminalität vorgeworfen. Er kündigte an, im Falle seines Siegs hart gegen dagegen vorzugehen. Ecuador werde von mexikanischen Drogenkartellen und der albanischen Mafia beherrscht, hatte er vor seinem Tode gewarnt und erklärt, das sei nicht ohne das Einverständnis und die Duldung der politischen Macht möglich. Gemeinsam mit seinem Nachfolger als Kandidat, Zurita, hatte er über Korruption in der Amtszeit des linkspopulistischen Ex-Präsidenten Rafael Correa berichtet. Correa wurde in Abwesenheit zu acht Jahren Haft verurteilt - und lebt inzwischen in Belgien, von wo aus er die Kandidatin Luisa González unterstützt.

Nach dem Mord hatte Präsidentschaftskandidat Yaku Pérez Ecuador als "gescheiterten Staat" bezeichnet und erklärt: "Wir befinden uns in einer schweren wirtschaftlichen, sozialen und moralischen Krise." Seine Konkurrentin González sagte, das Land sei durch "völlige Vernachlässigung durch eine unfähige Regierung" von kriminellen Banden übernommen worden, und wies ebenfalls auf die drückenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme hin.

Am Tag vor der Wahl haben Polizeibeamte auf Autos einer Wagenkolonne des Bürgermeisters Francisco Tamariz der Küstenstadt La Libertad gefeuert. Während Tamariz von einem Mordanschlag sprach, den er unbeschadet überstanden habe, erklärte die Polizei, die Wagen hätten eine Polizeikontrolle ignoriert, die Beamten hätten geschossen, weil sie ihr Leben in Gefahr gesehen hätten. Präsidentschaftskandidat Otto Sonnenholzner berichtete ebenfalls am Samstag von einer Schießerei vor einem Restaurant in Guayaquil, in dem er sich mit seiner Familie aufgehalten habe - es sei aber niemand zu Schaden gekommen.

Ecuador dient als wichtiges Transitland für Kokain, mehrere Verbrechersyndikate kämpfen um die Kontrolle der Schmuggelrouten. Innerhalb von zwei Jahren hat sich in dem Land, das zuvor eines der sichersten Länder Südamerikas war, die Mordrate verdreifacht, heute ist sie höher als in Mexiko oder Brasilien. Zudem leidet Ecuador unter einer anhaltenden Wirtschaftskrise.

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