Dresden:"Gruppe Freital": Eingebettet in ein Netz von Freunden und Unterstützern

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Die Angeklagte Maria K. mit ihrem Anwalt. (Foto: AFP)
  • In Dresden beginnt der Prozess gegen die rechtsextreme Terrorzelle "Gruppe Freital", die Anschläge auf Flüchtlingsheime verübte.
  • Kurz vor Prozessbeginn schlägt ein Sprengstoffhund an. Die Ermittler stemmen eine Wand des Gerichtsgebäudes auf.
  • Die Anwälte der acht Angeklagten wettern gegen die Anklage; sprechen von Symbolik, einem verbotenen Ausnahmegericht und "Sonderbehandlung".

Von Annette Ramelsberger, Dresden

Unter großer Anspannung hat in Dresden der Terrorprozess gegen acht Angeklagte aus dem sächsischen Freital begonnen. Ihnen wird versuchter Mord und die Bildung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Sie sollen Sprengstoff-Anschläge auf zwei Flüchtlingsheime, mehrere Politiker und ein linkes Wohnprojekt begangen haben. Die Bundesanwaltschaft sieht in der Gruppe Freital - neben dem NSU und der rechtsextremen Old School Society - die dritte rechte Terrorzelle in Deutschland; gegen alle wird derzeit verhandelt.

Schon morgens war das neu erbaute Hochsicherheitsgericht am Rande Dresdens von Besuchern und Demonstranten umlagert. Kurz vor acht Uhr schlug ein Sprengstoffhund an - daraufhin wurde eine Wand des Gebäudes aufgestemmt. Polizisten suchten mit einem Stethoskop nach möglicherweise dort verbautem Sprengstoff und röntgten die Wände. Man fand nichts, offenbar hatte der Hund auf ein Putzmittel reagiert. Die Polizei ist deswegen so angespannt, weil die Angeklagten mit großen Mengen hochexplosivem Sprengstoff aus nicht zugelassenen Böllern hantiert hatten, die sie aus Tschechien bezogen. Und weil sie eingebettet sind in ein Netz von Freunden und Unterstützern, die zum Teil auch im Gerichtssaal sitzen.

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Sieben von acht Angeklagten verweigern ihre Personalien

Das Verfahren findet in einem Gebäude statt, das eigentlich als Erstaufnahmeeinrichtung für 700 Flüchtlinge geplant war, benutzt. Die sind nicht gekommen, dafür sind nun acht Angeklagte da - die genau solche Menschen vertreiben wollten. Das wirft ihnen die Bundesanwaltschaft vor. Sie hätten mit ihren Anschlägen "schwere körperliche Schäden und die Tötung eines Menschen billigend in Kauf genommen" und die Flüchtlinge zum Wegzug veranlassen wollen. Die acht hätten ihre rechtsextremistische Gesinnung und ihre Fremdenfeindlichkeit bei regelmäßigen Treffen an der Aral-Tankstelle in Freital gezeigt sowie in eigenen Chatgruppen, in denen sie sich selbst als "Terroristen" bezeichneten.

Der Prozess begann sofort mit Konfrontation. Die Angeklagten verweigerten - bis auf einen, den jüngsten - , ihre Personalien anzugeben. Dann hagelte es Befangenheitsanträge gegen das Gericht. Zum Beispiel, weil die Anwälte durchsucht werden, die Staatsanwälte aber nicht. Oder weil der Vorsitzende Richter Thomas Fresemann angeblich mal am Landgericht Görlitz gearbeitet hatte, dessen damaliger Präsident nun als Anwalt den jüngsten Angeklagten vertritt, einen 19 Jahre alten Gleisbauer-Azubi. Deswegen müssten die anderen Angeklagten befürchten, dass dieser Angeklagte weicher und sie dafür härter angefasst würden, erklärten die Verteidiger. Der Anwalt des Azubi aber erklärte später, er sei nie Chef von Richter Fresemann gewesen. Dann aber ging es um das Gerichtsgebäude und die Besetzung des Senats.

Maria K.s Anwalt wettert gegen Gericht und Bundesanwaltschaft

Vor allem der Verteidiger der einzigen weiblichen Angeklagten, der Dresdner Rechtsanwalt Endrik Wilhelm, griff das Gericht und die Bundesanwaltschaft scharf an. Letztere habe sich quasi einen Hochsicherheitssaal für den Prozess beim sächsischen Justizministerium bestellt, es gehe nur darum, in Sachsen ein Exempel zu statuieren. Der fünf Millionen teure Umbau sei nicht nötig gewesen. Es sei nur Symbolik, dass ausgerechnet in einer Flüchtlingsunterkunft verhandelt werde. Außerdem stünden Straftaten und Aufwand in keinem Verhältnis zueinander. Die Verletzungen der Flüchtlinge seien schon nach zwei Tagen wieder verheilt gewesen, die Augenverletzung eines Opfers sei durch ein paar Tropfen behoben worden, sagte Wilhelm.

Und auch der vierte Strafsenat am Oberlandesgericht Dresden sei nur dafür eingerichtet worden, um diesen Prozess zu führen. Es handele sich deswegen um ein "verbotenes Ausnahmegericht", das dem Recht auf den gesetzlichen Richter widerspreche, erklärte Wilhelm. Die Richter hätten sich willfährig zu Mitgliedern eines Ausnahmegerichts machen lassen, sie seien in Strafrecht unerfahren und könnten der Autorität der Bundesanwaltschaft nichts entgegenhalten. Andere Verteidiger sprachen davon, der Strafsenat sei durch "manipulatives Eingreifen" des OLG-Präsidiums "nach dem Baukastenprinzip" zusammengestellt worden.

Immer wieder verwahrten sich die Vertreter der bei den Anschlägen Verletzten gegen die Ausführungen Wilhelms. Nebenklageanwalt Alexander Hoffmann beantragte mehrmals, dem Verteidiger das Wort zu entziehen. "Die Ausführungen mögen der Selbstdarstellung des Kollegen schmeicheln, aber sie haben keinerlei Bezug mehr zu seinem Befangenheitsantrag." Doch der Richter ließ Wilhelm reden.

Die Angeklagte scheint sich vor Gericht sehr zu amüsieren

Wilhelms Mandantin Maria K., 28, ein Skingirl, das mit halb geschorenem Kopf vor Gericht kam, schien sich sehr zu amüsieren. Sie hatte laut Anklage ihren Baseballschläger für Anschläge zur Verfügung gestellt und war auch bei Sprengversuchen dabei. Sie ist ebenfalls wegen Mordversuchs angeklagt. Nun erklärte ihr Anwalt, bei der Frau bestehe Suizidgefahr. Dafür sah Maria K. sehr fröhlich aus. Der Anwalt benutzte für Sicherheitsmaßnahmen wie die Trennscheibe im Besucherraum auch das Wort "Sonderbehandlung". Das ist das Wort, das die Nationalsozialisten für die Ermordung politischer Gegner benutzten. Unwahrscheinlich, dass es dem wortgewaltigen Anwalt versehentlich entschlüpfte.

Wegen der Vielzahl an Anträgen unterbrach der Vorsitzende Richter Fresemann die Verhandlung für eine Woche. Ursprünglich war für diesen Mittwoch der nächste Termin vorgesehen.

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© SZ vom 08.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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