Gesine Tews hat ihre Führung durch den Klinkerbau im Dresdner Norden dramaturgisch klug angelegt. Die Sprecherin des Oberlandesgerichts beginnt bei Nebensächlichkeiten, dann nähert sie sich dem Wesentlichen. An Station eins, den Presseräumen, verspricht Tews den Journalisten am Dienstag die rechtzeitige Installation eines Snackautomaten. Bedeutsames Nicken.
An Station zwei, dem Innenhof, gibt es erste kritische Nachfragen: Wie is'n das mit Rauchen? Tja, sagt Tews, Feuerzeuge dürften nicht mitgeführt werden, für die Dauer des Prozesses stehe also ein Wachtmeister im Hof bereit, um Zigaretten anzustecken. Kurzes Gelächter. "Für Sie ist das jetzt wieder witzig", sagt Tews ungerührt, aber eigentlich sei das alles hier nun gar nicht lustig. Den Beweis liefert Station drei, und damit die Hauptattraktion dieser Vorabbesichtigung: der frisch hergerichtete Sitzungssaal, auf 400 Quadratmetern genau geplant für das riesige Hauptverfahren, das am 8. März hier eröffnet werden soll.
60 Verhandlungstage, acht Angeklagte, ein Umbau für 5,5 Millionen Euro
Es geht gegen die "Gruppe Freital" und damit um die Bildung einer terroristischen Vereinigung. Zudem: versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung, Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion. Angeklagt sind sieben Männer und eine Frau im Alter zwischen 18 und 39 Jahren, sie werden für fünf fremdenfeindliche oder politisch motivierte Anschläge verantwortlich gemacht, darunter die Detonation am Auto eines Politikers der Linken, das dabei zerstört wurde.
Das Verfahren gegen die "Gruppe Freital" ist einer der größten Strafprozesse, die es in Sachsen je gegeben hat, gleich welche Parameter man heranzieht. Mehr als 60 Verhandlungstage sind derzeit geplant, auch im Gerichtssaal lassen sich ungewöhnliche Dimensionen erkennen: 24 Plätze gibt es allein für die acht Angeklagten und deren jeweils zwei Vertreter. Am Zeugenstand befindet sich eine Kamera wie man sie als Blitzdings aus den " Men in Black"-Filmen kennt. Die Aussagen werden über Fernseher in den Saal gestreamt, die Sicht wäre andernfalls eingeschränkt. Drei Vertreter des Generalbundesanwalts sind vorgesehen, für die Nebenkläger sind es derzeit sechs bis sieben Plätze. Hinzu kommen: 70 Sitze für Journalisten, 82 für Publikum.
5,5 Millionen Euro für ein Provisorium - mit Option dauerhafter Nutzung
Etwa 5,5 Millionen Euro hat der Umbau gekostet, bekommen hat die sächsische Justiz dafür allerdings nur eine Interimslösung. Weil sie über keinen ordentlichen Saal verfügt, der den Ansprüchen des Verfahrens in Umfang und Sicherheit gerecht würde, hatte die Verwaltung über Monate nach einem geeigneten Ausweichort gesucht. Geprüft wurden die Dresdner Messe, das Landgericht, selbst Räume außerhalb der Stadt. Weil die Zeit knapp wurde, bekam das Areal am Hammerweg den Zuschlag, als es noch im Rohbau war. Es entstand hier gerade eine Erstaufnahmeeinrichtung für 700 Geflüchtete. Mit Blick auf das Verfahren wurde der Speisesaal dieser Unterkunft umgeplant. Für die Dauer des Verfahrens werden zwar keine Geflüchteten auf dem Gelände untergebracht werden, das Symbolkapital aber ist auch so gewaltig: Jene, die auch wegen aufzuklärender Anschläge auf Asylunterkünfte vor Gericht stehen, finden selbiges in einer genau solchen wieder.
Zwar betont Sprecherin Gesine Tews, dass das Mobiliar - Fernseher, Stühle und Tische, Mikrofontechnik - hernach weiterverwendet werden könne. Der finanzielle Aufwand von 5,5 Millionen Euro scheint dennoch gewaltig zu sein. Unter dem zeitlichen Druck, heißt es dazu, habe sich einfach keine andere Möglichkeit aufgetan. Es gebe im Justizministerium aber "Überlegungen zu Planungen", sagt Tews, einen ähnlich großen Saal dauerhaft einzurichten. Man weiß ja nie, ob ein solcher nicht doch mal wieder gebraucht wird, zumal in Sachsen.