Dreikönigstreffen der FDP:Trügerische Treueschwüre

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Warum niemand den Mut hat, sich an die Spitze der Bewegung "Stürzt Westerwelle" zu stellen - und die FDP trotz ihrer Unzufriedenheit mit ihrem Parteivorsitzenden Geschlossenheit demonstrieren wird.

Peter Blechschmidt

Guido Westerwelle ist ein fabelhafter Redner. Das attestieren dem FDP-Vorsitzenden selbst die vielen, die sonst überhaupt nichts von ihm halten. Doch die Erwartungen, die in den eigenen Reihen an seine Dreikönigsrede im Stuttgarter Staatstheater an diesem Donnerstag geknüpft werden, würden selbst einen Westerwelle auf dem Gipfel der Beliebtheitskurve überfordern. Einen Kurswechsel soll sie einleiten, einen Neuanfang markieren, sie soll der Partei den Weg aus dem Tal der Tränen weisen.

"Die Latte so hoch zu legen bei jemandem, der für die FDP die größten Erfolge erzielt hat, gehört sich nicht", meint der schleswig-holsteinische Landeschef Jürgen Koppelin. "Das ist einfach unfair. Das kann nicht gut gehen", fügt Koppelin an, der auch stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion und nebenbei ein enger politischer Partner des notorischen Westerwelle-Kritikers Wolfgang Kubicki ist.

Genau dieses, das Scheitern, haben vermutlich jene im Sinn, welche die Ansprüche in den letzten Tagen so hoch geschraubt haben. Offen wie nie zuvor haben FDP-Mitglieder - vom Kreisvorsitzenden über ehemalige Staatssekretäre bis hin zum hessischen Landeschef und stellvertretenden Ministerpräsidenten Jörg-Uwe Hahn - Westerwelle den Rückzug vom Parteivorsitz nahegelegt.

Viele Liberale sind der Meinung, dass die FDP mit Westerwelle an der Spitze die Wende nicht mehr schafft. "Er kann machen, was er will", analysiert jemand aus der Führungsetage, der nicht genannt werden will. "Ob es um den Abzug aus Afghanistan geht oder um seinen Einsatz für die beiden im Iran festgehaltenen Reporter, er wird nicht mehr für voll genommen. Er ist durch", lautet das vernichtende Urteil.

Aber niemand traut sich offenbar, ihm das in dieser Deutlichkeit zu sagen. Das überlässt man lieber den Medien und deren meist anonymen Informanten. Und er selbst? Westerwelle rühmt sich, schon durch manches tiefe Tal gegangen zu sein. In stürmischer See werde er an Deck bleiben, hat er kürzlich noch angekündigt. Die Meinung des rheinland- pfälzischen Landtags-Spitzenkandidaten Herbert Mertin, dass er der FDP wie ein Klotz am Bein hänge, teilt Westerwelle offenkundig nicht.

Zumindest in diesem Punkt, so die einhellige Prognose der Kundigen, dürfte Westerwelles Auftritt im Staatstheater Klarheit schaffen: Er wird kämpfen. "Westerwelle hat die Härte und den Willen, den Turnaround zu schaffen", sagt Generalsekretär Christian Lindner. "Dabei hat er unsere Unterstützung."

Worte der Woche
:"Kirche und FDP glauben an die Auferstehung"

Das Schiff FDP steuert weiter durch den Sturm. Während führende Parteipolitiker mit Minusgraden in den Umfragen rechnen, will der Kaptiän an Bord bleiben: Die Worte der Woche.

Unter der Überschrift "Jetzt erst recht" haben Lindner, der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Daniel Bahr und Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler am Dienstag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die programmatische Erneuerung der FDP eingefordert. Dabei betonen sie, dass das "Konzept einer eigenständigen Gestaltungspartei", wie es die FDP mit ihren Wiesbadener Grundsätzen von 1997 beschrieben habe, maßgeblich dem damaligen Generalsekretär Westerwelle zu verdanken sei. Dies soll unausgesprochen dem Vorwurf begegnen, unter Westerwelle sei die FDP zur monothematischen Steuersenkungspartei verkümmert.

Als noch alles in Ordnung war: FDP-Chef Guido Westerwelle und Rainer Brüderle im Februar 2010 bei einer Sitzung des Parteipräsidiums. Zum diesjährigen Dreikönigstreffen reist Westerwelle schwer angeschlagen an. (Foto: dpa)

Viele Attacken gegen den ungeliebten Parteichef werden mit heruntergelassenem Visier geritten. Deshalb konnte Westerwelle Kritik bisher unter Verweis auf offizielle Einigkeitsbekundungen in den Gremien stets als irrelevant abtun. "Wenn man der Meinung ist, dass Dinge nicht in Ordnung sind, muss man auch mal Flagge zeigen. Ein bisschen mutiger darf man da schon mal vortreten", sagt ein Präsidiumsmitglied, das aber selbst auch nicht mit seinem Namen für diese Mahnung an die Kollegen einstehen will.

Auch dürfe man Westerwelles Steherqualitäten nicht unterschätzen, sagt einer, der ihn lange kennt: "Bei so viel Häme in den Medien hätten andere längst das Handtuch geworfen. Bei ihm hat man das Gefühl, das stachelt ihn erst recht an."

Auch nach Dreikönig wird die Parteiführung Geschlossenheit demonstrieren. Niemand wird es riskieren, durch innerparteilichen Zoff die ohnehin schlechten Chancen bei den anstehenden Landtagswahlen weiter zu schmälern. Zumal da Spitzenleute der Bundespartei mit auf dem Prüfstand stehen: Die Vorsitzende der Bundestagsfraktion und Beisitzerin im Präsidium, Birgit Homburger, in Baden-Württemberg, sowie die stellvertretenden Parteivorsitzenden Rainer Brüderle und Cornelia Pieper in Rheinland-Pfalz beziehungsweise in Sachsen-Anhalt.

Alle drei wollen auf dem Bundesparteitag im Mai in Rostock in ihren Parteiämtern wiedergewählt werden. Ob sie die Verantwortung für etwaige Niederlagen bei ihren Landtagswahlen dann einfach beim Vorsitzenden Westerwelle würden abladen können, wagen hochrangige Parteifreunde zu bezweifeln. Leicht werde es Westerwelle ihnen jedenfalls nicht machen.

Dass Westerwelle sich trotz des Absturzes der FDP von 14,6 Prozent bei der letzten Bundestagswahl auf jetzt weniger als fünf Prozent in den Umfragen so lange halten konnte, wurde stets auch damit begründet, dass es zu ihm als Vorsitzenden keine Alternative gebe. Die beiden vornehmlich genannten potentiellen Nachfolger gelten gemeinhin als zu alt (Brüderle) oder zu jung (Lindner). Vor allem aber gibt es bislang niemanden, der sich offen an die Spitze einer Bewegung "Stürzt Westerwelle" setzen würde.

Der scheidende Parteivize Andreas Pinkwart, der im Frühjahr als Universitätsrektor nach Leipzig geht, sieht die Sache so: "Das Problem der FDP ist nicht, dass sie keine Alternative zu Westerwelle hätte. Das Problem ist, dass manche meinen, es gäbe schon zu viele."

© SZ vom 05.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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