Donald J. Trump kommt auf die Bühne, schwenkt seine Arme und reckt seine Fäuste. Es ist beinahe wie immer an diesem samstäglichen Sommerabend in Wellington, Ohio. Die Fans jubeln, vom Band singt Country-Legende Lee Greenwood "And I'm proud to be an American". Ich bin stolz, ein Amerikaner zu sein.
Viele von Trumps Anhängern haben in den vergangenen Jahren Dutzende solcher Kundgebungen besucht. Auch diesmal sind manche nach Berichten aus dem Ort von weit angereist und haben seit Tagen auf dem Gelände gecampt, um die Show nicht zu verpassen. Dieses "Alles wie immer"-Setting dürfte ihnen ein Gefühl von Geborgenheit vermittelt haben.
Rudy Giuliani:Ein gefallener Held
Trumps Anwalt Rudy Giuliani war einmal einer der populärsten Politiker der Vereinigten Staaten. Jetzt verliert er seine Lizenz - und steht am Tiefpunkt einer Karriere, die er selbst ruiniert hat.
Aber etwas ist anders: Trump tritt erstmals seit dem Amtsantritt von Joe Biden als Ex-Präsident ans Wahlkampf-Mikrofon, als gewesener Commander in Chief. Der 45. Präsident ist Geschichte. Ein Umstand, der ihm offenbar sehr zu schaffen macht.
Verbannt von Twitter und Facebook bleiben ihm gerade nicht viele Möglichkeiten, seine Botschaften unter das Volk zu bringen. Die großen Medien von der New York Times, der Washington Post, CNN und MSNBC berichten - verglichen mit seiner Amtszeit - kaum noch über ihn. Trump ist jetzt öfter in rechten Minisendern wie OAN oder Newsmax zu Gast. Außerdem lässt er täglich Mitteilungen über seine E-Mail-Verteiler versenden, die mehrere Millionen Empfänger erreichen dürften.
Trumps Fans glauben ihm jedes Wort
Die Zeiten aber, in denen ein Trump-Tweet den öffentlichen Diskurs für den Tag bestimmen konnte, sind vorbei. Was nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass Trump die Partei, oder besser das, was von der Grand Old Party nach vier Jahren seiner Präsidentschaft übrig geblieben ist, fest im Griff hat.
Jetzt steht er hier in Wellington auf dem Gelände der Lorain County Fair, das man sich als besseren Acker vorstellen kann. Das ist sicheres Kampagnen-Auftakt-Terrain für Trump. Bei der Präsidentschaftswahl hat er den Bundesstaat Ohio mit knapp acht Prozentpunkten Vorsprung auf Biden gewonnen.
Über die Zahl der Fans lässt sich nicht viel sagen. Den Fernsehbildern nach zu urteilen sind es ein paar Tausend. Eher nicht zehntausend. Nicht beeindruckend, aber auch nicht wenig. Wellington hat gerade mal etwas mehr als 5000 Einwohner.
Seine eineinhalbstündige Rede lässt sich schnell zusammenfassen. Die neue Biden-Regierung sei eine "Katastrophe", sagte er. Und die Wahl 2020 das größte Verbrechen in der US-Geschichte. Wieder und wieder behauptet er, er sei es, der die Wahl gewonnen habe. Ein von ihm selbst ins Leben gerufener Verschwörungsmythos. Aber das tut hier nichts zur Sache. Seine Fans glauben ihm jedes Wort.
Seine Kundgebungen sind Tests für die Wahl 2024
Die Kundgebung in Wellington ist der Auftakt für Trumps Wahlkampftour zu den Zwischenwahlen im kommenden Jahr. Dann werden Teile des Senates und das Repräsentantenhaus neu zusammengesetzt. Die Republikaner wollen dann beide Kammern zurückgewinnen. Momentan aber kämpft Trump vor allem gegen die eigenen Leute.
Es ist vor allem eine Art Rache-Tour, die er vor sich hat. Wer immer es von den Republikanern gewagt hat, im zweiten Amtsenthebungsverfahren nach dem Sturm auf das Kapitol für Trumps Entfernung aus dem Oval Office zu stimmen, der soll damit auch seine politische Zukunft verspielt haben. Es waren nicht viele. Nur zehn Republikaner im Abgeordnetenhaus und sieben im Senat fanden, dass Trump nicht ins Weiße Haus gehöre. Aber zu viele für Trump.
Mehrfach hat er geschworen, alles daranzusetzen, die Wiederwahl dieser 17 zu verhindern. Darunter sind auch prominente Republikaner wie die Abgeordnete Liz Cheney aus Wyoming oder der frühere Präsidentschaftsbewerber und aktuelle Senator Mitt Romney aus Utah. In Trumps Augen sind das alles "Fake Republicans" und "Rinos", Republicans In Name Only, Republikaner nur dem Namen nach.
Im laufenden Vorwahlkampf unterstützt Trump deshalb statt der abtrünnigen Amtsinhaber nur loyale Anhänger. In Ohio etwa trifft es Anthony Gonzalez, der gerade seine zweite Amtszeit für den 16. Wahlbezirk in dem Bundesstaat angetreten hatte, als er Mitte Januar für die Amtsenthebung von Trump stimmte. Trump lässt jetzt seinen früheren Wahlkampfmitarbeiter Max Miller gegen Gonzalez antreten. Nicht wenige gehen davon aus, dass Trumps Mann sich durchsetzen wird.
Diese und kommende Kundgebungen dürften letztlich auch Tests sein, ob Trump den nötigen Rückhalt hat, 2024 noch einmal anzutreten. Geht es nach seinen jubelnden Anhängern hier, ist die Sache klar. "Run, run, run", rufen sie von den Rängen, wann immer einer von Trumps Vorrednern das Thema aufbringt. Als die ultrarechte Abgeordnete Marjorie Taylor Greene aus Georgia die Menge fragt, wer ihr Präsident sei, grölt diese zurück: "Trump!"