USA:Donald Trump versucht, Prozesse gegen sich auszuhebeln

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Donald Trump in Washington nach dem Hearing am Bundesberufungsgericht. (Foto: Kent Nishimura/AFP)

"Absolute Immunität": In Washington hörte sich am Dienstag ein Gericht die Argumente des Trump-Lagers an, das den Ex-Präsidenten dem Zugriff der Justiz entziehen möchte. Eine Entscheidung steht noch aus.

Von Peter Burghardt, Washington

Zum Glück besitzt Donald Trump ein Flugzeug, der Mann ist ja gerade viel unterwegs. Beim Caucus in Iowa will Trump am kommenden Montag zeigen, mit welch himmelweitem Vorsprung er unter den vorläufigen Präsidentschafts-Kandidaten der Republikaner führt. Da macht er vorher noch ein bisschen Wahlkampf in dem verschneiten Bundesstaat - und zwischendurch wird der Wahlkämpfer wieder zum Stammgast der Justiz. Am Dienstagvormittag schaute er in dieser Rolle zunächst im verregneten Washington vorbei.

Dort, zwischen Weißem Haus und Kapitol, steht das Bundesberufungsgericht. Trump kehrte als schweigende Hauptperson dieser Anhörung sozusagen an die Tatorte zurück: Am 6. Januar 2021 regierte er kurz vor dem Amtswechsel noch im Oval Office, nachdem er zuvor gegen Joe Biden verloren hatte. Gleichzeitig stachelte der Verlierer seine Anhänger bei einer Großdemo dazu an, die Niederlage zu ignorieren, worauf Hooligans den Kuppelbau auf dem Capitol Hill stürmten.

Der Vorwurf: Mutmaßlicher Aufruf zur Verschwörung

In der US-Hauptstadt werden Trump deshalb mutmaßliche Aufrufe zur Verschwörung zur Last gelegt und der Versuch, das Wahlergebnis 2020 zu kippen. Ankläger ist der von Bidens Justizministerium eingesetzte Sonderermittler Jack Smith. Trump, seine Anwälte und seine Fans aber sind der Meinung, dass es sich um ein Manöver der Demokraten handelt: Der Angeklagte soll gar kein Angeklagter sein dürfen, so das Argument, weil er Immunität genieße aus seiner Zeit im höchsten Staatsamt.

Darum ging es nun bei diesem Termin im E. Barrett Prettyman Federal Courthouse. Trump, der in einem guten Jahr erneut Präsident sein möchte, verlangt als ehemaliger Präsident "absolute Immunität", wie es sein Anwalt John Sauer nennt. Die aktuelle Forderung betrifft dieses Verfahren wegen des Sturms auf das Kapitol. Die Verhandlung soll am 4. März hier in Washington beginnen, könnte aber von Trump verzögert werden. Käme er mit seinen Argumenten durch, dann würde dies unter Umständen auch andere Prozesse gegen ihn aushebeln.

Trumps Juristenheer beruft sich unter anderem auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes von 1982, der damals dem früheren Präsidenten Richard Nixon mit 5:4 Stimmen diese "absolute Immunität" für seine Ära im Dienst zusicherte. Die einzigartige Rolle des Präsidenten im Rahmen der Verfassung solle ihm dies garantieren, finden Trumps Vertreter. Das Team von Sonderermittler Smith verweist im Gegenzug darauf, dass der Supreme Court eine Vorzugsbehandlung Nixons in Kriminalfällen im Zuge der Watergate-Affäre 1974 klar zurückgewiesen hatte.

Gegenfrage: Kann ein US-Präsident dann straffrei Gegner ermorden lassen?

Beide Seiten wissen, was auf dem Spiel stehen. Es geht um die Verantwortung der jeweils obersten Amerikaner. Wenn die Strafverfolgung eines Präsidenten für seine Amtshandlungen zugelassen werde, dann würde die Büchse der Pandora geöffnet, meint Trumps Anwalt Sauer. Er fragte, ob George W. Bush wegen falscher Vorwände für den Irak-Krieg angeklagt werden könne oder Barack Obama wegen angeblicher Drohnenangriffe auf US-Bürger im Ausland.

Die Richterin Florence Pan hielt mit einer anderen Hypothese dagegen. Sie erkundigte sich, ob ein Präsident so gesehen einer Sondereinheit anordnen könne, einen politischen Gegner zu ermorden. Das wäre doch dann ebenfalls ein offizieller Akt. Ob er in diesem Fall auch nicht angeklagt werden könnte. Trump-Anwalt Sauer meint, dass vor einer Anklage immer ein Impeachment stehen müsste, eine Verurteilung durch den Kongress.

Amtsenthebungsverfahren gegen Trump aber scheiterten dank seiner Unterstützer. Mitch McConnell, der republikanische Mehrheitsführer (und Trump-Kritiker) im Senat, sagte 2021, ehemalige Präsidenten seien nicht davor gefeit, von Straf- oder Zivilgerichten zur Rechenschaft gezogen zu werden. Trump sei "moralisch und praktisch" für die gewalttätigen Ereignisse vom 6. Januar verantwortlich: "Die Menschen, die dieses Gebäude stürmten, glaubten, sie handelten auf Wunsch und Anweisung ihres Präsidenten."

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Ein Assistent aus dem Büro des Sonderermittlers Smith sagte, er halte es für "furchtbar beängstigend", wenn solche Fälle nicht verfolgt werden könnten. Selbst die Richterin Karen Henderson, einst vom Republikaner Bush ernannt, fände es "paradox zu sagen, dass seine verfassungsmäßige Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Gesetze getreu ausgeführt werden, ihm erlaubt, gegen das Strafrecht zu verstoßen."

Nach 75 Minuten war das Hearing vorbei. Man wird sehen, wie das Gericht entscheidet, es scheint Trumps Anspruch auf vollständige Straffreiheit eher skeptisch zu betrachten. Außerdem soll der Oberste Gerichtshof um die Ecke darüber befinden, ob Trump wegen seines mutmaßlichen Beitrags zum Aufstand von Wahllisten gestrichen werden darf. Am Donnerstag ist der Angeklagte zudem wieder beim Betrugsprozess in New York, ein Urteil dort könnte das Ende seiner Geschäfte in seiner Heimatstadt bedeuten. Und am Mittwoch und am Wochenende fliegt er nach Iowa, um seine republikanischen Rivalen Ron DeSantis und Nikki Haley auf Distanz zu halten. Seine Boeing 757 steht bereit.

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