Plagiatsvorwürfe gegen FDP-Spitzenfrau:Koch-Mehrin soll großflächig abgekupfert haben

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Das FDP-Präsidiumsmitglied Silvana Koch-Mehrin hat der Internetseite "VroniPlag Wiki" zufolge bei ihrer Dissertation bewusst Texte anderer Autoren kopiert - Plagiate finden sich angeblich auf jeder vierten Seite.

Jannis Brühl

Dass einige Stellen der Doktorarbeit von Silvana Koch-Mehrin fragwürdig sind, war bekannt. Doch nun erheben die Plagiatsjäger der Internet-Plattform VroniPlag Wiki den Vorwurf, die FDP-Spitzenpolitikerin habe Texte anderer Autoren sogar vorsätzlich kopiert - ohne sie zu kennzeichnen.

Unter Plagiatsverdacht: FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Silvana Koch-Mehrin (Foto: dapd)

Auf mehr als einem Viertel der Seiten - nämlich 56 von 201 - seien "Plagiatsstellen nachgewiesen", heißt es in einer Art Zwischenbericht der Webseite. Die Autoren schreiben von einer "eklatanten Verletzung wissenschaftlicher Standards".

Koch-Mehrin, die auch Abgeordente und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments ist, hatte über das Thema "Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik" promoviert. Die Arbeit war bei der Uni Heidelberg eingereicht worden. Diese prüft nun ebenso wie die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe.

Die universitäre Untersuchung dürfte noch einige Wochen dauern, könnte aber noch vor dem FDP-Bundesparteitag Mitte Mai abgeschlossen sein. Sollte sich abzeichnen, dass Koch-Mehrin der Doktortitel aberkannt wird, wäre dies ein Rückschlag für die Ambitionen der 40-Jährigen - und ein weiterer Rückschlag für die ohnehin gebeutelten Liberalen, die laut Umfragen derzeit klar unter der Fünf-Prozent-Hürde liegen.

Für die Plagiatsjäger ist der Fall klar: Sie glauben nicht an Flüchtigkeitsfehler der Freidemokratin. "Die zahlreichen textuellen Anpassungen der Plagiate sowie die Tatsache, dass Plagiate über die gesamte Dissertation hinweg zu finden sind, lassen darauf schließen, dass die Textübernahmen kein Versehen waren, sondern bewusst getätigt wurden", heißt es in der am Dienstag online veröffentlichten Stellungnahme zu der Doktorarbeit.

Die dubiosen Stellen in Koch-Mehrins Arbeit teilen die Autoren des Berichts in verschiedene Kategorien auf - vom "Komplettplagiat" über "Verschleierung" bis zum "Übersetzungsplagiat".

Koch-Mehrins besorgter Doktorvater Volker Sellin hatte vor wenigen Tagen noch gehofft, dass "die Mängel eine gewisse Bagatellschwelle nicht überschreiten". Doch laut VroniPlag Wiki handelt es sich nicht um Kleinigkeiten: Demnach soll die Dissertation einzelne plagiierte Sätze, aber auch größere übernommene Passagen enthalten.

Den Plagiatsjägern zufolge kupferte die FDP-Politikerin teilweise großflächig ab. So sollen an mindestens vier Stellen der Arbeit mehr als drei Viertel einer Seite plagiiert sein.

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Die Frankfurter Rundschau zitiert einen anonymen Prüfer der Plattform mit den Worten: "Jeder kann sich selbst ein Bild machen, das ist ein klarer Fall von Plagiarismus." Jede verdächtige Stelle sei von mehreren Mitarbeitern der Plattform untersucht worden.

Im Vergleich zur Doktorarbeit von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sei die Qualität aber nicht nur wegen des geringeren Anteils der Plagiate, sondern auch wegen deren Umsetzung eine andere.

"Wenn wir das mit der Tour de France vergleichen, dann können wir sagen, dass wir Koch-Mehrin des Dopings überführt haben, während Guttenberg auf einem Motorrad davongefahren ist", sagte ein Sprecher der Plattform zu der Zeitung. "Aber Doping führt auch zur Disqualifikation."

Die Betreiber des Internetportals erheben noch einen weiteren Vorwurf: Dabei geht es nicht um die wissenschaftliche Ehre, sondern um das Geld, mit dem Koch-Mehrins Recherchen teilweise finanziert wurden.

Kein Kommentar von Koch-Mehrin

Die Autoren schreiben: "Es stellt sich die Frage, ob es durch die Förderung der Arbeit durch die Friedrich-Naumann-Stiftung mit Mitteln des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie zu einer Zweckentfremdung von Steuergeldern gekommen ist."

Wie sich die Betroffene zu den Vorwürfen verhält, bleibt noch unklar. Silvana Koch-Mehrin wollte auf Anfrage von sueddeutsche.de die Behauptungen von VroniPlag Wiki nicht kommentieren.

Eine zweifelhafte Doktorarbeit kann einen jähen Karriereknick bedeuten - das ist spätestens seit der Affäre um Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bekannt: Nachdem die Süddeutsche Zeitung über Plagiate in der Dissertation des damaligen Verteidigungsministers berichtet hatte, entdeckte die Schwarmintelligenz einer anderen Online-Plattform immer mehr kopierte Stellen. Schließlich zog Guttenberg die Konsequenzen - und trat am 1. März von seinen Ämtern zurück.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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