Die Linke:Das Lafontaine-Dilemma

Lesezeit: 2 min

Die Linken haben ein Führungsproblem: Bleibt Oskar Lafontaine, bekommt die Partei Schwierigkeiten - bleibt er nicht, erst recht.

Daniel Brössler, Berlin

Der Sozialismus lebt. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Lothar Bisky haben aus diesem Anlass in dieser Woche eine Erklärung abgegeben. Die Wiederwahl von Präsident Evo Morales in Bolivien sei eine "Ermutigung für alle, die für eine gerechtere Gesellschaft kämpfen", ist darin zu lesen. Bolivien stehe für eine "Alternative zum neoliberalen Kapitalismus", verkünden der Chef der Linksfraktion im Bundestag sowie die beiden Parteivorsitzenden.

Linken-Parteichef Oskar Lafontaine ist für seine Genossen Fluch und Segen zugleich. (Foto: Foto: dpa)

Eine solche Alternative werde immer attraktiver. Das ist natürlich auch auf Deutschland gemünzt, wo die Linken den Neoliberalismus in Gestalt von Schwarz-Gelb am Werke sehen. Beim heimischen Kampf gegen den Kapitalismus freilich tauchen Hindernisse auf: Die Linken stehen sich selbst im Weg.

Geplagt von einem Ost-West-Riss

Das tun sie schon länger. Bislang fand sich aber, wie immer neue Wahlerfolge zeigten, stets eine Umleitung. Die Enttäuschung über die SPD im Westen und die Verwurzelung der Ex-PDS im Osten haben der Partei einen beachtlichen Platz im politischen Spektrum beschert und bei der Bundestagswahl mit 11,9 Prozent der Stimmen sogar einen Triumph.

Der innere Zustand der Partei kümmerte die Anhänger wenig. Wenigstens die Führungsspitze hätte er aber interessieren müssen. Wenige Monate nach der Bundestagswahl wird die Partei geplagt von einem Ost-West-Riss, ungeklärten Machtfragen und den Folgen einer verschleppten Programmdebatte.

Die Genossen sind sich bislang fremd geblieben: Während sie in Brandenburg das Erbe verdrängter Stasi-Verstrickung mit sich herumtragen, gelingt es zwischen Bayern und Schleswig-Holstein nicht, die alten Kämpfe aus dem Milieu linksradikaler Sekten des alten Westdeutschland zu begraben.

Den Riss, der durch die 2007 aus WASG und PDS hervorgegangene Partei geht, offenbaren exemplarisch zwei Texte: der Koalitionsvertrag von SPD und Linker in Brandenburg und das Programm der Linkspartei für die Landtagswahl kommendes Jahr in Nordrhein-Westfalen.

Gräben sind nicht unüberwindbar

In Nordrhein-Westfalen fordern die Dunkelroten "neue tariftreue und sozialversicherungspflichtige Stellen bei Bund, Land und Kommunen", in Brandenburg stimmten sie einem bis 2019 geplanten Personalabbau im öffentlichen Dienst zu.

Der westdeutsche Teil der Partei ist empört über diesen vermeintlichen Verrat an linken Kernforderungen, der ostdeutsche Teil wundert sich über so viel Traumtänzerei. Die linke Volkspartei im Osten ist geprägt vom Willen zur Macht, die linke Protestpartei im Westen lebt vom Misstrauen gegen die Mächtigen.

Die Gräben sind nicht unüberwindbar. Eine entschlossene Führung könnte sie wohl überbrücken. Wenn die Linken aber auf ihre Parteispitze schauen, so sehen sie Lothar Bisky, Europaabgeordneter und Vorsitzender auf Abruf, sowie Oskar Lafontaine, der nach seiner Krebserkrankung erst im Januar über die Zukunft entscheiden will.

Schon früher aber hat Lafontaine die Partei zwar kämpferisch nach außen vertreten, zugleich indes wenig Freude gefunden an der Detailarbeit, die Partei im Inneren zu stabilisieren. Es spricht einerseits wenig dafür, dass er das künftig anders halten wird. Andererseits ist Lafontaine für das Fortkommen der Linken im Westen nach wie vor unentbehrlich. Es gilt also: Bleibt Lafontaine, hat die Partei ein Problem. Geht er, hat sie erst recht eines.

In Umfragen und Wahlen kannte die Linkspartei bislang fast nur eine Richtung - die nach oben. Das hat ihr Selbstbewusstsein gegeben, aber keine Orientierung. 2011, lange genug vor der nächsten Bundestagswahl, soll ein neues Parteiprogramm fertig werden. Aus Furcht vor dem Flügelstreit ist die Debatte darüber lange hinausgezögert worden. Das könnte sich als Fehler erweisen, denn die Gegensätze haben sich im Schatten der Wahlerfolge eher verschärft.

Ein Sieg in Bolivien mag Gysi & Co. Mut machen, aber er hilft ihnen nicht.

© SZ vom 09.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: