Der Grund, aus dem CSU-Chef Horst Seehofer diese Woche indirekt mit dem Bruch der Koalition droht, ist Europa. Das ist, verglichen mit dem Betreuungsgeld, zwar mal ein richtig wichtiges Thema, aber alles andere als ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass im Angesicht der immer größer werdenden Euro-Krise die Kleinstaaterei zunimmt und immer weniger von dem vorzufinden zu sein scheint, was Altkanzler Helmut Schmidt gerade erst wieder angemahnt hat: Verantwortungsgefühl für die europäische Sache.
In dieses Muster passen auch Vorwürfe aus Union und FDP an die Adresse von SPD und Grünen, die in Richtung Vaterlandsverrat gehen: Weil die Opposition die Zustimmung zum Euro-Schutzschirm ESM und zum Fiskalpakt davon abhängig gemacht hatte, dass Angela Merkel wenigstens ein Wachstumspäckchen aus Brüssel mitbringt, sollen sie deutschen Interessen geschadet haben.
Richtig daran ist, dass Merkel beim EU-Gipfel Rücksicht nehmen musste auf die Wünsche der Opposition. Richtig ist auch, dass sie freier hätte verhandeln können ohne diesen Zwang. Wer von der Opposition deshalb verlangt, der Kanzlerin blind zu folgen, sieht Deutschland im Juli 2012 offenbar im Kampf der Nationalstaaten. Und er übersieht, dass in der Europäischen Union eine staatenübergreifende Innenpolitik entsteht.
Sollten Historiker dereinst das Scheitern des europäischen Projekts ergründen müssen, werden sie dabei unweigerlich auf die Kleinlichkeiten dieser Tage stoßen. Sie werden feststellen, dass maßgebliche Politiker das deutsche Interesse als Monstranz vor sich hertrugen, als der Euro im gemeinsamen, auch im deutschen Interesse noch zu retten gewesen wäre.