Deutschlands Rolle im Atomstreit mit Iran:Anwalt israelischer Interessen

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Keine leichte Beziehung - aber ein Wunder, dass es sie überhaupt in dieser Art gibt: Israels Premierminister Netanjahu und Bundeskanzlerin Merkel, hier im Februar in Jerusalem. (Foto: dpa)

Zu Israel will die Bundesregierung historisch bedingt gute Beziehungen haben. Wie aber soll sich Deutschland in der Diskussion um das iranische Atomprogramm verhalten? Ein Abkommen um jeden Preis kann nicht das Ziel sein.

Kommentar von Nico Fried

Als Ludwig Erhard am 7. März 1965 Israel den Austausch von Botschaftern vorschlug, stand der damalige Bundeskanzler unter großem Druck. Die Bonner Regierung hatte sich in dem Versuch verheddert, zur arabischen Welt gute Beziehungen zu pflegen und gleichzeitig das Verhältnis mit Israel zu verbessern. Staaten wie Ägypten erhielten Milliarden an Wirtschaftshilfe, Israel bekam heimlich Panzer.

Als die Waffenlieferungen bekannt wurden, nahm Erhards sogenanntes Nahost-Debakel seinen Lauf: Obwohl die Bundesregierung die Panzerlieferungen stoppte, lud Ägyptens Präsident Nasser den Ostberliner Staats- und Parteichef Walter Ulbricht nach Kairo ein und erkannte damit die DDR faktisch an. Darauf reagierte Erhard mit seinem Angebot an Israel und nahm in Kauf, dass zehn arabische Länder ihre Beziehungen zu Bonn zeitweise abbrachen. Der Kanzler hatte aus der Not eine Tugend gemacht.

Die israelisch-deutschen Beziehungen: ein Wunder nach dem Holocaust

50 Jahre nach ihrer geradezu überstürzten Aufnahme darf man die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel als Erfolgsgeschichte bezeichnen - allein schon deshalb, weil es nach dem Holocaust an ein Wunder grenzte, dass sie überhaupt zustande kamen. Gleichwohl hat sich die grundsätzliche Spannung zwischen der historischen Verantwortung der Deutschen für Israel und dem Wunsch nach auskömmlichen Beziehungen zu anderen Staaten in der Region erhalten. Dieser Zwiespalt könnte sich bald in den Verhandlungen um Irans Atomprogramm besonders deutlich zeigen. Dabei muss gelten, dass ein Abkommen um jeden Preis nicht das Ziel deutscher Außenpolitik sein kann.

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Angela Merkel hat die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräson erklärt. Dieser Begriff, so eindeutig er erscheint, ist stets diffus geblieben. Hierzulande wurde er meist unter dem Gesichtspunkt diskutiert, ob Deutschland im äußersten Falle eines Krieges zwischen Iran und Israel auch militärisch helfen müsste. Prominentester Teilnehmer an dieser Debatte war bislang Bundespräsident Joachim Gauck, der bei seinem Israel-Besuch 2012 von den "enormen Schwierigkeiten" sprach, in die der Begriff von der Staatsräson die Kanzlerin noch bringen könne. Gut möglich, dass Gauck recht behält, wenn auch ganz anders, als er es wohl selbst gemeint hat: Denn mittlerweile ist es durchaus denkbar, dass nicht ein Krieg Deutschland in die Bredouille zwingt, sondern der Versuch, ihn zu vermeiden.

Wie wird Deutschland sich verhalten?

Die internationalen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm sind ursprünglich das Ergebnis einer Initiative des Außenministers Joschka Fischer, der 2003 mit seinen Amtskollegen aus Frankreich und Großbritannien, Dominique de Villepin und Jack Straw, nach Teheran reiste. Ziel war es von Beginn an, Iran am Bau von Atomwaffen zu hindern. Dazu sollten die USA eingebunden werden und später direkt mit der Regierung in Teheran verhandeln. Das gelang. Auch China und Russland wirken mit.

Für einen Erfolg der Gespräche sind die USA unerlässlich - und doch steckt darin nun auch ein Problem: Es mag verständlich erscheinen, dass Präsident Barack Obama zum Ende seiner Amtszeit noch einen außenpolitischen Erfolg erzielen möchte. Ein Kriterium für die Sicherheit Israels ist das nicht.

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Wie aber wird sich Deutschland verhalten, wenn die USA und Iran einen Kompromiss ansteuern, den Israel ablehnt? Der Druck auf die Bundesregierung ist jetzt schon groß. Er kommt zum Beispiel aus dem eigenen Land: Eine erste vorsichtige Lockerung der westlichen Sanktionen gegen Iran im vergangenen Jahr hat bei den Exporten der deutschen Wirtschaft 2014 zu Steigerungsraten von 30 Prozent geführt. Das Gesamtvolumen der Ausfuhren lag bei 2,4 Milliarden Euro - ein deutlicher Hinweis, wie groß das ökonomische Potenzial im Handel mit Iran ist. Andere Staaten sind bei dessen Erschließung noch viel skrupelloser.

Die Staatsräson - nur eine Frage von Kosten und Nutzen

Die Geschichte des deutsch-israelischen Verhältnisses seit 1965 ist, bei allen erfreulichen Fortschritten, nicht frei von Rückschlägen geblieben. Die hatten oft genau mit solchen wirtschaftlich begründeten Verbindungen zu Staaten zu tun, die das Existenzrecht Israels infrage stellten. So wie die Bundesregierung in der Ukraine-Krise ökonomische Interessen in Russland unter das Primat der Politik zwang, wird sie es bei einem schlechten Verhandlungsergebnis erst recht im Falle Irans machen müssen, will sie sich nicht dem Verdacht aussetzen, dass die Staatsräson nur eine Frage von Kosten und Nutzen ist.

Die Qualität der deutsch-israelischen Beziehungen in den vergangenen 50 Jahren hing auch von Persönlichkeiten ab. Unter Helmut Schmidt und Menachem Begin wirkte sich das besonders negativ aus; unter Gerhard Schröder, der die Nahost-Politik weitgehend seinem in Israel angesehenen Außenminister Fischer überließ, aber auch unter Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier lief es lange Zeit besonders gut. Dass sich zuletzt wegen der Kompromisslosigkeit des heutigen israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu beim Friedensprozess im Allgemeinen und der Siedlungsfrage im Besonderen auch auf deutscher Seite Resignation breitgemacht hat, darf gleichwohl Prinzipien der deutschen Israel-Politik nicht verwässern.

Fragwürdige Satifsfaktionsfähigkeit des iranischen Regimes

Nachvollziehbare Vorbehalte gegen Netanjahu und seine durchsichtige Dramatisierung der Lage zu Wahlkampfzwecken können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch jenseits des Regierungschefs in Israel plausible Vorbehalte gegen ein Abkommen mit Iran gibt. Das liegt nicht nur daran, dass es die Möglichkeiten Irans, die Bombe zu bauen, offenbar nur einschränken, nicht aber beseitigen würde. Der zweite Grund ist die fragwürdige Satisfaktionsfähigkeit eines Regimes, das noch immer den Terrorismus gegen Israel an mehreren Fronten unterstützt.

50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen waren nützlich für beide Staaten. Für die Deutschen waren sie überdies ein Geschenk. Das Wort von der Staatsräson wiederum umfasst für jede Bundesregierung die Verpflichtung, nicht besser zu wissen, was gut ist für Israel - sondern Anwalt israelischer Interessen zu sein, selbst wenn man anderer Meinung ist.

© SZ vom 07.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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