Deutsche Politiker zur NSA-Affäre:Ausgespäht, wir? Nein! Doch! Oooh

Lesezeit: 4 Min.

Der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) kommt im Juli 2013 zur Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag. Er soll über den Kenntnisstand der Bundesregierung zum NSA Spähprogramm Auskunft geben. (Foto: dpa)

Ob Merkel, Friedrich oder Pofalla: Deutsche Politiker klangen in der NSA-Affäre oft wie der französische Schauspieler Louis de Funès. Leugnend, überrascht, unfreiwillig komisch. Eine Auswahl der schönsten Zitate.

Von Marc Zimmer und Michael König

Zum Lachen oder zum Weinen? Die Einlassungen deutscher Politiker zur NSA-Affäre sind beides. Der eine mag in der Rhetorik eine der bekanntesten Szenen des französischen Komikers Louis de Funès wiedererkennen: "Nein" - "Doch" - "Oooh!", so geht es im Film "Hasch mich - ich bin der Mörder" zwischen de Funès und Bernard Blier hin und her ( in diesem Youtube-Clip ab Sekunde 36).

Andere mögen sich an die fünf Phasen des Sterbens erinnert fühlen, wie sie etwa die US-amerikanische Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross formuliert hat. Der Sterbende reagiert demnach zunächst mit Leugnen, dann mit Zorn. Es folgt das Verhandeln, danach die Depression und schließlich die Akzeptanz. Ähnlich verhielten sich nicht nur CDU- und CSU-Politiker im Angesicht der NSA-Affäre. Eine Auswahl bedeutender Zitate, unterteilt in Phasen:

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Mir ist nichts bekannt

"Jetzt sage ich Ihnen mal was: Noch bevor man überhaupt weiß, was die Amerikaner da genau machen, regen sich alle auf, beschimpfen die Amerikaner. Und diese Mischung aus Anti-Amerikanismus und Naivität geht mir gewaltig auf den Senkel." - Der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am 17. Juni 2013 vor Münchner Journalisten. Am selben Tag berichtet der Guardian, der britische Geheimdienst GCHQ habe 2009 die Teilnehmer zweier G-20-Gipfel ausspioniert.

"Die amerikanische Regierung ist kein Objekt der Beobachtung deutscher Dienste. Ich gehe davon aus, dass auch die US-Sicherheitsbehörden unsere Entscheidungsträger nicht ausforschen." - Friedrich am 5. Juli in der Bild-Zeitung.

"Mir ist nicht bekannt, dass ich abgehört wurde." - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 14. Juli im ARD-Sommerinterview. Etwa drei Monate später wird bekannt, dass sie abgehört wurde.

Abgehört? I wo! (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

"Ich habe keinen Grund, an den Angaben der USA zur Einhaltung deutschen Rechts zu zweifeln." - Kanzlerin Merkel am 19. August in der Passauer Neuen Presse.

Es ist nicht meine Aufgabe

"Das Internet ist für uns alle Neuland." - Kanzlerin Merkel am 19. Juni 2013 beim Besuch des US-Präsidenten Obama in Berlin.

"Es ist nicht meine Aufgabe, mich in Details von Prism einzuarbeiten." - Kanzlerin Merkel einen Monat später vor der Bundespressekonferenz.

"Wenn Sie innerhalb Deutschlands eine E-Mail verschicken, ist es durchaus denkbar, dass diese über die Vereinigten Staaten und wieder zurück läuft. (...) Für mich war das neu." - Hans-Peter Uhl, Bundestagsabgeordneter der CSU und Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium zur Kontrolle der Nachrichtendienste, Mitte Juli 2013 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

"Das ist kein Thema der Politik. Die neuen Vorwürfe, die kommen, sind ein Thema zwischen der amerikanischen Regierung, der NSA und den Herstellern. Damit haben wir in Deutschland nichts zu tun und ich sehe auch keine neue Eskalation des Skandals." - Philipp Mißfelder, damaliger außenpolitischer Sprecher der CDU, am 8. September in den ARD- Tagesthemen zu Vorwürfen, die NSA könne Blackberry-, Android- und Apple-Smartphones abhören.

"Da sind die entsprechenden Fachleute beieinander, die das auch besprechen. Das können sie in wenigen Tagen doch nicht klären." - CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt am 19. September in der Berliner Runde der ARD auf die Frage, warum die Bundesregierung die NSA-Affäre nicht schneller aufkläre.

"Sicherheit ist ein Supergrundrecht." - Innenminister Friedrich schreibt nach einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr) am 16. Juli 2013 das Grundgesetz neu.

Der vom ehemaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich in der NSA-Abhöraffäre verwendete Begriff ´Supergrundrecht" war im Rennen um den Titel "Unwort des Jahres 2013". (Foto: dpa)

"Datenschutz ist wichtig, aber man kann auch überziehen. Die Furcht vor dem Staat trägt teilweise paranoide Züge." - Der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) Ende Juli 2013 im Spiegel-Interview auf die Frage, ob die Deutschen "hysterisch" seien, was den Datenschutz betrifft.

"Ich habe schon einmal die Hitler-Tagebücher in einem anderen Magazin gesehen. Da hat sich hinterher auch etwas ganz anderes herausgestellt als die Wahrheit." - CSU-Politiker Uhl am 27. Juli 2013 zu den Enthüllungen des Spiegel, wonach deutsche und amerikanische Geheimdienste Daten ausgetauscht haben.

Die Vorwürfe sind vom Tisch

Der Vorwurf der vermeintlichen Totalausspähung in Deutschland ist (...) vom Tisch. Es gibt in Deutschland keine millionenfache Grundrechtsverletzung, wie immer wieder fälschlich behauptet wird. (...) Die US-Seite hat uns den Abschluss eines No-Spy-Abkommens angeboten. (...) Dieses Angebot könnte uns niemals gemacht werden, wenn die Aussagen der Amerikaner, sich in Deutschland an Recht und Gesetz zu halten, nicht tatsächlich zutreffen würden." - Kanzleramtsminister Pofalla erklärt die Affäre am 12. August 2013 für beendet.

"Alle Verdächtigungen, die erhoben wurden, sind ausgeräumt. Fest steht: Es gab keine 'massenhaften Grundrechtsverletzungen' amerikanischer Geheimdienste auf deutschem Boden, wie behauptet wurde." - Innenminister Friedrich am 16. August in der Rheinischen Post auf die Frage, ob auch er die NSA-Affäre für beendet hält.

"Auf jeden Fall viel Lärm um falsche Behauptungen und Verdächtigungen, die sich in Luft aufgelöst haben." - Friedrich im selben Interview auf die Frage, ob "viel Lärm um Nichts" gemacht worden sei.

"Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht." - Kanzlerin Merkel reagiert am 24. Oktober auf die Enthüllung des Spiegel, dass ihr Telefon von der NSA abgehört wurde.

"Das würde eine völlig neue Qualität darstellen und auf alle Aussagen der NSA (...) ein neues Licht werfen. (...) Es würde sich hierbei um ein Vorgehen handeln, das unter Partnern und engen Verbündeten völlig inakzeptabel ist. Das würde nach meiner festen Überzeugung einen schwerne Vertrauensbruch darstellen." - Kanzleramtsminister Pofalla muss am 24. Oktober eingestehen, dass die Vorwürfe doch nicht vom Tisch sind.

"Eine Entschuldigung der USA ist überfällig" - Innenminister Friedrich am 24. Oktober in der Leipziger Volkszeitung.

"Wir kriegen nichts." - Ein Experte des Bundesnachrichtendienstes Mitte Januar 2014 zum Stand der deutsch-amerikanischen Verhandlungen über ein No-Spy-Abkommen.

Das Leben geht weiter

No-Spy-Abkommen
:Chronologie eines Missverständnisses

Ein "No-Spy-Abkommen" sollte die transatlantischen Beziehungen nach der NSA-Affäre kitten. Dass die USA kein Interesse an einem solchen Vertrag der Geheimdienste haben, ist allerdings seit längerem klar. Doch in Berlin stirbt die Hoffnung zuletzt.

Von Matthias Kolb und Michael König

"Die Kooperation unserer Geheimdienste ist sehr hilfreich. Ihre Arbeit ist geradezu unverzichtbar. Es gibt aber Meinungsunterschiede über die richtige Balance zwischen Schutz und Freiheit und deswegen sind weitere, tiefere Diskussionen notwendig." - Bundeskanzlerin Angela Merkel am 2. Mai bei der Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses. An ihrer Seite steht US-Präsident Barack Obama.

"Die NSA ist nur ein kleiner Ausschnitt aus einem großen Ganzen." - Innenminister Thomas de Maizière betont am 21. Mai 2014 bei seinem Besuch in Washington, dass er mit seinen Gesprächspartnern auch über viele andere Themen gesprochen habe.

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