Deutsche Europapolitik:Angela Merkel - Frau Anti-Kohl?

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Die Währungspolitik der Kopf-Europäerin Merkel könnte den Euro sichern - und das Erbe des großen Gefühls-Europäers Kohl retten.

Heribert Prantl

Kanzler Helmut Kohl war ein großer Gefühls-Europäer. Hätten sich die griechischen Probleme noch zu seiner Zeit gestellt, er wäre aus seinem Gefühl heraus großzügiger und freigiebiger gewesen als Angela Merkel. Sie ist eine Kopf-Europäerin: Für sie ist Europa so etwas wie ein eingetragener Verein, die Staaten sind da Mitglieder.

Für Kohl dagegen war und ist Europa eine weitverzweigte Familie. EU-Gipfel waren daher für ihn ein Treffen der armen, der reichen und buckligen Verwandtschaft. Für die Kanzlerin Merkel handelt es sich bei EU-Gipfeln um Vereins-Vorstandsitzungen. Das prägt die Art, die Probleme anzugehen.

Kohl hätte gesagt, dass die griechischen Probleme letztlich europäische Probleme sind, und also von den Europäern intern geregelt werden müssen; er hätte sich also die Einschaltung des Internationalen Währungsfonds in Washington verbeten. Diese interne Lösung - billige Kredite für Griechenland - hätte viel gekostet: unter anderem sehr viel deutsches Geld.

Kohl hat diese Kosten zu seiner Zeit stets in Kauf genommen; er hat, wenn es um europäische Interessen ging, nationale deutsche Interessen im Zweifel zurückgestellt, weil für ihn europäische Interessen im Zweifel langfristig doch wieder deutsche Interessen waren.

Solche Gefühls-Europäerschaft führte aber auch dazu, dass Länder wie Griechenland Mitglied der Eurozone wurden, obwohl alle wussten, dass Griechen & Co die Stabilitätskriterien nur mit Schummeleien erfüllen konnten. Die Schummeleien waren politisch gewollt. Die heutigen Schwierigkeiten resultieren daraus. Es existiert zwar der Euro, aber keine institutionalisierte Möglichkeit der Prävention, um eine Misswirtschaft wie die griechische zu verhindern; es gibt auch keine zuverlässigen Mechanismen, um in und auf Krisensituationen zu reagieren.

Wenn Wackelländer augenzwinkernd aufgenommen wurden, kann man sie wegen Wackelns nicht später wieder hinauswerfen; es hätte sich aber die Pflicht ergeben, das Wackeln in diesen Ländern zu beenden. Das konnte aber nicht geschehen, weil es keine vertraglichen Möglichkeiten dafür gab; der Vertrag ging ja von stabilen Ländern aus.

Das heißt: Es braucht neue Verträge, in denen solche präventiven Mittel und repressiven Mechanismen eingeführt werden; es braucht den Europäischen Währungsfonds, der dieses vorsieht. Der jetzige Griechenland-Hilfsplan ist allererste Hilfe am Unfallort: Er stoppt die Währungs-Spekulation und schrammt dabei am Rande der Legalität entlang, nämlich am Rande der geltenden Verträge. Er verschafft aber damit der EU die Luft und die Zeit, die sie braucht, um die derzeitigen Verträge klug zu ändern.

Die vermeintlich geizige, die vermeintlich Anti-Kohlsche-EU-Politik Angela Merkels könnte also eine etwas komplizierte Einleitung für eine neue Währungspolitik sein, die den Euro wirklich sichert. Eine solche Politik brächte das Gefühls- und das Kopf-Europa, das Kohl- und Merkel-Europa, wieder zusammen.

© SZ vom 27.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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