Der US-Präsident nach dem Tod Bin Ladens:Obamas stille Siegesfanfaren

Bislang galt er vielen als Schwächling, doch diese historische Chance lässt sich Barack Obama nicht entgehen: Nach dem Einsatz gegen Osama bin Laden inszeniert sich der US-Präsident als Triumphator, ganz anders allerdings, als man das aus Amerika gewohnt ist.

Sebastian Gierke

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(Foto: REUTERS)

Bislang galt er vielen als Schwächling, doch diese historische Chance lässt sich Barack Obama nicht entgehen: Nach dem Einsatz gegen Osama bin Laden inszeniert er sich als Triumphator, ganz anders allerdings, als man das aus Amerika gewohnt ist. Er wollte Volksnähe demonstrieren. Barack Obama begab sich zu Tisch mit den Männern, die gerade Dienst hatten in der Feuerwache von "Engine 54" in New York. Es gab überbackene Auberginen. Die Öffentlichkeit war ausgeschlossen. Kurz vorher durften noch Kameras dabei sein: Der US-Präsident vor einem Feuerwehrwagen mit amerikanischer Flagge, ...

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(Foto: Via Bloomberg)

... vor den Gedenktafeln, für die am 11. September 2001 in den Trümmern den World Trade Centers ums Leben gekommenen Feuerwehrleute. Diese Wache war damals besonders schlimm betroffen - 15 Feuerwehrmänner, eine komplette Schicht, wurde Opfer des Terrors.

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(Foto: AP)

Und Barack Obama erhält Applaus - versucht ihn allerdings sofort mit einer schüchternen Handbewegung zurückzugeben an die Männer, die in Midtown Manhatten immer wieder ihr Leben bei gefährlichen Einsätzen risikieren.

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(Foto: Via Bloomberg)

Anschließend besuchte Obama Ground Zero. Mit der Tötung des Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden vier Tage zuvor hatte sich ein Kreis geschlossen. Der Angriff auf Amerika am 11. September 2001 veränderte die Welt, offenbarte die weltpolitische Bedeutung des Terrorismus. Ohne 9/11 hätte es den Krieg in Afghanistan, hätte es den Krieg im Irak nicht gegeben. Und so war der symbolkräftige Besuch Obamas in New York das vorläufige Ende eines stillen Triumphzuges des US-Präsidenten, einer Siegesfeier - ganz ohne Jubel.

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(Foto: REUTERS)

Begonnen hatte diese auch für Obama selbst so bedeutende Woche mit einer Rede an die Nation. Am späten Sonntagabend trat er völlig überraschend vor die Kameras, las vom Telepromter ab, erklärte der Nation und der ganzen Welt bildhaft und emotional, dass Osama bin Laden tot sei, dass der Al-Qaida-Chef bei einer US-Kommandoaktion getötet worden sei, die er befohlen hat.

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(Foto: REUTERS)

Obama wählte im Weißen Haus gemessen Worte, nicht laut, nicht martialisch, nicht von Rache getrieben. Er sprach fast zehn Minuten und klang am Abend eines seiner bislang größten Triumphe - nicht triumphierend.

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(Foto: REUTERS)

Draußen auf den Straßen war da bereits Siegesgeschrei zu vernehmen. Im Land galt Obama bis zu diesem Zeitpunkt vielen als Schwächling. Mit seiner Rede versucht er dieses Image abzuschütteln. Ich bin nicht nur ein Mann der schönen Worte, nicht nur ein Mann der Visionen, ich bin auch ein Mann der Tat, lautet die Botschaft. Es ist dies eine Inszenierung, die in kräftigen Farben das Bild eines fortschrittlichen Politikers zeichnen soll. Obama will Stärke zeigen, bei diesem Muskelspiel aber nicht die Nähte seines feinen Anzuges sprengen. Ganz anders als sein Vorgänger im Amt des Präsidenten.

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(Foto: REUTERS)

Kein anderes Foto macht den Unterschied deutlicher als jenes, das George W. Bush auf den Tag genau acht Jahre vor Obamas Rede von sich machen ließ. Victory-Zeichen, Kampfanzug, breites Grinsen. Bush war hier auf dem Weg zum Flugzeugträger USS Abraham Lincoln,...

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(Foto: REUTERS)

... um dort dann vor eindrucksvoller militärischer Kulisse zu verkünden: "Mission accomplished". Eine Mission zu Ende gebracht hat jedoch jetzt Obama, ihm ist es gelungen, Osama bin Laden zur Strecke zu bringen. Auch deshalb stehen diese Bilder wie wenig andere für die Hybris der Ära Bush, für Triumphgeheul, wo Nachdenklichkeit angebracht gewesen wäre, für lächerliche Posen. All das versucht Barack Obama jetzt unter allen Umständen  zu vermeiden - ohne jedoch dabei auf die penible Inszenierung seines Erfolgs zu verzichten.

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(Foto: Via Bloomberg)

Fotos der Leiche Bin Ladens will Obama nicht veröffentlichen, Bilder aus dem "Situation Room" im Weißen Haus waren dagegen schon wenige Stunden nach der US-Aktion in Pakistan überall in Zeitungen und im Internet zu betrachten. Darauf zu sehen: Der Präsident verfolgt persönlich, wie die Navy Seals seinen Befehl ausführen. Daraus zu lesen: Der Präsident persönlich hat die Zügel in der Hand.

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(Foto: dapd)

Und doch ist vor allem dieses Bild auch ein Dokument, das belegt, wie angespannt Obama, wie angespannt die US-Regierung war, sogar zweifelnd, in erschreckter Haltung wie Hillary Clinton, die die Hände vor den Mund hält. Es ist egal, ob sie das tat, weil sie Niesen musste, wie sie später behauptete. Fakt ist: genau dieses Bild wurde veröffentlich. Nicht das von der Szene einige Minuten später, als sich möglicherweise die Spannung gelöst hatte, die Zweifel verschwunden waren, man sich vielleicht gegenseitig auf die Schultern klopfte. Dieser Einsatz hätte auch scheitern können, soll dieses Bild erzählen.

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(Foto: REUTERS)

Am offensichtlichsten wird die verordnete Zurückhaltung bei Obamas Besuch am Ground Zero, vier Tage nach der Tötung Bin Ladens. Es ist sein erster Besuch an diesem Ort, der durch den Tod Bin Ladens in ein vollkommen neues Licht gerückt worden ist. Seit dem 11. September 2001 galt Ground Zero für die US-Amerikaner vor allem als Symbol von Terror und Leid. Seit dem 1. Mai 2011 überwiegt eher das Gefühl von Hoffnung und Neuanfang. Der neue "Freedom Tower" wird mit seinen 541 Metern die ehedem 411 Meter hohen Zwillingstürme noch überragen.

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(Foto: AP)

Ein stiller Besuch. Der US-Präsident spricht nicht öffentlich, keine Reden in die Mikrofone. Das soll kein Tag der großen Worte sein, dafür aber einer mit größtmöglicher Symbolkraft. Obama will den Hinterbliebenen, will den Amerikanern zeigen, dass jetzt die Zeit ist, Frieden zu machen mit der Vergangenheit und trotzdem nicht zu vergessen. Sein Sprecher Jay Carney sagt, Obama wolle diesen "wichtigen und bedeutsamen Augenblick" mit den Angehörigen der Opfer verbringen. "Einen bittersüßen Augenblick", ergänzt er.

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(Foto: AP)

Obama wendet sich nur an die Menschen, die bei dem Terrorakt Familienmitglieder oder Freunde verloren hatten, an Payton und Avery Wall zum Beispiel, deren Vater durch die Attacken auf das World Trade Center ums Leben gekommen ist.

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(Foto: AFP)

Es gab keine öffentliche Ansprache und nur geladene Gäste waren anwesend. Auf Obamas Wunsch hin hatte sein erster Besuch als Präsident an dem symbolträchtigen Ort einen privaten Charakter. Obama wollte mit den Menschen von Angesicht zu Angesicht sprechen. Natürlich ist das alles andere als privat, natürlich ist auch das eine Inszenierung. Die Bilder werden gemacht, wenn auch aus einem Helikopter heraus. Und die Bilder gehen um die Welt.

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(Foto: dpa)

Und die Promotour in eigener Sache ging für Obama weiter: Am Freitag besuchte er - hinter verschlossenen Türen - Mitglieder der Navy Seals, der Spezialeinheit, die Bin Laden ausgeschaltet hat und die dafür in den USA heldisch verehrt wird. Obama sei direkt nach seiner Ankunft auf dem Militärstützpunkt Fort Campbell im Bundesstaat Kentucky mit den Elitesoldaten zusammen gekommen und habe ihnen für ihren Einsatz gedankt, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus Regierungskreisen. Einzelheiten des Treffens wurden nicht bekannt. Und dennoch: Für den um Zurückhaltung bemühten Triumphator Obama war es wohl der heikelste Besuch. Doch diese historische Gelegenheit wollte er sich nicht entgehen lassen. Denn auch wenn die Selbstinszenierung immer zurückhaltend bleibt, ihre Wirkung verfehlt sie nicht.

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(Foto: REUTERS)

Nach einer Umfrage der New York Times und des Fernsehsenders CBS kann Obama nach der Tötung Bin Ladens kräftig punkten. Vor allem beim Thema Terrorbekämpfung stellten 72 Prozent ihrem Präsidenten ein gutes Zeugnis aus, vor der Aktion waren es noch 51 Prozent.

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