Niestetal:A49-Gegner legen Verkehr mit Abseilaktionen lahm: Festnahmen

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Ein Umweltaktivist hängt an einer Brücke über der Autobahn A 7 bei Kassel. (Foto: Göran Gehlen/dpa)

Umweltaktivisten haben erneut mit Abseilaktionen Autobahnen lahmgelegt, um gegen den Weiterbau der A49 und für eine klimafreundliche Verkehrswende zu...

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Homberg/Kassel/Gießen (dpa/lhe) - Umweltaktivisten haben erneut mit Abseilaktionen Autobahnen lahmgelegt, um gegen den Weiterbau der A49 und für eine klimafreundliche Verkehrswende zu demonstrieren. Davon waren am Freitag bundesweit Autobahnen betroffen, in Hessen die A7 bei Kassel sowie die A485 in Gießen. Die Polizei nahm mehrere Personen fest. Unterdessen setzten Einsatzkräfte im Dannenröder Wald bei Homberg (Ohm) die Räumung eines der Baumhauscamps fort, in denen Aktivisten mit Barrikaden und Kletteraktionen versuchen, die Baumfällungen für den Lückenschluss der Autobahn 49 zu stoppen.

Nach Angaben der Polizei wurden am Freitag 54 Menschen in Gewahrsam genommen und 13 Ermittlungs- sowie 42 Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. Außerdem sprach die Polizei 56 sogenannte Platzverweise aus. Mehrere Versammlungen von Ausbaugegnern am Abend endeten friedlich, hieß es.

An der A7 bei Kassel seilten sich nach Angaben der Polizei am Vormittag zwei Aktivistinnen von einer Brücke ab, was eine zwischenzeitliche Vollsperrung der Strecke und Stau zur Folge hatte. Die Frauen hätten ihre Aktion freiwillig beendet und seien vorläufig festgenommen worden, ebenso zwei weitere Beteiligte. An der Autobahn 485 in Gießen seilten sich drei Menschen ab und bremsten so den Verkehr aus. Einsatzkräfte brachten die zwei Männer und eine Frau zu Boden, wie die Polizei weiter mitteilte. Sie wurden ebenso festgenommen wie drei mutmaßliche Unterstützer. Vier seien wieder auf freien Fuß gekommen, bei den anderen dauere die Klärung der Identitäten an. Ermittelt werde unter anderem wegen Nötigung.

Ähnliche Abseilaktionen gab es an Autobahnen unter anderem in Niedersachsen, Thüringen, Schleswig-Holstein, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. „In Zeiten der voranschreitenden Klimakrise ist es Irrsinn, eine Autobahn zu bauen, die zudem noch für Hunderttausende Unfälle und mehrere tausend Tote im Jahr verantwortlich ist“, hieß es von Aktivsten-Seite.

In den vergangenen Wochen hatten sich in Hessen mehrfach A49-Gegner von Autobahnbrücken abgeseilt. Die Aktionen sind umstritten: Kritiker werfen den Klimaschützern vor, damit Unbeteiligte zu gefährden. Im Oktober war bei einem Auffahrunfall auf der A3 am Ende eines Staus nach einer Abseilaktion ein Autofahrer schwer verletzt worden.

Im Dannenröder Forst setzte die Polizei die Räumung eines größeren Baumhauscamps fort. „Die Situation insgesamt ist ruhig, trotz allem sehr komplex für unsere Kollegen“, sagte eine Polizeisprecherin am Nachmittag. Einige Umweltschützer harrten in etwa 20 Metern Höhe aus. Ein Aktivist hatte seinen Arm in einer „Lock On“-Box - ein Betonblock - verankert und wurde von Einsatzkräften abgeseilt.

In den vergangenen Wochen hatte es bei den A49-Protesten und dem Polizei-Großeinsatz mehrere Zwischenfälle gegeben. So verletzten sich bei Abstürzen aus mehreren Metern Höhe, für die teils Beamte verantwortlich sein sollen, zwei Aktivistinnen schwer. Polizisten wurden mehrfach mit Pyrotechnik beschossen.

Nach einem weiteren Vorfall am Donnerstag kam eine Aktivistin in Untersuchungshaft - unter anderem wegen des dringenden Verdachts des versuchten Totschlags, wie die Staatsanwaltschaft Gießen und die Polizei am Freitag mitteilten. Es bestehe Fluchtgefahr, da die Frau keine Angaben zu ihrer Identität mache. Sie soll bei der Räumung eines Plateaus in etwa 15 Metern Höhe Polizisten getreten und geschlagen haben. Ein Beamter, dem sie mehrfach gegen den Kopf getreten haben soll, habe beinahe das Gleichgewicht verloren.

Die Polizei prüft nach einem Feuer in einem Forstbetrieb im mittelhessischen Grebenau zudem einen Zusammenhang mit den A49-Protesten. Man untersuche das, sagte ein Sprecher. In der Nacht zu Freitag hatte ein Teil der Holzfassade eines Bürogebäudes gebrannt. Brandstiftung wird nicht ausgeschlossen.

Durch den Großeinsatz der Polizei bei den Autobahn-Protesten fallen nach Angaben des hessischen Innenministeriums Tausende Überstunden bei den Einsatzkräften an. Wie in den Jahren zuvor seien aber auch 2020 bislang alle Überstunden, die zur Ausbezahlung angemeldet wurden, vergütet worden, teilte ein Sprecher mit. An größeren Einsatztagen sind laut Ministerium rund 2000 Polizisten vor Ort. Die meisten davon kommen aus Hessen, aber fast alle Bundesländer beteiligten sich an dem Einsatz.

Im Dannenröder Wald, den Umweltschützer seit mehr als einem Jahr besetzt halten, laufen seit fast drei Wochen Räumungs- und Rodungsarbeiten für den Lückenschluss der A49. Die Gegner des Verkehrsprojektes lehnen dieses aus Klimaschutzgründen ab. Die Befürworter erhoffen sich weniger Verkehrsbelastung und eine bessere Straßenanbindung.

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