Leipzig:Kritik an verschärften Versammlungsregeln in Sachsen

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Rico Gebhardt, Vorsitzender der Links-Fraktion in Sachsen. (Foto: Gregor Fischer/dpa/Archivbild)

Die verschärften Regeln für Versammlungen in Sachsen nach der außer Kontrolle geratenen "Querdenken"-Demonstration in Leipzig sind nach Meinung der...

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Leipzig (dpa/sn) - Die verschärften Regeln für Versammlungen in Sachsen nach der außer Kontrolle geratenen „Querdenken“-Demonstration in Leipzig sind nach Meinung der Linksfraktion im Landtag „purer Aktionismus“. Damit wolle „die Koalition offensichtlich vom Versagen des Innenministers ablenken, den der Ministerpräsident um jeden Preis im Amt halten will“, sagte am Mittwoch der Vorsitzende und rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Rico Gebhardt. Zudem solle den kleinen Koalitionspartnern offenbar ein gesichtswahrender Ausweg aus ihrer eigenen Kritik am Fiasko von Leipzig geebnet werden.

Nach der „Querdenken“-Demonstration in Leipzig am vergangenen Samstag will die Landesregierung ortsfeste Versammlungen unter freiem Himmel künftig auf 1000 Teilnehmer begrenzen. Voraussetzung ist, dass alle Versammlungsteilnehmer sowie Ordner eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen und zwischen allen Teilnehmern der Mindestabstand von 1,5 Metern gewahrt wird. Im Einzelfall sollen auch größere Kundgebungen möglich sein, wenn technische und organisatorische Maßnahmen getroffen werden, um das Infektionsrisiko zu senken.

Am Samstag hatten sich in Leipzig mindestens 20 000 Demonstranten versammelt. 90 Prozent der Teilnehmer trugen laut Polizei keine Masken, obwohl sie in Sachsen bei Versammlungen derzeit „verpflichtend“ vorgeschrieben sind. Die Stadt Leipzig löste die Kundgebung auf. Danach erzwang ein Großteil der Menschen einen Gang über den Leipziger Ring. Die Polizei hatte erst versucht, sie zu stoppen, ließ sie aber schließlich ziehen. An Polizeisperren gab es Rangeleien, es flog Pyrotechnik. Zudem wurden Journalisten attackiert.

Gebhardt kritisierte zudem, dass der Landtag an der Entscheidung nicht beteiligt wurde. „Der Preis ist die Bestrafung aller, die in Sachsen in nächster Zeit ihr Versammlungsrecht wahrnehmen und dabei die Hygieneregeln einhalten wollen.“ Es sei „absurd, dass die Versammlungsfreiheit beschränkt wird, weil der Staat selbst versagt hat und die Polizei Auflagen nicht durchsetzen konnte.“

Auch der Leipziger Stadtrat wollte sich am Mittwoch mit der Demonstration vom vergangenen Wochenende beschäftigen. Die Fraktionen der Linken, Grünen und der SPD haben jeweils dringliche Anfragen eingereicht. Darin wollen sie von der Stadtverwaltung unter anderem wissen, wie die Lage vorab eingeschätzt wurde, mit welchen Teilnehmerzahlen gerechnet wurde, und warum die Versammlung trotz massenhafter Verstöße gegen die Demo-Auflagen erst nach mehr als zwei Stunden aufgelöst wurde.

Der frühere sächsische Justizminister Geert Mackenroth kritisiert den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts in Bautzen zur „Querdenken“-Demo. Der Kernpunkt sei die Einschätzung des OVG, ob eine solche Versammlung in der Leipziger Innenstadt gehe, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch dem MDR. Das Gericht hatte das bejaht und sich dabei auf eine Gefahrenprognose der sächsischen Polizei berufen. Diese ging laut OVG von 16 000 Teilnehmern aus. Für diese Anzahl von Menschen sei der Versammlungsort groß genug gewesen. Am Ende kamen am Samstag deutlich mehr Demonstranten, es war bundesweit mobilisiert worden.

Laut Mackenroth war es für die Polizei auch unmöglich gewesen, eine Maskenpflicht durchzusetzen. Mackenroth sprang mit seiner Kritik dem CDU-Innenminister Roland Wöller bei, der die Zulassung der Demo in der Innenstadt als unverantwortlich bezeichnet hatte. Die Stadt Leipzig hatte die Kundgebung auf einen großen Messe-Parkplatz am Stadtrand verlegen wollen. Das OVG entschied anders.

In der Diskussion um die Rolle der Justiz vor der „Querdenken“-Demo in Leipzig wies der Vorsitzende des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter unterdessen auf die Bedeutung von Gefahrenprognosen hin. „Am Ende kommt es immer darauf an, wenn eine Einschränkung oder gar ein Verbot einer Versammlung verfügt wird, ob eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch diese Versammlung entsteht“, sagte Robert Seegmüller, der auch Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ist. Er äußerte sich am Mittwoch beim Sender MDR Aktuell.

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