Oberverwaltungsgericht:Weltkriegsgedenken: Verbot russischer Fahnen bestätigt

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Die Flagge der Russischen Botschaft weht am frühen Morgen vor einer roten Ampel. (Foto: Joerg Carstensen/dpa/Archivbild)

Auch in diesem Jahr steht das Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine. Die Polizei befürchtet Konflikte und spricht ein Flaggenverbot aus. Im Fall russischer Symbole teilen Richter die Sorge.

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Berlin (dpa) - Bei den Kundgebungen zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 78 Jahren bleibt das Zeigen von russischen Flaggen und Symbolen in Berlin verboten. Das hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) am Montag entschieden, wie eine Sprecherin mitteilte. Das Gericht bestätigte damit im Eilverfahren eine Regelung der Berliner Polizei und hob eine anderslautende Entscheidung der Vorinstanz auf. Eine Beschwerde der Polizei gegen einen Beschluss des Berliner Verwaltungsgerichts war damit erfolgreich. Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev twitterte dazu: „Ick bin een Berliner!“.

Am Montagvormittag hatte der Botschafter Blumen an der zentralen Gedenkstätte Neue Wache in Berlin niedergelegt. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verzichtete Makeiev nach eigenen Angaben in diesem Jahr bewusst darauf, Kränze und Blumen an sowjetischen Gedenkstätten niederzulegen. Stattdessen kam er zu der zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. An der Zeremonie nahmen auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Tobias Lindner, teil.

„Putins Überfall auf die Ukraine hat die europäische Friedensordnung ins Mark erschüttert“, erklärte Wegner. „Niemals wieder darf sich Gewalt gegen die Freiheit durchsetzen. Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen.“ Die Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, Cornelia Seibeld, sagte: „Dass es heute - 78 Jahre nach dem 8. Mai 1945 - wieder einen Angriffskrieg auf dem europäischen Kontinent gibt, führt uns in erschreckender Weise vor Augen: Es ist unsere unbedingte Verpflichtung, jeden einzelnen Tag für Frieden, Freiheit und Menschenrechte einzustehen.“

Zum Weltkriegsgedenken waren an vielen Orten in Deutschland Veranstaltungen und Demonstrationen geplant. Allein in Berlin waren für den 8. und 9. Mai nach Polizeiangaben mehr als 30 Kundgebungen an den Sowjetischen Ehrenmalen und am Brandenburger Tor angemeldet.

Die Polizei befürchtet Spannungen wegen des Ukraine-Kriegs und ist mit mehr als 1500 Beamten im Einsatz. Unterstützung erhielten die Berliner Einsatzkräfte nach eigenen Angaben aus Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Bis zum Nachmittag blieben laut Polizei jedoch Störungen aus. Das Gedenken verlaufe „ehrenvoll und friedlich“, sagte eine Sprecherin.

Die Berliner Polizei wollte ursprünglich russische und ukrainische Flaggen, Symbole und Lieder rund um die Sowjetischen Ehrenmale in Treptow, Tiergarten und Schönholzer Heide für die Gedenktage am 8. und 9. Mai untersagen. Da Russland die Ukraine angegriffen hat und beide Länder derzeit Krieg führen, waren Konflikte zum Jahrestag befürchtet worden.

Das Verwaltungsgericht Berlin hob jedoch im Eilverfahren am Wochenende zunächst das Verbot ukrainischer Symbole auf. In einem getrennten Verfahren entschied das Gericht auch gegen das Verbot russischer Symbole bei einer Veranstaltung am 9. Mai am sowjetischen Ehrenmal Tiergarten sowie der Straße des 17. Juni.

Während die Polizei die Entscheidung im Falle der ukrainischen Symbole akzeptierte, ging sie mit Blick auf die russischen Symbole in die nächste Instanz - mit Erfolg. Das OVG bestätigte Regelungen der Polizei in einer Allgemeinverfügung, wonach russische Fahnen und Symbole verboten sind. Aus Sicht der Richter trifft die Prognose der Behörde zu, dass die Symbole angesichts des fortdauernden Angriffskrieges gegen die Ukraine geeignet seien, Gewaltbereitschaft zu vermitteln.

„Denn sie könnten im aktuellen Kontext jedenfalls als Sympathiebekundung für die Kriegsführung verstanden werden“, hieß es zur Begründung. „Die offenbar gezielte Intensivierung der russischen Luftangriffe auf die Ukraine und ihre Zivilbevölkerung am heutigen Tage“ trage zu einer weiteren Verschärfung der Konfliktlage bei und zeige, dass eine Trennung des Gedenkens an das Kriegsende 1945 und des erneuten Kriegsgeschehens in der Ukraine nicht möglich sei.

Im konkreten Fall ging es um eine Veranstaltung am Dienstag (9. Mai) vor dem sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten. Mindestens vier weitere Beschwerden gegen das Verbot russischer Fahnen liegen noch in erster Instanz beim Verwaltungsgericht, wie ein Sprecher sagte.

Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Weil die nächtliche Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde nach Moskauer Zeit auf den 9. Mai fiel, wird in Russland traditionell an diesem Tag der Tag des Sieges begangen.

Die Berliner Polizei stellt sich unterdessen auch darauf ein, dass sich wieder Mitglieder der russisch-nationalistische Rockergruppe „Nachtwölfe“ auf den Weg in die Hauptstadt machen. Nach Angaben der Sprecherin wird die Gruppe aus Deutschland am Dienstag erwartet. Die „Nachtwölfe“ gelten als Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Im benachbarten Brandenburg kam die Rockergruppe bereits an. Bislang habe es keine Vorkommnisse oder strafbaren Handlungen gegeben, sagte eine Polizeisprecherin.

© dpa-infocom, dpa:230507-99-597698/5

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