Debatte um Länderfinanzausgleich:"Gefährliche Stimmungsmache"

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Die Nachricht, Seehofer stelle den Länderfinanzausgleich in Frage, hat heftige Kritik ausgelöst. Doch der Ministerpräsident fühlt sich mal wieder missverstanden.

Es sind kurze 33 Zeilen, die Horst Seehofer in der Bild am Sonntag geschrieben hat. Doch die haben es in sich. Unter der Überschrift "Finanz-Balance in Gefahr" äußert der bayerische Ministerpräsident seine ganz eigene Sicht auf den Länderfinanzausgleich. Vor allem sieht er die Balance zwischen den Geberländern Bayern, Hessen und Baden-Württemberg und den Nehmerländern in Gefahr. Seehofer warnt: "Solidarität und Eigenverantwortung müssen eine gesunde Balance halten."

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer: "Wenn man den Gastkommentar von A bis Z liest, dann wundert man sich, welche Agenturmeldungen daraus gemacht werden." (Foto: Foto: Reuters)

Schnell waren die Schlagzeilen geboren: "Seehofer stellt den Länderfinanzausgleich in Frage". Bei den Länderchefs sorgte das naturgemäß für große Aufregung. Die Kritik an dem CSU-Chef ließ nicht lange auf sich warten.

Doch jetzt will es Seehofer nicht gewesen sein, fühlt sich falsch verstanden. "Wenn man den Gastkommentar von A bis Z liest, dann wundert man sich, welche Agenturmeldungen daraus gemacht werden." Er habe den Länderfinanzausgleich gar nicht in Frage gestellt, sagt er am heutigen Montag in einem Interview mit dem Hörfunk des Bayerischen Rundfunks. Bayern stehe "auch jetzt dazu, dass wir andere Länder, die nicht so stark sind, unterstützen".

"Solidarität darf Eigenverantwortung nicht ersetzen"

Dennoch: Auch wenn Seehofer sich nun falsch verstanden fühlt - an seiner Kernkritik rüttelt er auch jetzt nicht. Seehofer ist Meister darin, sich von seinen eigenen Äußerungen zu distanzieren, ohne jedoch die Sache selbst in Frage zu stellen.

In dem Gastbeitrag ärgert sich der CSU-Chef, dass sich einige Empfängerländer "trotz klammer Kassen" Wohltaten leisten, die in Bayern nicht drin sind - etwa ein kostenfreies Kindergartenjahr oder den Verzicht auf Studiengebühren - und fragt: "Ist es wirklich richtig, dass in so hohem Maße der Finanzunterschied zwischen den Ländern ausgeglichen wird? Ist es wirklich richtig, wenn ein Land fast jeden zehnten Euro aus seinem Haushalt abgeben muss oder wird da nicht eine Grenze überschritten?"

In einem ersten Schritt wolle er diese und noch ein paar andere Fragen zum Länderfinanzausgleich mit seinen Kollegen der anderen Geberländer besprechen. Denn: "Solidarität darf Eigenverantwortung nicht ersetzen", bilanziert er und wiederholt das auch noch mal einen Tag später im Radio: "Wir sind gerne solidarisch, aber das würde voraussetzen, dass auch andere Länder dann ihre Eigenverantwortung wahrnehmen und nicht Mehrausgaben initiieren, die wir uns in Bayern nicht leisten können."

Wie auch immer Seehofer verstanden werden will. Eines hat er auf jeden Fall erreicht: eine hitzige Debatte über Sinn und Unsinn des Länderfinanzausgleichs. Vor allem die Empfängerländer sind empört.

Heftige Kritik kommt aus Mecklenburg-Vorpommern. Regierungschef Erwin Sellering (SPD) wettert: "Das Aufkündigen der Solidarität in Deutschland bekommt einen Namen: CSU", poltert er und warnt vor "gefährlicher Stimmungsmache". Dabei habe Bayern selbst viele Jahre "Solidarität erfahren" und stehe "heute nur dank der vielen Milliarden aus dem übrigen Deutschland so gut da". Seine Forderungen: "Wir brauchen weiter einen Ausgleich zwischen den wirtschaftlich starken und den schwächeren Bundesländern."

Auch Sachsens CDU-Generalsekretär Kretschmer mahnte: "Die Bundesrepublik als föderales Land mit eigenständigen Bundesländern kann nur funktionieren, wenn es unter den Ländern einen Finanzausgleich gibt." Wer den Länderfinanzausgleich anzweifele, der stelle auch die föderale Struktur Deutschlands in Frage. Man könne jetzt "gerade auch von Bayern einfordern, solidarisch mit den anderen zu sein".

Sein saarländischer Amtskollege Peter Müller (CDU) sagte der Saarbrücker Zeitung, seine Landesregierung habe in der Vergangenheit einen restriktiven Haushaltskurs praktiziert und werde dies auch in Zukunft tun. "Bei objektiver Betrachtung muss (...) Seehofer also sehen, dass im Saarland deutlich zurückhaltend mit den Ausgaben umgegangen wird - zurückhaltender jedenfalls, als dies in Bayern der Fall ist." Müller erinnerte den CSU-Chef zudem an das "Verfassungsgebot, überall in Deutschland gleichwertige Lebensverhältnisse sicherzustellen".

Zurückhaltung aus Baden-Württemberg

Kritik kommt auch von der Linkspartei. Der stellvertretende Parteichef Klaus Ernst wirft Seehofer vor, zwanzig Jahre nach dem Mauerfall "neue Mauern" errichten zu wollen. Und die Vize-Vorsitzende der Linkenfraktion im Bundestag, Gesine Lötzsch, kommt zu dem Schluss, dass Seehofers "unberechenbare Rundumschläge zeigen, dass der bayerische Ministerpräsident in seiner eigenen Partei ums Überleben kämpfen muss".

Selbst in Baden-Württemberg, einem der drei Geberländer, ist man zurückhaltend. Grundsätzlich könne man Seehofer zwar zustimmen, findet der designierte Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU). "Ich habe seit jeher den Länderfinanzausgleich als leistungsfeindlich empfunden." Eine Änderung halte er jedoch erst für möglich, wenn der Länderfinanzausgleich auslaufe. Also in zehn Jahren. "Ich bin immer der Meinung, dass das, was vereinbart wurde, auch eingehalten werden muss. Deshalb sehe ich derzeit keine Chance auf Änderung. Dass das in Baden-Württemberg nicht so ganz leicht zu erklären ist, ist selbstredend."

In Hessen kommt Seehofers Forderung indes gut an. Er habe "neuen Schwung" in die Diskussion gebracht, findet Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU). Dass es nur noch drei Geberländer gebe, sei "auf Dauer problematisch", findet er . Weimer fordert die Installierung einer gerechten Systematik und eine Selbstverpflichtung der Nehmerländer, die LFA-Mittel gezielt zur nachhaltigen Stärkung der eigenen Wirtschaft einzusetzen.

"Abgesehen von Bayern hat es kein einziges Bundesland geschafft, dauerhaft vom Nehmerland zum Geberland zu werden", betont Weimar. Die Nehmerländer dürften sich einer "ergebnisoffenen Diskussion" über die Fehler des Systems nicht länger entziehen. Sollten Verhandlungen scheitern, erwäge Hessen als "Ultima Ratio" einen Gang vor das Bundesverfassungsgericht.

Seehofer ist nicht der erste Ministerpräsident aus dem Freistaat, der den Länderfinanzausgleich kritisiert. Bereits in den neunziger Jahren fand Edmund Stoiber ebenfalls deutliche Worte. Im CSU-Blatt Bayernkurier hatte der damalige bayerische Ministerpräsident gewettert: Der Ausgleich gehe "über die geschuldete Solidarität der Länder und die gemeinsame Verantwortung für eine vergleichbare Entwicklung aller Länder hinaus", hatte er damals gesagt.

© sueddeutsche.de/dpa/ddp-bay/AFP/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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