Debatte um Atom-Moratorium:FDP will alle alten AKW endgültig stilllegen

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Die FDP bleibt ihrem Ruf als Umfallerpartei gerecht. Bis Sonntag waren die Wirtschaftsliberalen strikte Verfechter der Kernenergie. Nun läuten sie die Wende ein: Generalsekretär Lindner will nun die acht Meiler, die unter das Moratorium fallen, für immer abschalten. Der schwarze Koalitionspartner übt Kritik am Schwenk der Liberalen.

Thorsten Denkler

Die FDP will offenbar in der Atomfrage wieder Oberwasser gewinnen. Seit Jahren als Partei der Atomlobbyisten verschrien, versucht Generalsektretär Christian Lindner jetzt mit einem eigenen Vorstoß Vorreiter in der Debatte zu werden.

Im hessischen Biblis stehen zwei der acht Meiler, die von dem dreimonatigen Moratorium betroffen sind. (Foto: AP)

In Berlin verkündete Lindner, keines der acht derzeit im Zuge des Moratoriums vom Netz genommenen Meiler wieder anschalten zu wollen. Lindner will dafür eine sofortige Vereinbarung mit der Atomindustrie aushandeln, in der dies verbindlich festgeschrieben wird. Es müsse "rasch Rechtssicherheit" geschaffen werden, sagte Lindner.

Es hatte sich ohnehin bereits abgezeichnet, dass es nicht zu vermitteln gewesen wäre, die älteren Meiler wieder anzuschalten. Bisher allerdings galt als offizielle Linie, erst das Ende des Moratoriums am 15. Juni abzuwarten.

Neu allerdings ist das Bestreben Lindners, dass die verbleibenden und vertraglich zugesicherten Reststrommengen für jeden der abgeschalteten Atommeiler nicht auf neuere AKW übertragen werden sollen. Zudem soll kein Kraftwerk länger laufen als bereits im rot-grünen Ausstiegsbeschluss aus dem Jahr 2000 festgelegt. Das gehört zu den Kernforderungen von SPD und Grünen an einen neuen Atomkonsens und würde eine radikale Abkehr vom erst im Herbst beschlossenen Energiekonzept der Bundesregierung bedeuten.

Wie schon die rot-grüne Bundesregierung ist Lindner darauf angewiesen, dass die Atomindustrie dabei mitmacht, weil privatrechtliche Eigentumsfragen davon berührt sind. Zudem ist nicht sicher, dass Lindner in seiner eigenen Bundestagsfraktion für diesen Kurs die volle Unterstützung hat. Vertreter des starken Wirtschaftsflügels wie Martin Lindner aber auch Hermann Otto Solms hatten bereits davor gewarnt, jetzt überstürzt aus der Atomenergie auszusteigen.

In der Union gibt es gegen einen solchen Kurs massive Vorbehalte. Michael Fuchs, Sprecher der Mittelständler in der CDU-Fraktion, sagte zu sueddeutsche.de: "Wer solche Pläne hat, muss erklären, wo dann der Strom sicher und bezahlbar herkommen soll." Fuchs warnt: "Eine Exportabhängigkeit von Ländern wie Frankreich können wir uns nicht leisten."

Die grüne Umweltpolitikerin Bärbel Höhn hat Zweifel, ob sich Lindner mit dem neuen Kurs wird durchsetzen können. "Dafür muss er erst mal Mehrheiten in seiner Partei und in der Koalition finden", sagte sie zu sueddeutsche.de. Sie finde es aber "erstaunlich" wie schnell die FDP in Teilen in einer "180-Grad-Wende" auf den Kurs von Rot-Grün einschwenke. Lindners Vorschlag gehe im Grundsatz in die richtige Richtung. Allerdings hielten die Grünen inzwischen einen schnelleren Ausstieg bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode für möglich.

Derzeit sind die sieben vor 1980 ans Netz gegangenen deutschen Atomreaktoren abgeschaltet. Zudem steht seit 2007 das AKW Krümmel (Schleswig-Holstein) nach verschiedenen Pannen fast ununterbrochen still.

Wenn die Regierung die Meiler nach Ende des derzeit geltenden Moratoriums am 15. Juni auf Dauer vom Netz lassen will, muss ein neues Atomgesetz erlassen werden. In Deutschland sind noch acht Atomkraftwerke mit insgesamt neun Reaktoren am Netz.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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