Das Moratorium und der Wahlkampf:Brüderle wird zum Störfall

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Wirtschaftsminister Brüderle bringt die Regierung in Bedrängnis. Zwar bestreitet er, die Atomwende als Wahlkampftaktik bezeichnet zu haben - doch ein Zeuge bestätigt die Zitate.

Michael Bauchmüller, Peter Blechschmidt, Karl-Heinz Büschemann und Susanne Höll

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) gerät wegen Äußerungen zur schwarz-gelben Atompolitik in die Kritik. Das Protokoll einer Sitzung des Industrieverbands BDI, dem zufolge Brüderle zur Begründung für die Atomwende auf Wahlen verwies, gebe ihn falsch wieder, sagte Brüderle im Bundestag. Ein Teilnehmer der BDI-Sitzung bestätigte dagegen die Darstellung im Protokoll.

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle hat nach SZ-Informationen vor der Spitze der deutschen Industrie gesagt, dass die anstehenden Landtagswahlen der Grund für den plötzlichen Sinneswandel der Regierung in der Atompolitik sind. sueddeutsche.de dokumentiert die entscheidenden Teile des Protokolls. Klicken Sie auf das Bild! (Foto: sueddeutsche.de)

Demnach soll Brüderle bei einem Spitzentreffen des Industrieverbandes zur Begründung für das geplante Atom-Moratorium darauf verwiesen haben, es laste "angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen Druck auf der Politik". Entscheidungen seien "daher nicht immer rational". Die Äußerungen sollen Montag voriger Woche gefallen sein, nachdem erste Agenturen über ein angeblich bevorstehendes Moratorium für die Atomkraft berichtet hatten. Wenig später setzten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) die Verlängerung der Atomlaufzeiten für drei Monate aus. Sie reagierten damit auf die Atom-Katastrophe in Japan.

Bei einer Bundestagsdebatte wies Brüderle die Darstellung am Donnerstag zurück. "Uns Wahlkampfmanöver vorzuwerfen, ist absurd", sagte er. Das Protokoll zitiere ihn falsch. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sprach von einem Fehler im Protokoll. "Die Äußerung des Bundeswirtschaftsministers ist falsch wiedergegeben worden", sagte Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf.

Allerdings bringt die Aussage eines Teilnehmers Brüderle und Schnappauf in die Defensive. Ein BDI-Präsidiumsmitglied sagte der Süddeutschen Zeitung, das Protokoll sei korrekt. "Die Sätze sind so gefallen, sie sind im Protokoll zwar verkürzt, aber richtig wiedergegeben ." An dem Treffen hatten 39 Mitglieder von Präsidium und Vorstand des BDI teilgenommen. Sie alle erhielten das als vertraulich deklarierte Protokoll, Schnappauf hatte es Anfang der Woche versandt.

Aus Kreisen der Industrie hieß es, Schnappauf spreche nun schon deshalb von einem Fehler im Protokoll, um die Angelegenheit selbst unbeschadet zu überstehen. Er hat das Problem, ein Protokoll verschickt zu haben, das er entweder selbst nicht ausreichend gelesen oder in seiner Brisanz unterschätzt hatte.

Für die schwarz-gelbe Koalition kommt die Debatte zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, kurz vor wichtigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. "Für uns zählt, was der BDI-Hauptgeschäftsführer sagt", hieß es am Donnerstag nur knapp aus der Spitze der Koalition.

Die Darstellung, wonach das Protokoll fehlerhaft sei, wurde in den Kreisen als glaubwürdig bezeichnet. "Ein Protokollant kann immer aufschreiben, was er will", hieß es. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte am Abend: "Wenn man da jetzt weiter drauf rumreitet, kann jeder erkennen, dass das der Kampagne der Opposition für Sonntag bei den Wahlen dienen soll." Die Berichte hätten "keinen realen Hintergrund".

Die Opposition aber sieht sich bestätigt. SPD, Grüne und Linke werteten die Äußerungen Brüderles als Beleg dafür, dass das Moratorium allein den Wahlen geschuldet sei. "Brüderle hat sich offensichtlich schlicht verplappert und wird zum Störfall für den Wahlkampf", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. Linken-Chef Klaus Ernst sprach von einem "betrügerischen Wahlkampfmanöver".

© SZ vom 25.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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