CSU vor Parteitag:Seehofer will Athen mehr Zeit für Reformen geben

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Kurz vor Beginn des CSU-Parteitags überrascht Ministerpräsident Seehofer mit moderaten Aussagen zu Griechenland, andere Christsoziale knöpfen sich die FDP vor. "Jetzt ist Schluss mit lustig" beim Betreuungsgeld, erklärt Agrarministerin Aigner, Generalsekretär Dobrindt spottet über die Machtlosigkeit von Vizekanzler Rösler.

Moderate Töne zu Griechenland: CSU-Chef Horst Seehofer (Foto: dapd)

Die CSU und Griechenland - das ist seit Ausbruch der Krise ein besonders kniffliges Themenfeld. Notorische Lautsprecher wie Markus Söder forderten den Austritt des bankrotten Landes aus der Euro-Zone. Nun dringen andere Töne aus der Partei. Mit einer Debatte über die Euro-Rettungspolitik beginnt am Nachmittag der Parteitag der CSU in München, auf der wohl kaum gegen Athen gesödert wird.

Um sicherzugehen, hat Parteichef Horst Seehofer im Bayerischen Rundfunk europapolitisch die Linie vorgegeben, die erstaunlich moderat ist. Der bayerische Ministerpräsident hält es für möglich, Griechenland mehr Zeit für die Umsetzung der Reformen einzuräumen.

Damit nicht genug: Ein solches Zugeständnis an die Griechen wollte der CSU-Politiker auch dann nicht ausschließen, wenn dies mit höheren Kosten für die internationalen Geldgeber verbunden sei. "Ich denke, darüber kann man reden", fügte Seehofer hinzu. Allerdings müsse gewährleistet sein, dass die Überschuldung des griechischen Staates "wirklich auch durch Reformen und Sparmaßnahmen abgebaut wird. Es darf nicht dazu führen, dass der Konsolidierungskurs aufgegeben wird."

Seehofers Schwenk könnte für die schwarz-gelbe Bundesregierung wichtig werden, falls der Bundestag über neue Griechenland-Hilfen entscheiden muss. Denn die SPD kündigte inzwischen an, nicht wie bisher, selbstverständlich zu helfen. "Ich erwarte, dass die Kanzlerin bei einer so wichtigen Frage für eine eigene Mehrheit sorgt", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier dem Handelsblatt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) könnte in diesem Fall die Vertrauensfrage stellen, meint Steinmeier.

Seehofers Äußerungen kommen also nicht nur den maladen Griechen, sondern auch der Kanzlerin entgegen. Ohnehin hat sich schon vorher abgezeichnet, dass die CSU auf dem Parteitag auf allzu europakritische Töne verzichten dürfte: In einem Leitantrag wird zwar beispielsweise die Forderung nach Volksabstimmungen auch über Euro-Rettungsmaßnahmen bekräftigt. Andererseits wird das Krisenmanagement Merkels ausdrücklich gelobt. Sie werde "eine starke Rückendeckung für ihre Positionen erhalten, auch bei der Bewältigung der Probleme in Griechenland", sagte die Landesgruppenchefin der CSU im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, der Saarbrücker Zeitung.

Hasselfeldt: Budgetrecht muss bei nationalen Parlamenten bleiben

Hasselfeldt sagte der Nachrichtenagentur dpa, die CSU knüpfe Bedingungen an eine Verlagerung weiterer Zuständigkeiten an die EU zur Bekämpfung der Euro-Krise: "In jedem Fall muss das Budgetrecht der nationalen Parlamente und damit auch deren Verantwortung erhalten bleiben." Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will den EU-Währungskommissar stärken und ihm Durchgriffsrechte in nationale Haushalte gewähren.

"Jede Kompetenzübertragung - an welche europäische Institution auch immer - muss sich daran messen lassen, ob sie der Durchsetzung der gemeinsam vereinbarten Stabilitätskriterien dient", sagte Hasselfeldt. Ihre Partei forderte sie vor dem Treffen auf, die schwarz-gelbe Koalition in Berlin anzutreiben. Sie warne davor, "sich zurückzulehnen. Wir müssen beim Thema Bekämpfung der Altersarmut Antreiber bleiben, in dem wir die Anerkennung der Erziehungszeiten bei der Rente verbessern", sagte sie der Saarbrücker Zeitung.

Auf dem zweitägigen Treffen will die CSU auch ihr eigenes Rentenkonzept verabschieden. Ein Kernpunkt: Die Partei fordert eine Besserstellung von Müttern und pflegenden Angehörigen bei der Rente.

"Der Wähler ist ein scheues Reh"

Bundesagrarministerin Ilse Aigner warnte ihre Partei trotz guter Umfragewerte vor Übermut. Sie rate zu "Demut", sagte die Vorsitzende des größten CSU-Bezirksverbands Oberbayern dem Münchner Merkur. Bis zu den Wahlen sei "noch fast ein Jahr hin, eine lange Strecke. Der Wähler ist ein scheues Reh, und Vertrauen ein flüchtiges Gut. Wir müssen weiter hart arbeiten, zuhören." Aigner ermahnte den Berliner Koalitionspartner FDP beim Thema Betreuungsgeld. Der Mittelbayerischen Zeitung sagte sie: "An die Adresse der FDP sage ich: Jetzt ist Schluss mit lustig. Das Betreuungsgeld ist fest verabredet und es wird kommen."

Auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt erlaubte sich einen Seitenhieb auf den Koalitionspartner. Den ohnehin angeschlagenen FDP-Chef und Vizekanzler Philipp Rösler rief er in der Causa Betreuungsgeld zu mehr Führung auf. "Es wird Zeit, dass Herr Rösler seine Autorität in diesem Prozess endlich zu erkennen gibt", sagte Dobrindt der Rheinischen Post. Offensichtlich habe die FDP "mit internen Koordinierungsschwierigkeiten" zu kämpfen, erklärte der Christsoziale. "Ich hoffe, dass sich das rasch ändert und klare Führungsstrukturen einziehen", sagte Dobrindt und fügte mit süffisantem Spott hinzu: "Wir wissen manchmal nicht, wer bei den Verhandlungen für die FDP spricht."

Erst einen Tag zuvor hatte CSU-Chef Seehofer im Interview mit der Süddeutschen Zeitung Rösler aufgefordert, seine Partei besser zu führen. Außerdem erklärte Seehofer, die Union könne bei der Bundestagswahl in einem Jahr 40 Prozent der Stimmen erringen. Dieses Mindestziel setzt vor allem die CDU unter Druck, weil sie anders als die bayerische Schwesterpartei große Mühe hat, die Marke zu erfüllen. Aus der CDU sind noch keine Reaktionen über Seehofers 40-Prozent-Marke gedrungen, aber womöglich greift die Kanzlerin das Thema auf. Gegen 18 Uhr spricht die CDU-Vorsitzende als Gastrednerin auf dem CSU-Parteitag.

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