Pandemie:"Die Lage ist objektiv viel schlechter als die Stimmung"

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warnt davor, die Corona-Lage zu unterschätzen. Die Lockerungen sollen wie geplant kommen. Es sei aber wahrscheinlich, dass die Maßnahmen in einzelnen Gebieten schnell wieder verschärft werden müssten.

Von Angelika Slavik, Berlin

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schätzt die aktuelle Corona-Lage als kritisch ein. Durch die steigenden Infektionszahlen werde sich mittelfristig auch die Belastung der Krankenhäuser erhöhen, sagte Lauterbach in der Bundespressekonferenz am Freitag. Zudem gebe es täglich zwischen 200 und 250 Corona-Tote. Man könne mit der aktuellen Situation "nicht zufrieden sein".

Lauterbach warnte davor, die Gefahr durch die Omikron-Variante zu unterschätzen. Dass Omikron weniger gefährlich sei, stimme nur teilweise - gerade ungeimpfte Ältere seien durch das Virus stark gefährdet. "Die Lage ist objektiv viel schlechter als die Stimmung", sagte Lauterbach. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Freitag eine Inzidenz von 1439, binnen 24 Stunden wurden 252 836 neue Infektionen registriert.

Dass am 20. März die meisten Corona-Regeln auslaufen, sei dennoch richtig, sagte Lauterbach. Es dürfe aber nicht dazu verleiten, leichtsinnig zu werden. Das neue Infektionsschutzgesetz, das der Bundestag in der kommenden Woche beschließen soll, sieht schärfere Maßnahmen für sogenannte Hotspots vor. Lauterbach sagte, er rechne damit, dass diese Regelung sehr schnell und oft zum Einsatz kommen werde müsse. Der Begriff "Hotspot" führe dabei womöglich in die Irre, denn zu einem Gebiet mit besonders angespannter Corona-Lage könnten auch ganze Bundesländer erklärt werden.

Kontaktbeschränkungen sind künftig nicht mehr möglich

Die Bewertung der Pandemiesituation ist nach der neuen Gesetzeslage dann Sache der Landesparlamente. Die gleiche Inzidenz könnte also in einem Bundesland zur Einstufung als Hotspot führen und in einem anderen nicht. Wird dieser Status für eine Region beschlossen, können dort fast alle Maßnahmen angewandt werden, die bereits bekannt sind: Abstandsgebote, Hygienekonzepte, Zutrittsbeschränkungen und Maskenpflicht. Einzig Kontaktbeschränkungen sind rechtlich dann nicht mehr möglich.

Lauterbach nannte Köln als Beispiel für einen aktuellen Hotspot, dies hänge wahrscheinlich mit dem Karneval zusammen. Dort müssten wegen der Belastung der Krankenhäuser Operationen verschoben werden. Der Bundesgesundheitsminister appellierte an die Bundesländer, sich auf einheitliche Kriterien zu verständigen, wann die Hotspot-Regelung angewandt werden solle.

RKI-Chef Lothar Wieler sagte, der Infektionsdruck sei aktuell sehr hoch, gerade bei den Älteren verzeichne man steigende Inzidenzen. Er rief erneut dazu auf, sich impfen zu lassen - das Risiko, tödlich oder schwer zu erkranken, reduziere sich so massiv.

Jördis Frommhold, Chefärztin der Median-Klinik in Heiligendamm, wies darauf hin, dass man vermehrt Fälle von Long Covid bei jungen, sportlichen Menschen ohne Vorerkrankungen registriere. Oft hätten diese Patienten einen milden Akut-Verlauf, entwickelten dann aber ein bis drei Monate nach der Genesung schwere Einschränkungen. Diese reichten vom massiven Verlust der körperlichen Leistungsfähigkeit bis zu Einschränkungen der geistigen Fähigkeiten. Einige würden Grundrechenarten nicht mehr beherrschen, andere könnten nicht mehr sinnerfassend lesen. Studien zeigten auch, dass das Gehirn als Folge von Corona schrumpfen könne.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) einigte sich am Freitag auf einen einheitlichen Weg aus den schulischen Corona-Maßnahmen - zumindest bis zu einer möglichen neuen Infektionswelle im Herbst. Anfang April soll die Maskenpflicht enden, im Mai auch die anlasslosen Tests.

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