Corona-Krise:Einfach alles öffnen - so einfach wird es nicht werden

Corona-Krise: Ihre Corona-Regeln haben die Bundesländer zuletzt schon gelockert. Künftig wird es für sie schwerer, sie wieder zu verschärfen.

Ihre Corona-Regeln haben die Bundesländer zuletzt schon gelockert. Künftig wird es für sie schwerer, sie wieder zu verschärfen.

(Foto: Stefan Puchner/dpa)

Eigentlich wollte die Ampelkoalition das Land nach zwei Jahren Pandemie im großen Stil öffnen. Der neuerliche Anstieg der Fallzahlen bremst diesen Plan. Nun plant sie ein neues Infektionsschutzgesetz. Was drin steht und was das für die kommenden Monate bedeutet - ein Überblick.

Von Kassian Stroh

Die Bundesregierung steht unter Druck: Eigentlich hatte sie gedacht, dass der Beginn des Frühlings der richtige Moment sein würde, um nach mehr als zwei Jahren die allermeisten Corona-Einschränkungen fallen zu lassen. Doch was schon damals kühn klang und teilweise heftig kritisiert wurde, bekommt gerade einen neuen Dämpfer. Ganz gegen die Hoffnung, dass die Zahlen Anfang März sinken würden, steigen sie wieder. Das macht es der Bundesregierung schwer, einfach so bei ihrem Plan zu bleiben.

Just am Mittwoch, als in Deutschland so viele Corona-Infektionen gezählt wurden wie nie zuvor seit Beginn der Pandemie, hat die Koalition einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach es nun doch weiter Corona-Regeln geben soll. Auf Druck der FDP sind es weniger, als sich viele das wünschen; aber es wird weiter Beschränkungen geben. Was plant die Bundesregierung genau und wie geht es jetzt weiter? Ein Überblick.

Wie ist die Lage bei Corona?

Genau 262 752 Corona-Neuinfektionen binnen der vergangenen 24 Stunden hat das Robert-Koch-Institut am Donnerstagmorgen gemeldet - so viele wie nie zuvor an einem Tag. Und das sind nur die offiziell bestätigten und gemeldeten Fälle; die tatsächliche Zahl dürfte weit höher liegen. In den Krankenhäusern liegen viele Corona-Patientinnen und -Patienten, die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz der hospitalisierten Fälle liegt aktuell bei 6,62. Das ist viel, aber keine Überlastung. Die Zahl der Intensivpatienten bundesweit ist seit Mitte Februar von etwa 2500 auf aktuell 2117 gesunken. Derzeit stecken sich also sehr viele Menschen an, von denen aber weniger als früher ernsthaft krank werden.

Was genau plant die Bundesregierung?

Eigentlich sollten zum 19. März alle Corona-Regeln fallen. Diese erlassen die Bundesländer, die Rechtsgrundlage dafür im Infektionsschutzgesetz läuft am kommenden Wochenende aus. Eine solche brauche es angesichts der Infektionszahlen weiter, haben die Länder vom Bund gefordert. Nun hat sich die Bundesregierung auf ein Paket mit zwei Teilen geeinigt:

Als sogenannten Basisschutz sollen die Landesregierungen künftig, wenn sie das wollen, eine Maskenpflicht im Nahverkehr, in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen sowie eine Testpflicht in diesen Einrichtungen und in Schulen beschließen können. Zudem soll die Maskenpflicht in Fernzügen und Flugzeugen bestehen bleiben.

Darüber hinaus soll es Corona-Regeln nur noch in sogenannten Hotspots geben: Hier können die Länder dann eine Maskenpflicht in weiteren Bereichen, Hygienevorschriften, Abstandsregeln oder Zugangsvorschriften wie eine 2-G- oder eine 3-G-Regel anordnen. Aber zum Beispiel keine Kontaktbeschränkungen oder Betriebsschließungen mehr. Voraussetzung dafür ist, dass "in einer konkret zu benennenden Gebietskörperschaft" entweder eine besonders gefährliche Virusvariante zirkuliert oder dass die Infektionszahlen dort so hoch sind oder zunehmen, dass "eine Überlastung der Krankenhauskapazitäten" vor Ort droht. Diese Kriterien sind im Gesetzentwurf nicht genau definiert, genauso wenig die räumliche Dimension. Als Hotspot kann also eine Stadt genau so definiert werden wie im Extremfall ein ganzes Bundesland. Das Landesparlament muss einer solchen Regelung zustimmen.

Was ist die Kritik an diesen Plänen?

Am Gesetzentwurf regt sich deutliche Kritik - von Experten wie auch aus den Reihen der Bundesländer. Der geplante Basisschutz sei zwar besser als nichts, sagte der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe und der Augsburger Allgemeinen. Die Politik habe aber "weitergehende, sinnvolle Maßnahmen erfolgreich zerredet". Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sorgt sich, dass die geplanten Regeln gefährdete Menschen wie etwa Pflegebedürftige nicht ausreichend schützten.

Parteiübergreifend kommt auch Kritik aus den Bundesländern, die für den Infektionsschutz zuständig sind. Am deutlichsten wird Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne): Er halte es für "grob fahrlässig, wenn die Bundesregierung ohne Not wirksame Instrumente für den Notfall aus der Hand gibt", sagt Kretschmann. "Das ist kein wirksamer Basiskatalog, sondern ein Rumpfgerüst. Dazu wird uns hier ein Hauruckverfahren aufgezwungen, das die Länder außen vor lässt." Der niedersächsische Regierungschef Stephan Weil (SPD) sagt angesichts der hohen Infektionszahlen: "Man wirft doch den Feuerlöscher nicht weg, wenn es noch brennt."

In Bayern ist sich die Koalitionsregierung nicht einig: Während die Freien Wähler, die seit Beginn der Pandemie stets weniger Corona-Einschränkungen wollten als die CSU, die Pläne der Bundesregierung begrüßen, fordert Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) vom Bund Nachbesserungen, um im Herbst nicht "womöglich sehenden Auges erneut in schwierige Situationen" zu geraten.

Auch aus der Kultusministerkonferenz (KMK) kommt Kritik, weil der Gesetzentwurf keine Möglichkeit mehr vorsieht, Maskenpflicht an Schulen anzuordnen. "Wenn es nach uns geht", sagte KMK-Präsidentin Karin Prien (CDU), müsse diese Möglichkeit "noch eine Weile fortbestehen". Ein Ende aller Maßnahmen an den Schulen strebe man Ende April, Anfang Mai an, so Prien.

Gibt es Politiker, die das Gesetz gut finden?

Ja, auch in den Bundesländern. "In der gegenwärtigen Lage halte ich das für eine verantwortbare Regelung", sagt Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) der Welt. Nachbesserungen bräuchte es aber, wenn sich das "Pandemiegeschehen" grundlegend ändern sollte und eine flächendeckende Überlastung des Gesundheitswesens drohe. Ansonsten verteidigen die Vertreter der Ampelkoalition in Berlin den Gesetzentwurf: Die neuen Hotspot-Regelungen hätten sich die Länder gewünscht, um bei Bedarf schärfere Maßnahmen anordnen zu können, sagt Gesundheits-Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) der Augsburger Allgemeinen. Der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann betont, dass es künftig vor allem um Eigenverantwortung und den Schutz vulnerabler Gruppen gehe.

Wie geht es mit dem Gesetzentwurf weiter?

Es muss schnell gehen. An diesem Donnerstag beraten die Bundestagsfraktionen über den Entwurf, das Parlament soll ihn am Freitag kommender Woche final verabschieden - nur einen Tag, bevor die bisherigen Regelungen auslaufen. Wenn es so kommt wie geplant, dann gilt: Will ein Bundesland weiter Corona-Maßnahmen haben, muss der jeweilige Landtag das beschließen. Da das innerhalb von einem Tag nicht möglich ist, ist eine Übergangsfrist vorgesehen: Bis zum 2. April können die Länder ihre bisherigen Corona-Einschränkungen weiterlaufen lassen.

Die neuen Regelungen sowohl zum "Basisschutz" als auch für die Hotspots will die Bundesregierung bis zum 23. September befristen. Dann könne man neu entscheiden, sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) - "vor Beginn der zu erwartenden Herbstwelle".

Das wäre dann, je nach Rechnung, schon die sechste oder siebte Corona-Welle, die durch Deutschland rauscht. Denn manch einer sieht den aktuellen Anstieg bereits als Anzeichen dafür, dass eine neue Welle beginnt - dummerweise noch bevor die bisherige, die fünfte nämlich, zu Ende war.

Und was hat das alles mit der Impfpflicht zu tun?

Formal gar nichts. Allerdings sagen viele Experten, dass die Impfquote in Deutschland nach wie vor zu niedrig sei, um ohne größere Schutzmaßnahmen durch womöglich weitere Corona-Wellen zu kommen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich deshalb im Herbst für eine allgemeine Corona-Impfpflicht ausgesprochen, seitdem wird darüber debattiert. Scholz' Regierung hat aber keinen Vorschlag vorgelegt, sondern dies dem Parlament überlassen. Dort liegen seit Mitte Februar drei Varianten aus den Reihen der Ampelkoalition vor, dazu je ein Antrag der Union und der AfD. Nach einer ersten generellen Debatte vor wenigen Wochen soll der Bundestag kommenden Donnerstag erstmals über die konkreten Vorschläge debattieren.

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