Coronavirus-Pandemie:Zwei gegen das Virus

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Margarete Stokowski, Journalistin und Autorin, und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) präsentieren dessen neue Kampagne "Ich schütze mich". (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Für seine neue Corona-Kampagne hat sich Gesundheitsminister Lauterbach prominente Unterstützung gesucht: Die Autorin Stokowski erzählt von ihrem Leiden an Long Covid - und mahnt Unterstützung für Betroffene an. Ihre Kritik an Lauterbachs Politik lässt sie diesmal stecken.

Von Sarah Kohler

Dass Margarete Stokowski der Einladung in die Bundespressekonferenz gefolgt ist, ist bemerkenswert. Seit 264 Tagen nimmt sie kaum noch Termine wahr, wie sie erzählt, und zieht sich überhaupt sehr zurück. Doch genau aus diesem Grund ist die Autorin nun hier: Sie ist eine der vielen Betroffenen von Long Covid, einer Krankheit, die Menschen aus ihrem Alltagsleben reißt und sie mit einer großen Erschöpfung belegt. Um diesen Menschen eine Stimme zu geben, sitzt Stokowski nun neben dem Bundesgesundheitsminister.

Auch Karl Lauterbach möchte all denen eine Stimme geben, die in irgendeiner Weise die Folgen von Corona spüren. Deswegen ist er seinerseits hier: Weil sich das Coronavirus weiter ausbreitet und die Sieben-Tage-Inzidenz steigt, startet die Bundesregierung eine neue Werbekampagne. Sie heißt "Ich schütze mich", wie Lauterbach sagt, und 84 Menschen sollen darin ihre Geschichten erzählen. Davon, wie sie sich schützten - oder wie sie mit der Krankheit leben. "Jeder ist echt", sagt Lauterbach, es seien keine Schauspieler oder Models engagiert worden.

Es ist eine sehr persönliche Pressekonferenz zu diesem Anlass. "Es gibt zwei Dinge, die mich in der letzten Zeit bestürzt haben", erzählt der Gesundheitsminister, das sei zum einen die Gleichgültigkeit gegenüber alten Menschen, die an Corona sterben - und zum anderen seien es die Geschichten der Menschen, die mit Long Covid zu ihm kämen. Deswegen sei er sehr dankbar, dass Stokowski heute hier sei, "eine Autorin, deren Arbeit ich persönlich sehr schätze, diese Randbemerkung sei mir hier gestattet". Lachen im Publikum - denn zuletzt hat die Autorin ihn auf Twitter zumeist scharf kritisiert.

Es ist überraschend und doch auch nicht, dass die beiden im Angesicht einer neuen Infektionswelle hier gemeinsam gegen Corona kämpfen. Lauterbach war immer Mahner und Wissenschaftler, und nicht zuletzt Stokowski hatte sich von ihm als Gesundheitsminister wohl eine Wende hin zu einer effektiveren Corona-Bekämpfung gewünscht. Doch seit er im Kabinett sitzt, steht er plötzlich selbst in der Kritik, zu langsam und zu zaghaft zu handeln. Auch Stokowski sieht das wohl nicht anders, zuletzt kritisierte sie im Deutschlandfunk, dass auch Lauterbach bisher nicht genug Geld für die Forschung zu Long Covid bereitstelle. Unfreiwillig ist die Spiegel-Kolumnistin zu einer der prominentesten Aktivistinnen beim Thema Long Covid geworden - weswegen ihr Erscheinen neben Lauterbach dann doch logisch ist. Ihre explizite Kritik an seiner Politik wiederholt sie am Freitag nicht.

"Ich bin hier heute das Abschreckungsbeispiel für Long Covid", so stellt Stokowski sich vor, als Lauterbach ihr respektvoll das Wort übergibt, und sie wirkt dabei tatsächlich sehr angestrengt. "Sonst bin ich Autorin beziehungsweise ich war es vorher", sagt sie weiter, und das macht die Tragweite ihrer Krankheit deutlich. Sie sei halbwegs auf dem Weg der Besserung, sagt Stokowski, aber an manchen Tagen könne sie immer noch nur im Bett liegen. Weil sie selbst von gut informierten Menschen sehr viel Unsinn über ihre Krankheit höre, sei sie sehr froh, dass es nun diese Kampagne gebe. Denn die Versorgung der Betroffenen sei nicht gut, Sprechstundentermine bekomme man kaum, die Krankenkasse überschütte sie mit unsinniger Bürokratie. Sie habe noch Glück im Unglück bisher, sagt Stokowski, weil sie einen Arzt habe, der ihre Krankheit ernst nehme, einen Freund, der sie pflege, und - noch, wie sie betont - genug Rücklagen, um nicht zu verarmen. Doch vielen anderen gehe es nicht so.

Bei Long Covid gebe es eine große Ungerechtigkeit: Mitleid bekommen, wenn überhaupt, immer nur die Menschen, die in der Gesellschaft vorher als "nützlich" angesehen würden. Zu Lauterbach sagt Stokowski: "Sie haben ja auch gesagt: Diese Frau war gesund und erfolgreich und hatte einen tollen Job." Das möge sein, aber Hilfe müsse bei allen ankommen - egal, welchen sozialen und wirtschaftlichen Status die Menschen hätten. "Was ich mir wünsche", schließt sie, "wäre Aufklärung, ausgewogene Berichterstattung, mehr Forschung, eine bessere Unterstützung durch die Krankenkassen." Stokowski ist gut vorbereitet.

Lauterbach findet es "richtig und wichtig", dass sie auf diese Punkte hingewiesen habe. Überhaupt unterstütze er alle ihre Punkte, wolle an die Krankenkassen herantreten, die Forschung vorantreiben. Und er dürfte Stokowski dankbar dafür sein, dass sie trotz der provokanten Frage einer Journalistin die Corona-Impfung verteidigt: Ob sie enttäuscht sei, dass sie trotz dreimaliger Impfung Long Covid bekommen habe? "Klar hätte ich mir gewünscht, dass mich die Impfung davor schützt", antwortet Stokowski. "Aber ich weiß nicht, wie es mir ginge ohne Impfung, von daher würde ich trotzdem allen raten, sich impfen zu lassen."

Für die Kampagne selbst hat Lauterbach sie nicht gewinnen können: "Es ist aber auch gerade schwierig, mit mir zwei Termine innerhalb kurzer Zeit zu machen", erklärt sie, ihre Kraft gebe es nicht her. Das sind die einzigen beiden Fragen, die an sie gehen, und sie werden ausgerechnet von zwei Journalistinnen gestellt. Und so stützt Stokowski lange Zeit ihren Kopf auf ihre Faust, während sie Lauterbach dabei zuhört, wie er den Journalisten Kampagnen- und Impfstoff-Details erklärt. Als sie aufstehen, setzen beide intuitiv ihre Masken wieder auf; auch, als sie für Bilder posieren. Sie unterhalten sich kurz - ein gemeinsamer Feind verbindet.

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