Corona-Hilfen:"Finanziell kaum durchzuhalten"

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Einst die Flaniermeile von Leipzig: Eingeklappte Schirme stehen vor geschlossenen Gaststätten im Barfußgässchen. (Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Bisher versuchte der Bund, Umsatzausfälle wegen der Corona-Maßnahmen größtenteils zu kompensieren. Nun rufen Ökonomen wie der DIW-Präsident Marcel Fratzscher den Staat zur Mäßigung auf.

Von Michael Bauchmüller und Cerstin Gammelin, Berlin

Führende deutsche Ökonomen verlangen einen Kurswechsel bei den staatlichen Corona-Hilfen. Die Bundesregierung habe im November und Dezember "sehr großzügig geholfen", sagte Marcel Fratzscher, Präsident des DIW in Berlin, der Süddeutschen Zeitung. "Hilfen in diesem Ausmaß sind jedoch für mehrere Monate finanziell kaum durchzuhalten." Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, warb dafür, die Hilfen künftig weniger großzügig zu verteilen. "Kurzfristig mag es sinnvoll gewesen sein, mehr auf die administrative Einfachheit als auf Präzision zu achten", sagte Fuest der SZ. Langfristig müsse der Bund die Hilfen anders gestalten.

Bund und Länder hatten Ende Oktober vereinbart, im November ganze Branchen zu schließen, um Infektionsketten zu durchbrechen. Die direkt und indirekt betroffenen Unternehmer werden mit bis zu 75 Prozent des Umsatzes entschädigt. Die Hilfen sind für Dezember verlängert worden. Man habe nicht mitten im Rennen die Pferde wechseln wollen, heißt es dazu aus dem Finanzministerium. Dadurch allerdings sind die Kosten explodiert. Hatte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) im September noch mit 96 Milliarden Euro Neuverschuldung für 2021 gerechnet, sind es jetzt 180 Milliarden Euro.

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Der Bund macht Rekordschulden, um Wirtschaft und Gesellschaft in der Pandemie zu stützen. Aber wer zahlt das alles? Es ist höchste Zeit, dass die Politik darüber ehrlich diskutiert - und die Zivilgesellschaft einbezieht.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Allerdings werden Zweifel laut daran, dass die pauschalen Hilfen den Betroffenen gleichermaßen helfen. So profitieren besonders jene Firmen, die viele Vorleistungen einkaufen und weiterverarbeiten, wie etwa Restaurants. Ihr Umsatz ist dadurch höher. Besser sei es, den Betriebsüberschuss des Jahres 2019 zugrunde zu legen, warb Fuest. "Betriebe könnten jeden Monat ein Zwölftel davon erhalten, zuzüglich vielleicht noch der Mietkosten." Fratzscher zeigte sich besorgt, dass auch Branchen, die nur indirekt betroffen seien, Unterstützung verlangten - "und die Politik bei ihren Hilfen eine Ausgewogenheit und Fairness zeigen muss".

Debatte um Verteilung der Kosten

Die Regierung werde sich die weitere Entwicklung ansehen, sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Montag. "Ganz bewusst" habe man die November- und Dezemberhilfen als "einmalige Maßnahmen" konzipiert. Auch Kanzleramtschef Helge Braun verlangte Änderungen. "Der Umsatz kann auf Dauer nicht das zentrale Kriterium sein", sagte er dem Handelsblatt. "Bis Januar müssen wir zielgenauere Hilfen ausarbeiten."

Unklar ist jedoch die Verteilung der Kosten. Eine Reihe von Ländern lehnt es ab, sich stärker an den Hilfen des Bundes zu beteiligen. "Der jetzt fahrlässig erweckte Eindruck, die Länder würden sich an diesen Kosten nicht beteiligen, ist völlig falsch", sagte Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD). Ihre Ressortkollegin aus Schleswig-Holstein, Monika Heinold (Grüne), sagte der SZ: "Statt die Kosten auf Dritte abzuwälzen, wenn die eigene Kasse leer ist, brauchen wir eine gesamtstaatliche, ehrliche Debatte über die Bewältigung der finanziellen Folgen der Pandemie."

Weitere Ausgaben kommen auf den Bund für eine Nationale Gesundheitsreserve zu. An 19 Standorten will die Regierung Lager schaffen, die Schutzausrüstung, Masken, Beatmungsgeräte und Medikamente vorhalten.

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