Infektionsschutz:Befreit von vielen Sorgen

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Nur noch selten zu sehen: Die meisten Krankenhäuser und Pflegeheime verzichten auf weitergehende Schutzvorschriften wie Maskenpflicht. (Foto: Michael Gstettenbauer/IMAGO)

Warum Pflegeheime und Krankenhäuser keinen Anlass sehen, die Schutzmaßnahmen für den Winter in großem Stil zu verschärfen.

Von Rainer Stadler

Helmut Wallrafen, Geschäftsführer der Sozial-Holding Mönchengladbach, hat seit drei Wochen wieder den Corona-Zoom aktiviert. In Pandemie-Hochzeiten trafen sich die Verantwortlichen seiner sieben Pflegeheime dreimal pro Woche zum virtuellen Meeting, um die Lage zu besprechen und die nötigen Maßnahmen. Diese Frequenz ist derzeit nicht nötig. Aber als der Herbst begann und damit auch die Virensaison, wollte Wallrafen doch nicht ganz auf das krisenbewährte Instrument verzichten. Auch anderswo, etwa in Einrichtungen der Evangelischen Heimstiftung, haben Corona-Teams wieder ihre Arbeit aufgenommen. Sie prüfen den Impfstatus von Bewohnern und die Vorräte an FFP2-Masken, Schnelltests und Desinfektionsmittel.

Er habe sich nie Illusionen gemacht, sagt Wallrafen, natürlich würde das Coronavirus zurückkehren. Viele Urlauber hatten es bereits aus dem Sommerurlaub mitgebracht, aus Mallorca etwa, wo "el bicho", das Viech, im August umging. Auch in den Einrichtungen der Sozial-Holding waren schon Menschen infiziert, vier Bewohner, zwei Beschäftigte. "Harmlose Verläufe", sagt Wallrafen. Damit das so bleibt, geht jetzt einmal pro Woche ein Arzt durch die Einrichtungen und impft alle, die das wünschen. An den Eingängen der Heime sollen Besucherinnen und Besucher wieder aufgefordert werden, sich die Hände zu waschen und Maske zu tragen. Wer Unwohlsein verspürt, kann die Temperatur messen lassen.

Noch immer geht es um den Schutz der vulnerabelsten Gruppe der Gesellschaft

Es geht auch in diesem Herbst und Winter um den Schutz der vulnerabelsten Gruppe der Gesellschaft, der Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen. Die Einrichtungen erwiesen sich als die Hotspots schlechthin für verheerende Ausbrüche. Studien zufolge waren die Hälfte der Deutschen, die in den ersten beiden Pandemiejahren an Corona starben, Bewohner von Pflegeheimen. Im Wolfsburger Hanns-Lilje-Heim etwa fielen im Frühjahr 2020 binnen weniger Tage fast 50 alte Menschen dem Virus zum Opfer. Und auch die Überlebenden litten: Das Haus wurde von der Außenwelt abgeschottet, Bewohner erhielten wochenlang keinen Besuch. Überall in Deutschland machten Heimbewohner ähnlich traumatische Erfahrungen.

Die Impfung hat die Lage zwar grundsätzlich verändert, das Virus stellt für die meisten Deutschen keine tödliche Bedrohung mehr dar. Doch die Furcht ist geblieben, dass eine neue Mutation wiederum die Schwächsten der Gesellschaft am schlimmsten treffen könnte. Experten halten es für möglich, dass zumindest die Maskenpflicht in Heimen zurückkehrt. Eugen Brysch, Vorsitzender der Stiftung Patientenschutz, schlug kürzlich Alarm, die bisherigen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zum Schutz vor Corona in Kliniken und Heimen seien unzureichend. Sind die Warnungen berechtigt?

Richtig ist, dass weder das RKI noch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Vorschriften zum Schutz der Einrichtungen erlassen haben. Dafür fehlt auch der Rechtsrahmen. Die letzten Corona-Beschränkungen, zu denen die Maskenpflicht für Besucher von Pflegeheimen und Krankenhäusern zählten, liefen im Frühjahr aus. Bleiben vorerst nur Appelle, sich freiwillig zu schützen, durch Maske und Impfungen.

Große Sorgen bereitet das Virus auch den Krankenhäusern bisher nicht. Die Belegungszahl mit positiv getesteten Patientinnen und Patienten steige "nur im äußerst geringen Maße", teilt Gerald Gaß mit, Vorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft. "Infektionen verlaufen offenbar so, dass nur in den seltensten Fällen stationäre Behandlung nötig ist." Sollte sich das Geschehen ändern, könnten die Krankenhäuser strengere Schutzmaßnahmen verhängen: Maskenpflicht, Besuchsbeschränkungen und auch Besuchsverbote. Aktuell sieht Gaß aber keinen Hinweis, "dass solche Maßnahmen flächendeckend notwendig wären".

In den Pflegeheimen gab es bereits größere Ausbrüche. 36 Menschen infizierten sich Mitte August im Erlanger Roncallistift. Ende September meldete das Altenzentrum Sankt Elisabeth in der pfälzischen Kleinstadt Germersheim zehn Corona-Fälle. Der Ausbruch sei nur zufällig bemerkt worden, weil sich einer der Infizierten freiwillig getestet habe. Die Verläufe waren allesamt milde. Bei der Caritas, dem Träger der beiden betroffenen Einrichtungen, zieht man den Schluss, dass die Impfung und Grundimmunisierung die alten Menschen wohl vor schwerer Krankheit bewahren. Natürlich bleibt die Unsicherheit, ob das Virus nicht doch wieder mutiert und seine Eigenschaften verändert.

Heime befürchten im Winter massive Personalausfälle

Anders als in den ersten beiden Jahren der Pandemie seien die Einrichtungen nun aber ausreichend mit Masken versorgt, das Bundesgesundheitsministerium habe zum Ende der pandemischen Lage seinen Vorrat kostenlos zur Verfügung gestellt. Wenn er doch welche nachkaufen müsse, sagt Sozial-Holding-Geschäftsführer Wallrafen, koste ihn das zwölf Cent pro Stück. Er hat die Zeit nicht vergessen, als der Preis bei zwölf Euro lag. Auch Selbsttests seien günstig, kosteten kaum mehr als 40 Cent.

Wie schon im vorigen Winter drohen allerdings Engpässe beim Personal. Die Caritas hat infizierte Pflegekräfte angewiesen, drei bis fünf Tage zu Hause zu bleiben, "bis zur deutlichen Besserung der Symptomatik". Und zwar unabhängig davon, ob sie sich mit Corona oder einem anderen Virus angesteckt haben. Wenn es infolge von Infektionen zu massiven Ausfällen komme, erklärt die Caritas, einer der größten Heimbetreiber in Deutschland, werde das die Einrichtungen "in Anbetracht der ohnedies schon äußerst dünnen Personaldecke" sicher wieder vor Probleme stellen.

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