Klima- und Umweltorganisationen reagierten an diesem Samstag in Dubai empört wie selten. Von einer Nebelkerze, einer glänzenden Fassade, die die Verantwortung der größten Verschmutzer verschleiere, sprach Kaisa Kosonen, Chefin der Greenpeace-Delegation. Kerstin Opfer von Germanwatch nannte es "Greenwashing in Reinform" und selbst Verhandler aus einigen Länder-Delegationen rollten Augen und schüttelten Köpfe. Was war passiert?
Mittags verschickte die Präsidentschaft der Konferenz aus den Vereinigten Arabischen Emiraten eine Mitteilung, wonach sie sich mit Saudi-Arabien auf eine Charta zur Dekarbonisierung von Öl und Gas und Beschleunigung des Klimaschutzes in dem Bereich geeinigt habe. 50 Erdölkonzerne unterzeichneten demnach die Erklärung und würden historische erste Schritte machen, hieß es. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppten sich die Schritte als klein. Für viele zu klein.
"Als würde ein Zigarettenhersteller behaupten, er sei nicht für die Auswirkungen seines Produkts verantwortlich"
Denn die 50 Unternehmen, darunter die Staatskonzerne Adnoc (Emirate), Saudi Aramco (Saudi-Arabien) sowie BP, ENI, Exxonmobil oder Shell, wollen zwar ihre Kohlendioxid (CO₂)-Emissionen bis 2050 "ungefähr" auf Null bringen. Aber lediglich die Emissionen, die bei der Förderung entstehen, bis zu dem Zeitpunkt, wenn die Unternehmen das Öl und Gas verkaufen. Das Problem: Etwa 80 bis 90 Prozent der CO₂-Emissionen bei Öl und Gas entstehen bei ihrer Nutzung, also ihrer Verbrennung. Es sei so, "als würde ein Zigarettenhersteller behaupten, er sei nicht für die Auswirkungen seines Produkts verantwortlich, sobald es die Fabrik verlässt", schimpfte Melanie Robinson vom World Resources Institute.
Die Charta der Öl- und Gasfirmen dürfte Auftakt gewesen sein für eine harte Auseinandersetzung in den Hallen der Expo City am Rande von Dubai. Soll am Ende in der Abschlusserklärung eine Formulierung stehen, die den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen enthält? Hier trennen die 197 Länder, von denen alle zustimmen müssten, bislang Welten.
Freitag und Samstag standen die Auftritte der mehr als 160 Staats- und Regierungschefs auf dem Programm, jeder hatte drei Minuten Sprechzeit. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nutzte das für eine Rede, die im Ton niemanden mitriss. Und die in der Sache Altbekanntes vortrug. Bis er von seinem zuvor verschickten Manuskript abwich und sagte: "Wir müssen jetzt alle die feste Entschlossenheit an den Tag legen, aus den fossilen Energieträgern auszusteigen - zuallererst aus der Kohle."
"Die Massenvernichtungswaffen von heute sind steigende Temperaturen, Dürren und Meeresspiegelanstieg"
Scholz stellte sich damit öffentlich auf die Seite derer, die in Dubai am weitesten gehen wollen. Vor allem die Europäische Union, Länder aus Afrika oder Südamerika unterstützen das. Und natürlich die Gruppe der Inselstaaten. Am deutlichsten wurde dabei Gaston Browne, Premierminister des karibischen Inselstaats Antigua und Barbuda: "Die Massenvernichtungswaffen von heute sind keine Bomben, sondern steigende Temperaturen, sengende Dürren und stetiger Meeresspiegelanstieg - alles Konsequenzen von Gier und Gleichgültigkeit."
Großen Zulauf haben die auch von der Bundesregierung angestoßenen Forderungen, die Energieeffizienz zu verdoppeln und die erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen - von heute etwa 3400 Gigawatt installierter Leistung auf dann 11 000 Gigawatt. Bereits mehr als 120 Länder vereinen sich hinter dem Ausbauziel und auch der Präsident der Konferenz, Sultan Ahmed Al Jaber stellte sich dahinter und forderte eine Zustimmung aller Länder bis zum Ende der Tagung am 12. Dezember.
Im Gegensatz zu Scholz äußerte sich Kamala Harris, Vizepräsidenten der USA, nicht zum Hauptthema der Konferenz. Stattdessen warnte sie, es werde ein Kampf, künftige Klimaschutzmaßnahmen durchzusetzen. "Überall auf der Welt wollen Leute die Fortschritte verlangsamen oder stoppen", erklärte Harris, sie seien Leugner der Wissenschaft und verbreiteten Desinformation. Es dürfte auch ein Hinweis darauf sein, dass die USA nach einer möglichen Wahl des Republikaners Donald Trump wieder aus dem gesamten UN-Klimaabkommen aussteigen könnte.
Unterdessen kündigte der US-Klimabeauftragte John Kerry an, dass die USA einer Staaten-Allianz zum Kohleausstieg beitreten würden. Zudem wollen Amerikaner und Chinesen nun auch das Methan-Problem angehen. Der Stoff ist ein wesentlich wirksameres Treibhausgas als Kohlendioxid, löst sich aber nach wenigen Jahrzehnten auf. Berechnungen zufolge könnte ein Zurückdrängen von Methan den akuten Temperaturanstieg erheblich bremsen.
Methan entweicht vor allem aus Löchern in Erdgas-Pipelines oder beim Abfackeln an Produktionsstätten. "Solange wir noch auf Gas angewiesen sind, müssen wir es so klimafreundlich wie möglich erzeugen und transportieren", erklärte Kanzler Scholz, "Methanemissionen der Energiewirtschaft können wir einfach und günstig reduzieren." Er warb deshalb für eine globale Koalition, die Emissionen bis 2030 um mindestens 30 Prozent zu reduzieren.
In diesem Punkt erhielt sogar die Erklärung der Emirate und Saudis zusammen mit den 50 Öl- und Gasunternehmen breites Lob. Denn die Unterzeichner wollen das Abfackeln von Gas bis 2030 ganz beenden und bei Methan-Emissionen auf "Nahe-Null" kommen. Es gibt aber nicht wenige in Dubai, die am liebsten ihr ganzes Geschäftsmodell abschaffen wollen.