Am Freitag legt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ("Die Fünf Weisen") sein Gutachten über eine Steuer auf CO₂ vor. Die Bundesregierung hatte das Gremium darum gebeten; die Debatte indes läuft schon. Vor wenigen Tagen legten drei Organisationen im Auftrag von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) ihre Berechnungen vor: das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das DGB-nahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sowie das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Das FÖS-Gutachten für Schulze hat die Ökonomin Swantje Fiedler mit zwei Kollegen erstellt.
SZ: Frau Fiedler, Sie haben die Wirkung einer CO₂-Steuer untersucht, aber nicht gesagt, ob Sie eine solche Steuer für sinnvoll halten. Ist sie das?
Swantje Fiedler: Auf jeden Fall. Sie ist dringend nötig. Der Preis eines Gutes muss die schädliche Wirkung fürs Klima klar machen und abbilden. Solange die Preise nicht die ökologische Wahrheit sagen, hat ja niemand einen Anreiz, sich klimafreundlich zu verhalten. Und Derjenige, der sich umweltfreundlich verhält, wird finanziell dafür bestraft.
Nun schätzen Sie, durch die Steuer werde die CO₂-Einsparung im Jahr 2030 zwischen 19 und 74 Millionen Tonnen betragen. Das ist nun wirklich sehr grob. Wäre die Steuer also ein Schuss ins Blaue?
Wir können nicht genau sagen, wie schnell die Leute darauf reagieren, dass Heizöl oder Diesel teurer wird. Daraus ergibt sich die große Spanne. Sie brauchen ja Zeit. Man kann zwar kurzfristig sein Verhalten ändern. Damit spart man aber noch relativ wenig CO₂ ein. Aber bis jemand ein Elektroauto gekauft oder die Heizung modernisiert hat, vergeht einige Zeit. Damit spart er oder sie dann größere Mengen ein.
Hat nicht die "Ökosteuer" gezeigt, dass Preiserhöhungen bei Benzin überhaupt keinen Rückgang der Nachfrage bewirken? Die Leute schimpfen, aber tanken.
Das Problem bei der Ökosteuer war: Sie richtete sich nicht danach, wie viel CO₂ mit jedem getankten Liter und gefahrenen Kilometer ausgestoßen wird. Sondern es wurde einfach die Mineralölsteuer von 1999 bis 2003 jedes Jahr um jeweils sechs Pfennig erhöht. Die CO₂-Steuer hingegen bemisst sich danach, wieviel dieses Klimagases ein Heiz- oder Kraftstoff freisetzt. Und mit der Erhöhung ist nicht schon nach fünf Jahren Schluss, sondern wir wollen einen Preispfad für zehn Jahre schaffen.
Was ist das?
Wir schlagen vor, im nächsten Jahr mit einer Steuer von 35 Euro pro Tonne CO₂ zu beginnen und sie bis 2030 jedes Jahr um 14,50 Euro zu erhöhen. Das würde bedeuten, dass wir 2030 eine Steuer von 180 Euro pro Tonne CO₂ haben.
Nehmen wir mal einen Flug von München nach Paris. Hin und zurück setzt man damit 260 Kilogramm frei. Bei einem Steuersatz von 180 Euro pro Tonne wären damit knapp 45 Euro fällig. Das wird doch jeder zahlen, wenn auch motzend. Aber auf den Flug verzichten wird kaum einer.
Kommt drauf an. Ich glaube, dass in vielen Fällen auch ein Betrag von 45 Euro den Unterschied machen kann. Gerade, wenn man den neuen Flugpreis dann mit dem Preis bei der Bahn vergleicht. Und abgesehen von diesem Fall: Es gibt viele Beispiele, in denen Haushalte und Unternehmen sehr genau schauen, was die wirtschaftliche Alternative wäre und wann sich eine Einsparung rechnet. Natürlich hängt eine Verhaltensänderung nicht nur vom Preis ab. Aber solange Preise verzerrte Signale senden, solange klimaschädliches Verhalten so billig bleibt, ist es sehr schwierig, eine Änderung des Verhaltens zu bewirken.
Falls Ihre optimistischste Annahme eintrifft und Ihre Steuer 2030 zu 74 Millionen Tonnen weniger CO₂ führt - bei einem Gesamtausstoß in Deutschland von gut 900 Millionen Tonnen pro Jahr wären auch das nicht einmal zehn Prozent.
Aber auch mit zehn Prozent wäre sehr viel gewonnen. Zudem zielen wir mit unseren Vorschlägen für CO₂-Preise nur auf Wärme und Verkehr. Industrie, Strom und Landwirtschaft haben wir nicht mit einbezogen. Und beim Verkehr haben wir ohne Flug- und Schiffverkehr gerechnet.
Ach so, die Leute dürfen bei Ihnen sowieso weiter unbekümmert von München nach Paris fliegen? Und die Bauern und die Zementhersteller sollen auch einfach weitermachen dürfen?
Wir wollen niemandem ein bestimmtes Verhalten vorschreiben. Es muss nur gewährleistet sein, dass die Verursacher für die negativen Klimawirkungen bezahlen. Außerdem müssen andere Instrumente zur CO₂-Steuer hinzukommen.
Es soll also bitte keiner annehmen, mit dieser Steuer sei das Klimaproblem gelöst.
Richtig. Das betonen wir immer wieder. Der CO₂-Preis ist notwendig, aber nicht hinreichend. Nur zusammen mit anderen Instrumenten wirkt er. Zum Beispiel muss die Politik Grenzwerte setzen, die dann auch einzuhalten sind. Sie sollte aufhören, Ölheizungen finanziell zu fördern. Sie sollte den öffentlichen Personennahverkehr, also Bus und Bahn, dringend ausbauen. Dann wird's effektiv.
Nun sind Steuer-Erhöhungen oder gar neue Steuern extrem unpopulär. Wie wollen Sie den Widerstand überwinden?
Indem die Einnahmen an die Bürger zurückfließen.
Nach welcher Methode?
Wir haben zwei Varianten untersucht: Die eine nennt sich "Klimaprämie". Hier würde der Staat das gesamte Steueraufkommen den Bürgern zurückzahlen, und zwar pauschal, pro Kopf. Anfangs, bei einem Steuersatz von 35 Euro pro Tonne CO₂, empfehlen wir eine Erstattung von 96 Euro pro Kopf und Jahr. Unabhängig davon, wie viel jemand verbraucht. Mit der Folge, dass unterm Strich all diejenigen davon profitieren, die weniger verbrauchen als der Durchschnitt. Weil sie dieselbe Erstattung bekommen wie alle, aber im Verbrauch sparsamer sind.
Was wäre die zweite Variante?
Die bestünde darin, im Gegenzug zur CO₂-Steuer die Stromsteuer oder die Umlage zum Ausbau der Erneuerbaren Energien zu senken, die alle Verbraucher zahlen.
Die zahlt aber der Energieversorger, er wälzt sie nur auf seine Kunden ab.
Richtig.
Dann müssen Sie darauf vertrauen, dass er auch die Entlastung weitergibt.
Der Wettbewerb auf dem Strommarkt ist mittlerweile derart intensiv, dass Sie dies getrost unterstellen dürfen.