Südostasien:Schikanen im Südchinesischen Meer

Lesezeit: 3 min

Gekommen, um zu bleiben: Das Wrack des philippinischen Kriegsschiffs "Sierra Madre" sitzt auf einem Riff - auch als Signal an Peking. (Foto: Bullit Marquez/AP)

China drängt philippinische Fischer mit schwimmenden Barrieren vom Fanggebiet am Scarborough Shoal ab - und warnt die Philippinen davor, "Ärger zu machen". Lässt der kleine Nachbar sich einschüchtern?

Von Arne Perras

Von allen militärischen Außenposten, die Staaten in die Welt setzen, ist der rostige Rumpf der Sierra Madre einer der bizarrsten. Ein sorgfältig platziertes Schiffswrack, inmitten des Südchinesischen Meeres. Manche mögen sich lustig darüber machen, dass ein Haufen Schrott als Symbol für den ganzen Stolz einer Nation dient. Aber die Philippiner machen darüber keine Witze. Viel zu ernst ist die Lage, dort draußen auf See.

Das marode Kriegsschiff haben die philippinischen Streitkräfte schon vor 24 Jahren auf das Riff mit dem Namen Second Thomas Shoal geschleppt. Eine kleine Zahl Soldaten halten dort Wache, umtost von Wasser, Wind und manchmal Sturm. Die Sierra Madre ist gewissermaßen ein Leuchtturm philippinischer Resilienz. Das Schiff steht für eine Botschaft: Manila lässt sich nicht unterkriegen von der chinesischen Übermacht.

Neben Vietnam sind es vor allem die Philippinen, die angesichts der ausgreifenden territorialen Ansprüche Pekings am meisten zu verlieren haben. Die neueste Schikane aus dem Werkzeugkasten chinesischer Einschüchterungspolitik: schwimmende Barrieren, die offenbar dazu dienen, philippinische Fischerboote von einem umstrittenen Seegebiet, dem Scarborough Shoal, fernzuhalten.

Der Vorfall setzt eine Serie von Konfrontationen fort

Der Streit verschärft die Spannungen zwischen Manila und Peking deutlich; wie er beizulegen wäre, ohne Gesichtsverlust des einen oder anderen, weiß niemand.

Manila jedenfalls will nicht zurückstecken: Auf Anordnung von Präsident Ferdinand Marcos Jr haben philippinische Taucher die ausgebrachte Bojenkette inzwischen gekappt, weil sie die eigenen Fischer behindere und gefährde. Dazu erklärte Jay Tarriela von der philippinischen Küstenwache, man werde alles tun, um eine Präsenz in dem Seegebiet aufrecht zu erhalten. "Wir haben der ganzen Welt gezeigt, dass das philippinische Volk nicht einknickt", zitierte ihn die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag.

Wenn ein Taucher der philippinischen Küstenwache eine Leine mit chinesischen Bojen daran kappt, dann ist das keine Kleinigkeit. (Foto: AP/AP)

Nun wächst in der Region die Nervosität, wie China reagiert. Am Montag hatte der Sprecher des Außenministeriums erklärt, dass Huangyan Dao - so nennt China das Riff - "schon immer Chinas Territorium gewesen ist". Die Küstenwache habe "professionell und zurückhaltend" agiert, als sie philippinische Fischer daran hinderte, das Riff zu erreichen. Doch am Dienstag schob Peking eine deutliche Warnung hinterher: Die Philippinen sollten aufhören, "Ärger zu machen und zu provozieren".

Der jüngste Vorfall verlängert eine ganze Serie von Konfrontationen, die das Verhältnis zwischen China und den Philippinen seit Jahren belasten. Präsident Marcos gibt nun den Entschlossenen. Eine neuere Umfrage legt nahe, dass er dafür breiten Rückhalt hat. Dreiviertel der Befragten sagten in diesem Sommer, sie wollten, dass ihr Land seine militärischen Fähigkeiten ausbaut. Und mehr als 80 Prozent sind dafür, dass Manila Allianzen mit gleichgesinnten Staaten eingeht, um seine Meeresgebiete zu schützen. Die Mehrheit der Philippiner will also nicht kuschen vor Peking, das mit seinen ausgreifenden maritimen Ansprüchen eine chronische Krise im Südchinesischen Meer ausgelöst hat.

Die betroffenen Staaten finden keine gemeinsame Haltung

Marcos ist also bemüht, standfest zu wirken, während sein wankelmütiger Vorgänger Rodrigo Duterte sich nie so recht entscheiden konnte, wieviel Nähe zu Peking er als angemessen betrachtete. Marcos hat das historische Bündnis und den Verteidigungspakt mit den USA bekräftigt, kämpft aber auch mit dem Problem, dass die Asean-Staaten keine gemeinsame Haltung finden, um China die Stirn zu bieten. Die Lage ist vertrackt: Taiwan, Vietnam, Brunei, Malaysia, sie alle rivalisieren mit Peking um Seegebiete. Teils haben sie auch untereinander überlappende Ansprüche.

Zugleich vertritt Peking Maximalansprüche. China beruft sich dabei auf angebliche "historische Rechte" und reklamiert nahezu das gesamte Südchinesische Meer für sich. Um das Scarborough Shoal, das traditionell von Fischern mehrerer Länder genutzt wird, gab es schon früher heftige Auseinandersetzungen. Nach einer Konfrontation mit Manila 2012 besetzte China das Gebiet, aber die Philippinen haben ihren Anspruch nie aufgegeben.

Die Philippinen riefen daraufhin den Schiedshof in Den Haag an, um prüfen zu lassen, inwieweit Chinas Forderungen mit internationalem Recht vereinbar sind. Die juristische Prüfung ergab, dass Chinas historisch begründeten Ansprüche haltlos seien, allerdings hat Peking die Zuständigkeit des Schiedshofs nie anerkannt.

Internationales Recht scheint China nicht zu interessieren

Das Wrack der Sierra Madre zum Beispiel betrachtet China als Dauerprovokation und fordert, dass es entfernt werden müsse. Dass das Second Thomas Shoal eindeutig in der sogenannten Exclusive Economic Zone (EEZ) der Philippinen liegt - was diesem Staat laut internationalen Recht die exklusive Nutzung zusichert - scheint China nicht weiter zu interessieren.

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Als philippinische Boote im August versuchten, den Soldaten auf dem Wrack Nachschub zu liefern, sollen chinesische Schiffe mit Wasserwerfern das Entladen verhindert haben - so stellte Manila es dar. Zwei Wochen später ließ Peking die Versorgung des Postens dann offenbar doch zu, "aus humanitären Gründen", wie es in Peking hieß. Das klang gönnerhaft, machte aber klar, dass China das Riff weiterhin beansprucht - Sierra Madre hin oder her.

Den rostigen Kahn abschleppen? Marcos versicherte, das sei keine Option. Die Philippinen hatten das Schiff 1999 absichtlich auf dem Riff auf Grund gesetzt, um Manilas Souveränitätsanspruch zu festigen. Die Sierra Madre gehörte lange der US-Marine, war schon im Zweiten Weltkrieg und im Vietnamkrieg im Einsatz, Manila erwarb sie 1976. Würde das frühere Kriegsschiff zerlegt oder fortgeschleppt, käme das einer Kapitulation der Philippinen gleich. Stattdessen soll das Wrack renoviert und ausgebaut werden, damit die Soldaten es an Bord besser aushalten können. Und auch das ist ein Signal an Peking: Die Sierra Madre sitzt im Riff, um zu bleiben.

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