Parteitag in China:Wie mächtig ist Xi Jinping?

Lesezeit: 3 min

Viel Macht für einen Mann: Während des Nationalfeiertages fährt ein riesiges Porträt von Staatspräsident Xi Jinping durch die Menge in Peking. (Foto: Li Yibo /Imago)

Nach fünf Jahren wählt die Kommunistische Partei Chinas wieder ihre Führungsriege. Die Nummer eins steht schon fest - doch entscheidend ist, wen der Staatschef um sich schart. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Parteitag in Peking.

Von Florian Müller, München

Eigentlich steht das Ergebnis längst fest, wenn die Delegierten aus ganz China am Sonntag in Peking zusammenkommen, um die neue Führungsspitze der Kommunistischen Partei (KP) zu bestimmen. Sollte Staats- und Parteiführer Xi Jinping nicht seine dritte Amtszeit bekommen, wäre das mehr als eine Überraschung. Beobachter blicken dennoch gespannt auf das Spektakel, das sich in der Großen Halle des Volkes abspielen wird. Sie hoffen auf Blicke hinter die Kulissen des undurchsichtigen Machtapparats und Hinweise auf die politischen Prioritäten der kommenden Jahre in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was passiert auf dem Parteitag?

Der Parteitag ist theoretisch das wichtigste Entscheidungsorgan der KP, de facto die Krönungsmesse der neuen Führungsriege der Partei. Er tritt alle fünf Jahre zusammen. Und da in China die Partei, und nicht die Regierung, alle politischen Entscheidungen trifft, werden hier die neuen Anführer des Staates vorgestellt.

Nach außen hin läuft alles streng demokratisch ab: Die rund 2300 Delegierten vertreten die mehr als 90 Millionen Parteimitglieder. Sie sollen alle Regionen, Ethnien und Parteihierarchien repräsentieren. Sie bestimmen hier über die etwa 200 Mitglieder und 170 Ersatzkandidaten des Zentralkomitees. Außerdem diskutieren sie über die Parteipolitik der vergangenen Jahre und stimmen über Änderungen der Parteiverfassung ab. Das neue Zentralkomitee bestimmt nach dem Ende des Parteitags, der rund eine Woche dauert, wiederum die 25 Mitglieder des Politbüros, die (derzeit sieben) Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros und den Parteichef, also die zentralen Machthaber im Land.

Von einer echten Wahl kann nach Einschätzung von Experten allerdings keine Rede sein: Die Delegierten und Kandidaten wurden von Xi und seinen Mitarbeitern vorab ausgewählt, die neuen Posten hinter den Kulissen bereits verabredet. Die Delegierten werden sie nur noch abnicken und dem ganzen einen offiziellen Rahmen geben.

Was steht auf dem Spiel?

Ausländische Regierungen und Finanzmärkte wollen einschätzen, wie viel Rückhalt Xi innerhalb der Partei hat. Gründe für Unzufriedenheit gäbe es viele: Das Land kämpft mit einer Wirtschaftskrise, die durch die strikte Null-Covid-Politik verschlimmert wurde. Außenpolitisch hat sich Xi durch seine aggressive Wolfskrieger-Diplomatie und die Rückendeckung für Russlands Angriffskrieg in der Ukraine unbeliebt gemacht. Gleichzeitig hat Xi auf dem Weg zur dritten Amtszeit mit vielen Tabus gebrochen, die die Partei nach dem Tod des Staatsgründers Mao Zedong eingeführt hatte, um Eskapaden wie den Großen Sprung oder die Kulturrevolution, die großes Leid über das Land brachten, zu verhindern.

Sollte Xi vor diesem Hintergrund vor allem loyale Gefährten in Spitzenämter hieven, wäre dies ein schlechtes Zeichen für die westliche Welt, da es zeigt, dass Xi schalten und walten kann, wie er will. Sollten allerdings viele Technokraten gemäß der Konventionen aufsteigen, wäre dies ein positives Zeichen, da die Machtfülle Xis dann - augenscheinlich zumindest - begrenzt wäre. Als gesichert gilt aber, dass die Nummer zwei in der Hierarchie, der als wirtschaftsfreundlich geltende Li Keqiang, ins hintere Glied treten wird.

Ein eher symbolisches Zeichen von Xis Macht wird sein, ob er neue Titel wie "Vorsitzender", "Steuermann" oder "Führer des Volkes" bekommt, die ihn auf eine Ebene mit Staatsgründer Mao stellen.

Welche Regeln gibt es für die Postenverteilung?

Festgeschriebene Regeln gibt es kaum, eher Gepflogenheiten, die sich in den vergangenen Jahrzehnten herauskristallisiert haben. So sind Xis Vorgänger Jiang Zemin und Hu Jintao nach jeweils zwei Amtszeiten als Generalsekretär zurückgetreten. Danach sieht es bei Xi nicht aus: Er hat in den vergangenen Jahren keinen klaren Nachfolger aufgebaut und die Zeitbegrenzung für das Amt des Präsidenten, der formal erst beim Volkskongress kommenden März bestimmt wird, aufgehoben.

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Daneben gibt es noch eine Altersgrenze: In der Regel gehen Politbüro-Mitglieder ab 68 Jahren beim Parteitag in den Ruhestand. Diese Grenze würde der 69-jährige Xi reißen, das war aber auch teilweise bei seinen Vorgängern so. Die Frage ist, ob seine Verbündeten im Politbüro, von denen einige älter sind, auf ihren Posten bleiben dürfen - oder ob er die Hürde sogar absenkt, um mehr Mitglieder auszutauschen und aufstrebende Kader zu befördern. Schließlich werden Parteimitglieder in der Regel schrittweise befördert. Sie müssen bestimmte Posten von der Lokalverwaltung bis zum Parteichef einer wichtigen Provinz absolvieren, bevor sie in höchste Ämter kommen. Überspringen Kader einige dieser Stufen, deutet das auf besondere Nähe zu Xi hin.

Kaum eine Rolle mehr spielt Beobachtern zufolge die Zugehörigkeit zu bestimmten Seilschaften wie der Shanghai-Clique von Jiang Zemin oder der Jugendliga-Fraktion von Hu Jintao. Xi geht im Zuge seiner Antikorruptionskampagne hart gegen solche Patronagen vor. Erst kürzlich wurden der ehemals mächtige Vize-Polizeiminister Sun Lijun sowie der frühere Justizminister Fu Zhenghua wegen Vorwürfen der Cliquenbildung und "Illoyalität" gegenüber Xi zum Tode verurteilt.

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