Überwachung:Wie eine Polizei-App Touristen in China ausspäht

Chinaapp

China überwacht per App ausländische Touristen.

(Foto: Stefan Dimitrov)
  • Peking forscht Touristen aus, die über Land in die Provinz Xinjiang einreisen.
  • Eine App durchsucht die Smartphones der Reisenden und überträgt die Inhalte an die Grenzpolizei.
  • Journalisten von SZ, NDR und verschiedenen ausländischen Medien sowie IT-Experten ist es gelungen, die Software zu entschlüsseln.

Von K. Brunner, L. Deuber, F. Ebert, F. Obermaier, N. Richter und V. Wormer

Die chinesische Regierung forscht ausländische Touristen mit einer Überwachungsapp aus, die bei der Einreise auf dem Handy installiert wird. Die App greift auf etliche Informationen auf dem Smartphone zu, darunter auf Kontakte, Kalender, SMS, Standort oder Anruflisten und überträgt diese an einen Computer der Grenzpolizei.

Außerdem sucht die App auf dem Handy nach Dateien, die aus Sicht der chinesischen Regierung verdächtig sind - dazu gehören Pamphlete von Islamisten, aber auch harmlose religiöse Inhalte sowie Dateien mit Bezügen zu Taiwan oder Tibet. Betroffen sind Reisende, die im Westen über den Landweg in die chinesischen Provinz Xinjiang einreisen.

Die Süddeutsche Zeitung hat die App namens "Fengcai" ("Sammelnde Honigbienen") von einem Touristen erhalten und gemeinsam mit dem NDR, dem Guardian, der New York Times sowie der Fachpublikation Vice Motherboard ausgewertet. Mit Hilfe von IT-Experten der Ruhr-Universität Bochum ist es daraufhin zum ersten Mal gelungen, eine chinesische Überwachungssoftware zu entschlüsseln, die auch auf Ausländer abzielt. Die Ergebnisse der Recherche wurden durch den Opentech Fund, ein staatlich finanziertes US-Forschungsprogramm, und das Citizen Lab, ein Institut der Universität Toronto, überprüft und ergänzt.

Warnung vor möglichen Islamisten-Dateien

Eine bemerkenswerte Eigenschaft der App ist eine integrierte Liste von 73 315 Dateien, die sich unter anderem im Internet finden lassen. Die App sucht nach diesen Dateien auf den Telefonen der Touristen. Hat ein Reisender eine solche Datei einmal auf dem Smartphone gespeichert, gibt die App einen Warnton ab, um die Grenzpolizisten zu warnen. Die Dateien, die aus Sicht der chinesischen Regierung Alarm auslösen, haben überwiegend mit islamistischem Terrorismus zu tun, zum Beispiel mit der Organisation "Islamischer Staat".

Es befinden sich aber etliche Inhalte darunter, die jedenfalls aus europäischer Sicht unverfänglich sind. Zum Beispiel Koransuren, wie sie Muslime auf ihren Telefonen speichern, ferner Texte über Taiwan, Tibet oder den Dalai Lama. Schließlich finden sich in der Liste auch skurrile Einträge wie etwa ein Song der japanischen Metal-Band "Unholy Grave".

Die App wird auf die Handys von Touristen und Geschäftsleuten aufgespielt, die von Kirgisistan kommend in die westliche chinesische Provinz Xinjiang einreisen. Die Bewohner Xinjiangs sind überwiegend muslimisch und werden von der chinesischen Regierung seit Jahren streng überwacht. Es ist bekannt, dass die Bewohner Überwachungsapps auf ihren Telefonen hinnehmen müssen.

Neu ist allerdings, dass anscheinend auch sämtliche Ausländer, die über den Landweg einreisen, zum Ziel der Smartphone-Durchsuchung werden. Touristen werden am Grenzübergang gebeten, ihr Handy zu entsperren. Die Beamten nehmen die Geräte dann mit in einen separaten Raum, in dem sie die App aufspielen. Die Reisenden werden darüber nicht ausdrücklich aufgeklärt.

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