Bündnispartner:Zwischen Beschluss und Wirklichkeit

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Die CDU sucht einen Ausweg aus ihrem Dilemma: Per Beschluss der Bundespartei will sie weder mit AfD noch Linken zusammenarbeiten. Die Haltung viele Parlamentarier sieht aber anders aus. (Foto: dpa)
  • Die Beschlusslage der Bundes-CDU ist klar: keine Zusammenarbeit mit AfD oder der Linken.
  • Die politische Realität in den ostdeutschen Bundesländern aber steht dem nicht nur wegen der Haltung Einzelner, sondern längst auch im parlamentarischen Alltag entgegen.
  • Nirgendwo ließ sich die Folgenschwere dieses Dilemmas so eindrucksvoll beobachten wie in Thüringen, wo Mike Mohring nach der Landtagswahl verhaltene Signale der Annäherung in Richtung Ramelows sendete, nur um von der Bundespartei zurückgepfiffen zu werden.

Von Ulrike Nimz

Am Tag der Ministerpräsidentenwahl lief vor dem Erfurter Landtag ein Mann auf und ab und brüllte seine Botschaft jedem entgegen, der den Weg kreuzte: "Stasi raus aus diesem Haus - Ramelow muss weg!" Wirkte das an jenem Morgen noch wie die Einzelmeinung eines Verirrten, ist inzwischen davon auszugehen, dass sich große Teile der Thüringer CDU-Fraktion von ganz ähnlichen Gefühlen leiten ließen, als sie in Kauf nahmen, dass der Kandidat einer Fünf-Prozent-Partei mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gekürt wurde.

Der Erfurter Eklat offenbart eine Haltung, die auch in anderen ostdeutschen CDU-Landesverbänden auszumachen ist: Viele Parlamentarier fühlen sich der AfD nahe genug, um im Zweifel mit ihr zu stimmen; die Linke wiederum wird von einigen geradezu verabscheut. Beispiele gab es zuletzt genug: Da waren die zwei Landtagsabgeordneten aus Sachsen-Anhalt, die eine "Denkschrift" verfassten, in der sie dafür plädierten, eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht auszuschließen und das "Nationale mit dem Sozialen" zu versöhnen. Da war der Fall des CDU-Politikers Robert Möritz, Mitglied im Kreisverband Anhalt-Bitterfeld, der wegen Verbindungen in die rechtsextreme Szene seinen Hut nehmen musste, zuvor jedoch die Unterstützung seines Kreisverbands bekam. Im Görlitzer Stadtrat wählten Christdemokraten einen AfD-Mann in den Umwelt- und Ordnungsausschuss, der als Waffennarr und Anhänger der Identitären Bewegung gilt.

MeinungThüringen
:Die Linke muss auf die CDU zugehen

Alles läuft darauf hinaus, dass in Erfurt nun wieder Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten gewählt wird. Doch wenn die Linke so weitermacht wie in den vergangenen Tagen, könnte sie dieses Ziel noch in Gefahr bringen.

Kommentar von Detlef Esslinger

Seit dem Wochenende nun sorgt ein Aufsatz auf dem Debattenportal The European für Aufregung. Dort hatte Karl-Eckhard Hahn, Leiter des wissenschaftlichen Dienstes der Thüringer CDU-Landtagsfraktion, drei Tage vor der Wahl in Erfurt eben jenes Szenario als unproblematisch skizziert, das wenig später die Republik erschütterte: Ein mithilfe von AfD-Stimmen gekürter Ministerpräsident habe "keine geringere demokratische Legitimation als ein Ministerpräsident Bodo Ramelow auch". Als "unterschätzte Gefahr" hingegen bezeichnete Hahn 2019 in einem Text an gleicher Stelle die Linke, deren langfristiges Ziel der gesellschaftliche Umbau sei.

Die politische Realität in den ostdeutschen Ländern kollidiert mit dem Beschluss der CDU-Spitze

Hahn stammt aus Hessen, hat in nationalkonservativen Blättern publiziert und neben CDU-Chef Mike Mohring auch schon für die ehemalige CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht gearbeitet. Auf Nachfrage schickt er eine SMS aus dem Urlaub: "Der Artikel ist eine rein private, mit niemandem besprochene Meinungsäußerung." Wie daraus nun ein Plan gemacht werde, trage Züge des Absurden. "Die Mitglieder des Landtages wägen und entscheiden über ihre Politik allein."

Aber allein mit seiner Meinung ist Hahn offenbar nicht. Christian Hirte, Vize-Vorsitzender der Thüringer CDU und bis vor Kurzem Ost-Beauftragter der Bundesregierung, empfahl Hahns Artikel auf Twitter: "Prädikat: Lesenswert!" Es war auch Hirte, der Thomas Kemmerich (FDP) zu dessen überraschender Wahl gratulierte. Am Samstag dann entband Bundeskanzlerin Angela Merkel Hirte von seinem Posten.

Die Beschlusslage der Bundes-CDU ist klar: keine Zusammenarbeit mit AfD oder der Linken. Die politische Realität in den ostdeutschen Bundesländern aber steht dem nicht nur wegen der Haltung Einzelner, sondern längst auch im parlamentarischen Alltag entgegen. Schon seit den Kommunalwahlen im vergangen Jahr gibt es wegen der starken AfD-Ergebnisse in Kreistagen, Gemeinde- und Stadträten vielerorts kein Vorankommen mehr, ohne das Kooperationsverbot zu schleifen.

Mohring sendet verhaltene Signale der Annäherung in Richtung Ramelows und wird von der Bundespartei zurückgepfiffen

Nirgendwo aber ließ sich die Folgenschwere dieses Dilemmas so eindrucksvoll beobachten wie in Thüringen, wo Mike Mohring nach der Landtagswahl verhaltene Signale der Annäherung in Richtung Ramelows sendete, nur um von der Bundespartei zurückgepfiffen zu werden. Gleichzeitig forderten CDU-Politiker von der Basis und aus der eigenen Fraktion eine Annäherung an die AfD. Mohring, als Wahlverlierer angeschlagen, widersprach nicht.

Von Parteikollegen aus den Nachbarbundesländern hagelt es seit der Ministerpräsidentenwahl Kritik: "Was da passiert ist, ist verantwortungslos", sagt Alexander Dierks, Generalsekretär in Sachsen. "Die CDU hat die Landtagswahl in Thüringen verloren. Enthaltung wäre die richtige Entscheidung gewesen." Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) geht noch einen Schritt weiter und legt der Thüringer Union nahe, sich mit der Linken abzustimmen. "Zwischen AfD und Linkspartei sehe ich einen großen Unterschied", sagte er der Funke-Mediengruppe.

In Sachsen-Anhalt sind sie da zurückhaltender: "Man lässt sich nicht mit Stimmen der AfD wählen und lässt auch nicht zu, dass so etwas passiert. Das ist eine Frage der Haltung", sagt Holger Stahlknecht, CDU-Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt. Gleichwohl wisse er, dass auch in seinem Landesverband die Linke für viele noch immer die gehäutete SED sei. "Ich habe die Hoffnung, dass diejenigen, die mit einer Beteiligung der AfD liebäugeln, nun eines Besseren belehrt sind", sagt Stahlknecht. Zeigen wird sich das im kommenden Jahr: Dann wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt.

© SZ vom 10.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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