Nach dem Beben in Thüringen:Die CDU ringt mit sich selbst

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Kramp-Karrenbauer will die Verantwortung zu SPD und Grünen weiterschieben. (Foto: AP)
  • CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer fordert SPD und Grüne auf, einen Kandidaten der Mitte für Thüringen vorzuschlagen.
  • Die Aufgeforderten verwehren sich dessen allerdings, und auch die CDU-Fraktion im Erfurter Landtag schafft andere Fakten.
  • Bodo Ramelow könnte doch noch Ministerpräsident werden, allerdings will der sich auf keine Unsicherheiten mehr einlassen.

Von Detlef Esslinger

Die CDU im Thüringer Landtag hat drei- und viermal so viele Abgeordnete wie SPD und Grüne - und soll diese beiden Parteien um einen Kandidaten bitten, den sie dann zum Ministerpräsidenten wählen würde. Annegret Kramp-Karrenbauer war am Freitag der erste Mensch an der Spitze ihrer Partei, dem so etwas eingefallen ist. Sie stützte sich dabei auf einen Beschluss des Präsidiums, der einstimmig ausfiel. Diesem Präsidium gehört auch Mike Mohring an, der CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende in Thüringen - der aber dort offenbar nicht mehr viel zu sagen hat. Die Folge: Bodo Ramelow könnte demnächst wieder im Amt sein.

Kramp-Karrenbauer kleidete ihren Vorschlag in die Formulierung: "Wir erwarten die Bereitschaft von SPD und Grünen, einen Kandidaten zu präsentieren, der das Land nicht spaltet, sondern eint." Ramelow (Linke) sei im Landtag ohne Mehrheit, jetzt müssten stabile Verhältnisse erreicht werden, andernfalls seien Neuwahlen unausweichlich. Indem die CDU-Chefin zugleich sagte, es werde von ihrer Partei "keine Stimme für einen Kandidaten der Linken oder der AfD" geben, stellte sie einem etwaigen Kandidaten von SPD und Grünen die CDU-Stimmen in Aussicht.

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Nun wird ein Ministerpräsident jedoch nicht vom CDU-Präsidium in Berlin bestimmt, sondern von den Abgeordneten im Landtag. In Erfurt haben sie andere Vorstellungen. "Ich glaube nicht, dass Frau Kramp-Karrenbauer in der Position ist, Vorschläge oder Aufträge zu erteilen", sagte der Fraktionschef der Grünen dort, Dirk Adams. Der SPD-Landesvorsitzende Wolfgang Tiefensee twitterte, dies sei "der untaugliche Versuch", Rot-Rot-Grün zu spalten.

Sollte dies der Zweck des Vorschlags sein, so war er offenbar mit den Christdemokraten in Erfurt nicht abgestimmt. Während in Berlin Kramp-Karrenbauer Reportern den Beschluss erklärte, teilte die Erfurter Fraktion mit, dass Mohring Ende Mai gehen muss und Fraktion und Landesvorstand Initiativen für eine Regierungsbildung im Landtag "nicht blockieren" würden. Die CDU werde einen Kandidaten der Linken - Ramelow also - "nicht aktiv ins Amt wählen". Was das heißt, teilte die Erfurter CDU ausdrücklich mit: Stimmenthaltung. "Durch eine Vertrauensfrage kann Ministerpräsident Thomas Kemmerich den Weg zur erneuten Wahl einer Landesregierung ebnen."

Die Linke will sich nur noch auf eine Wahl einlassen, die Erfolg verspricht

Ein Blick in die Verfassung sowie eine Mitteilung Kemmerichs zeigen, dass dies zumindest eine Option wäre. Er habe mit Landtagspräsidentin Birgit Keller (Linke) gesprochen, die nun "schnellstmöglich" eine Sondersitzung des Ältestenrates einberufen wolle. Dort solle ein Weg gefunden werden, wie es "schnell zur Wahl eines Ministerpräsidenten" kommen könne. Da für den Ältestenrat eine Ladungsfrist von sieben Werktagen gilt, heißt "schnellstmöglich": Dienstag, 18. Februar.

Stellt Kemmerich anschließend die Vertrauensfrage und erhält er nicht die Unterstützung von mindestens 46 der insgesamt 90 Abgeordneten - was absehbar ist -, hätte der Landtag drei Wochen Zeit, einen Nachfolger zu wählen. Dabei würden dieselben Regeln gelten wie am Mittwoch: In den ersten beiden Wahlgängen bräuchte ein Kandidat erneut 46 Stimmen. Danach wäre gewählt, wer die meisten Stimmen bekommt - indem sich die 21 CDU-Abgeordneten enthielten, könnten sie die Wahl Ramelows ermöglichen: Rot-Rot-Grün hat 42 Stimmen, und selbst falls Kemmerich wieder auf die AfD hereinfallen sollte, könnten diese Partei und seine FDP ihm doch nur 27 Stimmen liefern. Aber ist der Weg über eine Ministerpräsidentenwahl nach einer verlorenen Vertrauensfrage Kemmerichs denn wahrscheinlich? Ramelow sagte am Freitagabend im MDR, CDU und FDP sollten "mal in sich gehen und dafür sorgen, dass es jetzt geordnete Verhältnisse gibt". Was das konkret heißt, hatte zuvor schon die Linken-Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow gesagt: "Wir brauchen 46 Stimmen" - also eine Mehrheit im ersten Wahlgang. "Wenn wir nicht vorher wissen, dass Ramelow eine Mehrheit hat, dann werden wir auf Neuwahlen gehen." Ramelow wiederum gab in der Sache den Staatsmann. Er sagte, Neuwahlen würden mindestens 70 Tage ohne Regierung bedeuten. Würde er angesichts gerade guter Umfragen für seine Partei darauf spekulieren, wäre dies "fahrlässig in der Verantwortung für das Land". Die Umfrage, auf die er anspielte, kam am Freitag von Forsa. Sie taxierte die Linke auf 37 Prozent; das wäre ein Plus von sechs Prozentpunkten im Vergleich zur Landtagswahl von Oktober. Die CDU hingegen würde von 21,7 auf zwölf Prozent stürzen. Parteichefin Kramp-Karrenbauer sagte dazu: Die Thüringer CDU habe am Mittwoch den FDP-Mann Kemmerich "trotz aller Empfehlungen" der Berliner Zentrale unterstützt. Die Umfrage sei "die Antwort" darauf. Am Samstag trifft sich in Berlin der Koalitionsausschuss von CDU, CSU und SPD.

© SZ vom 08.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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