CDU-Spendenaffäre:"Was kommt da auf uns zu?"

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Vor zehn Jahren begann mit einer Festnahme die CDU-Spendenaffäre. Sie zwang Wolfgang Schäuble zum Rücktritt und ebnete Angela Merkel den Weg an die Macht. Kohl schweigt bis heute.

Hans Leyendecker

Die ersten Tage im November 1999 haben keinen besonderen Platz im Gedächtnis der meisten Deutschen. Und doch ist in dieser Zeit ein Stück Geschichte geschrieben worden. Ohne die Ereignisse damals wäre Helmut Kohl sicher noch Ehrenvorsitzender der CDU und auf seiner Kanzlerschaft läge vermutlich kein Schatten. Angela Merkel wäre womöglich nicht Bundeskanzlerin geworden, und Wolfgang Schäuble wäre möglicherweise jetzt nicht nur der Älteste im Kabinett, sondern der Regierungschef.

Helmut Kohl, Wolfgang Schäuble und die damalige CDU-Generalsekretärin Angela Merkel während einer Pressekonferenz am 30. November 1999. (Foto: Foto: dpa)

An einem Donnerstag vor zehn Jahren reisten zwei Augsburger Steuerfahnder und die Staatsanwältin Barbara Pöschl ins hessische Kronberg, um den ehemaligen Bundesschatzmeister der CDU, Walther Leisler Kiep, festzunehmen. Er war in eine Affäre verwickelt, die mit dem Namen des Kauferinger Unternehmers Karlheinz Schreiber verbunden wird. Im Zusammenhang mit dem Verkauf von 36 Panzern an Saudi-Arabien sollen verdeckte Provisionen an Manager und Politiker gezahlt worden sein.

Angeblich hatte Kiep umgerechnet 500.000 Euro erhalten und nicht versteuert. Er gab zu Protokoll, Schreiber habe ihm zwar das Geld gegeben. Aber es sei nicht für ihn, sondern für die CDU bestimmt gewesen. Der Haftbefehl wurde gegen Zahlung einer Kaution in sechsstelliger Höhe am 5. November ausgesetzt. Kiep durfte seinen Pass behalten und kündigte an, dass er am Wochenende mit einer deutschen Delegation in die USA fliegen werde.

Sein damaliger Steuerberater erklärte der zuständigen Amtsrichterin in Königstein, er habe das Geld in drei Tranchen auf ein Treuhandkonto der CDU bei einer Frankfurter Privatbank eingezahlt. "O Gott, o Gott, was kommt denn da auf uns zu?", fragte der damalige CDU-Bundesgeschäftsführer Willi Hausmann. Es kam die große Parteispendenaffäre mit geheimnisvollen Konten und den üblichen Geldverstecken in Liechtenstein und in der Schweiz. Nachdem die SZ erstmals am 26. November ganzseitig über Details des Falles berichtet hatte, wurde aus der Kiep-Affäre der Fall Kohl.

Der Altkanzler sperrte sich zunächst gegen eine Stellungnahme: "Was mute ich mir zu", erklärte er. "Ich wollte meiner Partei dienen und Gutes tun." Tage später räumt er im ZDF ein, unter Umgehung des Parteiengesetzes zwischen 1993 und 1998 "anderthalb bis zwei Millionen Mark Spenden" angenommen zu haben. Er habe den Spendern sein Ehrenwort gegeben, ihre Namen nicht zu nennen. Mit den "Kontenbezeichnungen und den Kontengestaltungen (...) etwa bei unserer Schatzmeisterei" habe er nie etwas zu tun gehabt. Ein "Feldzug" werde gegen ihn geführt. Das "Bild eines Mannes soll ruiniert" werden.

Angela Merkel, damals Generalsekretärin der CDU, attackiert Kohl am 22. Dezember in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er habe der "Partei Schaden zugefügt". Sie legte Kohl nahe, seine Ämter niederzulegen. Kohl war damals noch Bundestagsabgeordneter und Ehrenvorsitzender. Dieses Amt gab er bald zurück.

Die CDU mühte sich offensiv um Aufklärung. Vergeblich flehte Wolfgang Schäuble, der damals noch Parteivorsitzender war, den Altkanzler an, die Namen der Spender zu nennen. Kohl lehnte ab. Bald stürzte auch Schäuble. Im Parlament war über die Parteispendenaffäre diskutiert worden, und Schäuble hatte fast nebenbei berichtet, dass er bei einem Sponsorenessen der Partei Schreiber kennengelernt habe.

"Mit oder ohne Koffer?", fragte der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele. "Ohne Koffer, das heißt: Ich habe vielleicht einen Koffer dabeigehabt", flunkerte Schäuble. Er hatte von Schreiber nach der Veranstaltung 100.000 Mark für die CDU bekommen und wollte es Ströbele nicht sagen. Am 10. Januar legte er dann in der ARD-Sendung "Farbe bekennen" ein Spendengeständnis ab.

Parallel dazu geriet die hessische CDU unter schweren Beschuss. Es stellte sich heraus, dass die Partei in den achtziger Jahren umgerechnet elf Millionen Euro in die Schweiz verschoben hatte. Weil mindestens ein Rechenschaftsbericht der CDU falsch war, musste die Partei zur Strafe umgerechnet 20,5 Millionen Euro zahlen. Kurz danach erklärte Schäuble, er lege das Amt des Fraktionsvorsitzenden nieder und kandidiere nicht mehr für den Parteivorsitz. Schäubles Bruder Thomas, CDU-Innenminister in Baden-Württemberg, erklärte, seine ganze Familie verabscheue Kohl. Kohl sagte, er habe "diese Äußerung überhaupt nicht verstanden". Auf dem CDU-Parteitag in Essen wurde im April 2000 Merkel zur Vorsitzenden gewählt.

"Ich habe in dieser Situation einen Fehler gemacht. Ich habe auch mehr Prügel bekommen, als man sich vorstellen kann", sagte Kohl vor einem Untersuchungsausschuss. Aber er rede nicht gern mit Leuten über die Verfassung, die die "deutsche Einheit aufgegeben haben". Als er vor ein paar Tagen mit den früheren Präsidenten George Bush und Michail Gorbatschow zu einer Einheitsfeier in Berlin zusammensaß, sagte Kohl: "Ich habe allen Grund, bei allem Ärger und Verdruss, stolz zu sein. Ich habe nichts Besseres, um stolz zu sein, als die deutsche Einheit."

© SZ vom 5.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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