CDU-Parteitag:Attacke schon zum Start

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CDU-Chef Friedrich Merz übt auf dem Parteitag in Hannover scharfe Kritik an der Bundesregierung. (Foto: RONNY HARTMANN/AFP)

Auf dem ersten Präsenzparteitag der CDU seit knapp drei Jahren kritisiert Friedrich Merz, die Ampel sei eine der schwächsten Bundesregierungen aller Zeiten. Die heikle Abstimmung über die Frauenquote steht ihm noch bevor.

Von Boris Herrmann und Christoph Koopmann, Hannover

Eigentlich soll Friedrich Merz erst mal Hallo sagen, aber Oppositionsführer ist halt Oppositionsführer, und Merz ist halt Merz. Und der lässt sich nicht von einer Tagesordnung aufhalten, die den "Bericht des Vorsitzenden der CDU Deutschlands", also seine eigentliche Rede, vor den rund 1000 Delegierten des Parteitags erst am späteren Nachmittag vorsieht. Also Attacke, schon zum Start in Hannover: "Gerade in einer solchen Zeit, in der Führung, klarer Kurs und Handeln gefordert ist, leistet sich unser Land eine der wohl schwächsten Bundesregierungen aller Zeiten", ruft er. "Wir sagen: Deutschland kann es besser!" Will wohl meinen: Die CDU respektive Friedrich Merz können es besser. Darauf wird er noch zurückkommen.

Jetzt muss er erstmal die Leute begrüßen. "Es fühlt sich einfach richtig gut an", sagt Merz. Aus dem warmen Applaus ist herauszuhören, dass der Parteichef mit diesem Gefühl nicht alleine dasteht in der Messehalle. Es ist der erste Präsenzparteitag der CDU seit November 2019. Und damit auch das erste große Familientreffen der Partei nach dem Ende der Ära Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin a.D. soll von Merz schriftlich eingeladen worden sein, sich aber mit Verweis auf ihr verletztes Kniegelenk entschuldigt haben. Merkel, sagt Merz, habe ihn aber ausdrücklich darum gebeten, dem Parteitag ihre herzlichsten Grüße auszurichten. Wenn der anschließende Applaus auch ein Stimmungstest für das Erbe Merkels ist, dann kann man ihn wohl als verhalten positiv bezeichnen.

Schöne Grüße ins Kanzleramt

Bevor es richtig losgeht, geht es an diesem Tag natürlich auch bei der CDU um den Tod der Queen. Trotz aller Irrungen und Wirrungen der Weltgeschichte: "Königin Elisabeth war der Fels in der Brandung", sagt Merz. So etwas Ähnliches möchte seine CDU in Deutschland bald auch wieder werden.

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Nicht von ungefähr spricht die CDU von einem "Arbeitsparteitag". Ganz offensichtlich will Merz den Eindruck vermeiden, seine Partei arbeite sich mehr an sich selbst als an dem politischen Gegner ab. Er schafft es in den 43 Minuten seiner Rede tatsächlich, das Wort "Quote" nicht zu erwähnen. Dabei war die Abstimmung über die Einführung einer Frauenquote in der Partei am Freitagabend mit Spannung erwartet worden (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe).

Merz spricht aber viel lieber über die Ampel als über die Quote. Er habe sich "niemals vorstellen" können, dass Deutschland mal einen Bundeskanzler bekomme, der "schweigend hinnimmt", wie der Chef der palästinensischen Autonomiebehörde im Bundeskanzleramt Antisemitismus verbreite. Ein Hieb gegen Olaf Scholz, dem dies mit Mahmud Abbas passiert ist.

Dann der Schwenk zum alles bestimmenden Thema Ukraine: Er, sagt Merz, würde mehr und schneller schwere Waffen an die Ukraine liefern, eben "alles tun, um diesem Land zu helfen". Seine Botschaft: Kanzler Scholz tue eben nicht alles. Um dem russischen Präsidenten Putin zu begegnen, brauche es "Klarheit, notfalls Härte, Konsequenz in dem, was man tut". Auch an dieser Stelle schöne Grüße ins Kanzleramt.

"Wir sind nicht Bullerbü"

Auch an der Krisenbewältigungsstrategie der Ampel-Regierung für Gasknappheit und Inflation in Deutschland arbeitet sich Merz ab. Die wesentlichen Punkte hat er Scholz schon am Mittwoch im Bundestag an den Kopf geworfen: Die Ampel habe Unternehmen bei Entlastungspaketen vergessen, müsse in Zeiten der Energieknappheit Atomkraftwerke länger laufen lassen. Robert Habeck kommt nicht nur als Wirtschaftsminister vor, sondern auch als Schriftsteller. Merz liest aus einem Kinderbuch von Habeck vor, dann sagt er: "Wir sind nicht Bullerbü". Nur "mit Kinderbüchern und Philosophie" könne man doch die Probleme des Landes nicht lösen. "Der Bundeskanzler darf nicht zulassen, dass da auf zweiter und dritter Ebene dilettiert wird!"

Um bei dilettantischer Energiepolitik zu bleiben: Im Nachhinein wird Angela Merkel wahrscheinlich froh sein, dass sie nicht da war. Denn Merz kommt in seiner Rede auch auf die deutsche Gasabhängigkeit von Russland zu sprechen: "Das war ein Fehler, das war eine große politische Dummheit", sagt er. Immerhin erinnert er noch daran, dass nicht nur die CDU, sondern auch die SPD in den vergangenen zwei Jahrzehnten viel regiert hat.

Einen inhaltlichen Vorschlag macht Merz auch noch. Nur mit CO2-Reduzierung könne Deutschland bis 2045 nicht klimaneutral werden. Man müsse CO2 auch "als Rohstoff verstehen". Merz will Deutschland darum zu einem Vorreiter bei Technologien machen, mit denen sich das Treibhausgas aus der Atmosphäre ziehen und nutzen lässt. Insgesamt ist das eher die Rede eines Oppositionsführers als eines Parteivorsitzenden.

Trotzdem ist das natürlich auch ein Selbstbeschäftigungsparteitag. Neben der Wahl von Christina Stumpp zur stellvertretenden Generalsekretärin und der Debatte über eine Grundwertecharta will die CDU in Hannover auch knapp 500 Anträge in nicht einmal anderthalb Tagen behandeln. Es geht also auch um das, was Generalsekretär Mario Czaja "die innere Verfasstheit unserer Partei" nennt. Oder wie Merz es sagt: "Um dem Land Schwung zu geben, liebe Freundinnen und Freunde, müssen wir uns selbst Schwung geben."

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