CDU-Parteitag:Zeitenwende im Männerverein

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Friedrich Merz, hier mit der neuen stellvertretenden Generalsekretärin Christina Stumpp, kommt knapp durch mit seinem Ansinnen einer parteiinternen Frauenquote. (Foto: IMAGO/Political-Moments/IMAGO/Political-Moments)

Die CDU stimmt nach einer hitzigen Debatte für eine Frauenquote in ihren Gremien. Parteichef Merz kann erleichtert sein - denn fast hätten junge, weibliche Delegierte seinen Plan noch gekippt.

Von Boris Herrmann und Christoph Koopmann, Hannover

Zum Schluss will der Chef selber noch mal ran. Er merkt, dass es eng wird. 34 Rednerinnen und Redner hatten sich angemeldet und dann für respektive gegen die Frauenquote gestritten. Erst mal bedankt sich Friedrich Merz, der Quoten-Befürworter, für die "leidenschaftliche Debatte" auf dem Parteitag in Hannover. Das war sie beileibe - wohl mehr, als dem Parteivorsitzenden lieb sein konnte.

Merz ruft erkennbar aufgebracht: "Es geht jetzt um ein Signal nach draußen, dass wir das Thema ernst nehmen!" Weder die Bundestagsfraktion noch irgendeine Landtagsfraktion der Partei spiegele den Frauenanteil von 50 Prozent in der Gesellschaft wider. "Ist das unser Ernst?", ruft Merz in den Saal. Und mit dem Blick auf die heiße Debatte eben: "Trauen wir uns einen so kleinen Sprung nach vorn schon nicht mehr zu?"

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Direkt danach die Abstimmung, um kurz vor neun Uhr am Freitagabend das Ergebnis: Die CDU traut sich diesen Schritt zu. 559 von 1001 Delegierten stimmten für die Quote, 409 dagegen. Merz kann aufatmen.

Der Parteichef hatte zuvor lange gezögert und sich im Juni erstmals klar und deutlich für die Einführung der Quote ausgesprochen. Das Thema wird in der Partei seit vielen Jahren kontrovers bis verbittert diskutiert. Bislang gab es in der CDU nur ein sogenanntes Quorum, wonach Gremien und Parteilisten im Prinzip zu einem Drittel aus Frauen bestehen sollen. Diese unverbindliche Regelung hat aber nie wirklich funktioniert. Das sieht inzwischen auch Merz so.

"Geben Sie mir nicht noch mehr Ämter", ruft eine Frau

In Hannover hat er nun über eine leicht veränderte Version des Vorschlags abstimmen lassen, den die Struktur- und Satzungskommission der CDU bereits vor zwei Jahren erarbeitet hat. Also lange vor dem politischen Comeback von Merz. Laut der jetzt vereinbarten Fassung soll es bei Vorstandswahlen ab Januar 2023 eine Frauenquote von 33 Prozent gelten. Ab Januar 2024 soll sie auf 40 und ab Juli 2025 auf 50 Prozent steigen. Es ist aber auch eine Art Quote auf Probe: Nach fünf Jahren soll sie auf ihre Wirksamkeit überprüft werden - offensichtlich ein Zugeständnis an die Quotengegner, vor allem die Junge Union und den Wirtschaftsflügel.

Je näher der Parteitag rückte, desto stärker dürfte Merz gemerkt haben, dass diese Abstimmung kein Selbstläufer werden würde. Ganz offensichtlich versuchte er, die Brisanz aus dem Thema zu nehmen, um einer eventuellen Abstimmungsniederlage die Bedeutung zu nehmen. In seiner großen Parteitagsrede am Freitagnachmittag erwähnte Merz die Frauenquote mit keinem Wort. Schon Tage zuvor hatte er verkündet, die Quote sei "bei Weitem" nicht das wichtigste Thema auf diesem Parteitag. Bisweilen behauptete er gar, was in Hannover zur Abstimmung stehe, sei eigentlich gar keine richtige Quote.

In Hannover will Merz die Diskussion zunächst möglichst kurz halten, die Argumente seien eh alle hundertmal ausgetauscht, findet er. Aber es herrscht reichlich Redebedarf. Als die Debatte beginnt, ist es kurz nach 19 Uhr und allen klar, das wird ein längerer Abend.

Und dann: Auftritt Julia Klöckner

Man wüsste gerne, was jetzt im Kopf von Friedrich Merz so vorgeht. Denn da tritt eine junge Frau nach der anderen auf die Bühne - um gegen den Vorschlag aus dem Parteivorstand zu wettern. Franziska Dezember, 29, Studentin, Mutter von zwei Kindern und Initiatorin eines Antrags gegen die Quote, ruft: "Ja, wir müssen mehr Frauen begeistern - aber das geht niemals über Quoten." Freya Kerssenbrock aus Hamburg ruft: "Geben Sie mir nicht noch mehr Ämter, geben Sie mir die Möglichkeit, meinen jetzigen Ämtern auch wirklich gerecht zu werden." Der Saal johlt vor Begeisterung.

Die Auftritte auch von namhaften Quoten-Befürwortern und -Befürworterinnen dagegen nimmt das - mehrheitlich männliche - Parteitagspublikum erst mal sehr verhalten auf, von Annette Widmann-Mauz etwa, der Vorsitzenden der Frauen-Union, oder von Annegret Kramp-Karrenbauer, die Merz das Thema Quote noch aus ihrer Zeit als Parteichefin quasi vererbt hat. Auch die Rede des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst verhallt eher, wenn auch nicht ganz so dramatisch wie die von Generalsekretär Mario Czaja.

Dann aber Auftritt Julia Klöckner, bis Herbst Bundeslandwirtschaftsministerin, nun offenbar befreit von jeder Last. Sie ruft: Das "Schenkelklopfen" der Männer im Saal über die jungen Frauen, die keine Quotenfrauen sein wollten, habe sie satt. Sie selbst habe früher "gar keinen Bock" auf ein politisches Amt gehabt - aber die CDU in ihrer Heimat habe wegen des Quorums, das es 2002 schon gab, noch eine Frau zur Bundestagswahl aufstellen müssen. Nach drei Anfragen sei sie dann doch angetreten - und hat es bis zur Ministerin gebracht.

Klöckner schafft es als Erste aus dem Pro-Quoten-Lager, den Saal wirklich mitzureißen. Kurz darauf schafft das auch Daniel Günther, der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Er ruft: "Es wäre ein Armutszeugnis, wenn wir es uns nicht zutrauen würden in der CDU, die Hälfte unserer Vorstandsposten mit Frauen zu besetzen."

Es wurde dann ein gutes Stück enger, als Merz es sich vermutlich gewünscht hat. Aber in dem großen Männerverein CDU hat der 66-Jährige soeben eine kleine Zeitenwende vollzogen.

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