CDU-Parteitag:Steuern, Rente, Diesel-Freunde

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1001 Delegierte sind beim CDU-Parteitag in Hamburg. (Foto: dpa)

Über welche inhaltlichen Fragen die Delegierten des Parteitags diskutieren - und wie die Parteiführung heikle Anträge zu entschärfen versucht.

Von Henrike Roßbach, Roland Preuß, Michael Bauchmüller und Kristiana Ludwig

Das Rennen um den CDU-Vorsitz hat vieles überlagert auf diesem Parteitag - dabei geht es auch um ganz konkrete Politik. Etwa um die Frage, wann der Solidaritätszuschlag abgeschafft wird. Wie die Union mit dem UN-Migrationspakt umgeht. Oder wie viel Rentner für die Krankenkasse zahlen müssen. Und ob ein widerspenstiger, aber erfolgreicher Umweltverband seine Gemeinnützigkeit verlieren soll. Ein Überblick.

Solidaritätszuschlag

Im Koalitionsvertrag ist geregelt, was mit dem Solidaritätszuschlag passieren soll: "Wir werden den Solidaritätszuschlag schrittweise abschaffen", heißt es da, von 2021 an. Allerdings sollen nur "rund 90 Prozent aller Zahler" entlastet werden. Wer oberhalb der Freigrenze verdient (als Single etwa 61 000 Euro), geht leer aus. Vielen in der CDU, vor allem im Wirtschaftsflügel, passt das nicht. Auch Wirtschaftsverbände und Handwerk pochen auf eine komplette Abschaffung, weil auch Personengesellschaften wie Handwerksbetriebe den Soli zahlen müssen.

Insofern ist es wenig überraschend, dass es gleich sieben Parteitagsanträge für eine vollständige Soli-Abschaffung gibt; von "mit sofortiger Wirkung" bis zu "noch in der laufenden Legislaturperiode". Die Antragskommission empfiehlt dem Parteitag die Annahme der Anträge in einer Art konsolidierten Fassung: Bis Ende 2021 solle der Solidaritätszuschlag vollständig abgeschafft werden; am "Ziel eines ausgeglichenen Haushalts ohne neue Schulden" werde aber festgehalten. Am Regierungshandeln wird ein solcher Beschluss aber wohl wenig ändern. Die SPD will beim Soli nicht über den Koalitionsvertrag hinausgehen. Erst am Freitag machte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) das abermals deutlich. "Uns sind andere Dinge wichtiger", sagte er der Bild-Zeitung.

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Betriebsrenten

Vier Anträge drehen sich um ein Thema, das sperrig klingt, aber ziemlich viele Menschen umtreibt: die "Doppelverbeitragung" von Betriebsrenten und Direktversicherungen zur Altersvorsorge. Denn seit 2004 wird von diesen Renten der volle Beitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen. Nur Betriebsrenten bis zu einer Höhe von 152,25 Euro sind beitragsfrei. SPD-Chefin Andrea Nahles fordert, diesen Beitrag zu halbieren. CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn hatte sich zumindest offen für Änderungen gezeigt. Doch eine Halbierung des Beitragssatzes würde für die Krankenkassen teuer: Spahn schätzt die Mindereinnahmen auf 2,5 Milliarden Euro im Jahr. Bekämen alle Betriebsrentner, die seit 2004 gezahlt haben, ihre Beiträge sogar erstattet, würde das insgesamt 37 Milliarden Euro kosten.

In der CDU verlangt nun unter anderem die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT), dass diese Praxis beendet wird. Künftig solle auf Betriebsrenten nur noch der halbe, also der Arbeitnehmerbeitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt werden müssen, heißt es in dem entsprechenden Antrag für den Parteitag. Noch weiter geht der Antrag des Kreisverbands Minden-Lübbecke. Darin nämlich wird auch die Rückzahlung der doppelten Beiträge seit 2004 verlangt.

Der Vorschlag der Antragskommission, wie der Parteitag mit der Doppelverbeitragung verfahren solle, blieb bis zum Redaktionsschluss allerdings sowohl hinter dieser als auch hinter der MIT-Forderung zurück. Die Problematik der vollen Beiträge sei "erneut zu prüfen, um für alle Beteiligten eine zufriedenstellende Lösung zu finden", heißt es in dem Formulierungsvorschlag. Das dürfte den Antragsstellern kaum reichen.

Diesel und Umwelt

Der Ärger um schlechte Luft treibt auch die CDU-Basis um, allerdings mitunter auf recht bemerkenswerte Weise. So fordert ein Antrag einen Wertausgleich für Autofahrer, die wegen Fahrverboten ihren Diesel nicht mehr benutzen könnten. Ein anderer verlangt, die Autoindustrie zur Nachrüstung aller Autos zu verdonnern, die den gesetzlichen Grenzwert übersteigen - diese Forderung hat die Antragskommission allerdings schon zuvor aus dem Dokument gestrichen, das heute den Delegierten vorliegt. Und dann gibt es noch zwei Anträge, die an die Wurzel des Übels gehen sollen, jedenfalls aus Sicht der Antragsteller: die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Diese hatte hartnäckig auf die Einhaltung europäischer Grenzwerte bestanden - und vor Gerichten die Fahrverbote in deutschen Städten erstritten. Mit eigenen Tests stellte sie fest, wie sehr viele Fahrzeuge die Stickoxid-Vorgaben im Verkehr missachten. Der Unmut der Autoindustrie auf den Verband ist groß.

Ein Antrag hat deshalb zum Ziel, der Umwelthilfe die Gemeinnützigkeit abzuerkennen - auch wenn darüber Finanzämter entscheiden und nicht Parteitage. Damit würden die DUH und ihre Spender Vergünstigungen verlieren, etwa Zuwendungen von der Steuer absetzen zu können. Ein anderer zielt darauf, die DUH vom Verbandsklagerecht auszuschließen - obwohl das durch europäisches Recht abgesichert ist. "Das hätte man einer Partei am rechten Rand zugetraut, aber keiner staatstragenden Partei wie der CDU", sagt DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Der Naturschutz-Dachverband DNR appellierte in einem offenen Brief an die Delegierten des Parteitags: Der Vorstoß belege, "wie zivilgesellschaftliche Organisationen in ihrer Arbeit eingeschränkt oder handlungsunfähig gemacht werden sollen". Gestellt wurden die Anti-DUH-Anträge übrigens vom CDU-Bezirksverband Nordwürttemberg, Sitz: Stuttgart. Der Ehrenvorsitzende ist ein gewisser Matthias Wissmann. Bis vor Kurzem war er Chef des Autoverbands VDA.

Migrationspakt

Zuwanderung hat die CDU immer wieder stark beschäftigt, in den vergangenen Wochen fokussierte sich das einschlägige Interesse auf den Migrationspakt der Vereinten Nationen. Der Pakt schränke nationale Handlungsmöglichkeiten weiter ein und könne eine Sogwirkung entfalte, hieß es. Jens Spahn, Gesundheitsminister und Kandidat für den CDU-Vorsitz, hatte eine Debatte über den Pakt auf dem Parteitag gefordert. Noch am Freitagabend votierten die Delegierten mit großer Mehrheit für einen Antrag der CDU-Führung, die Entschließung des Bundestages von vergangener Woche zu bekräftigen. Angela Merkel kann damit gestärkt zur Annahme des Paktes nach Marokko reisen.

© SZ vom 08.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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