Antrittsbesuch in USA:Holpriger Start für Cameron in Washington

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Bei seinem Antrittsbesuch muss sich der britische Premier Kritik an der Rolle von BP bei der Freilassung eines Lockerbie-Attentäters anhören. Doch auch ein lang ersehntes Wort fällt.

Reymer Klüver, Washington

Es sollte so etwas wie ein Mini-Neuanfang zwischen London und Washington sein, die unbeschwerte Wiederaufnahme der traditionell engen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Doch der Antrittsbesuch des neuen britischen Premierministers David Cameron bei US-Präsident Barack Obama am Dienstag im Weißen Haus gestaltete sich doch ein bisschen schwieriger als ursprünglich gedacht. Das lag nicht etwa an den beiden Politikern. Die gaben sich erkennbar alle Mühe, nett zueinander zu sein. Sie duzten sich betont. Der Premier erzählte, dass der Präsident ihm persönlich eine Führung durch die Wohnetage des Weißen Hauses gegeben habe.

Mini-Neuanfang zwischen London und Washington: Der britische Premierminister David Cameron beim Antrittsbesuch bei US-Präsident Barack Obama. (Foto: rtr)

Dass dennoch ein Schattenhauch über dem sonst heiteren Tag lag, hatte einmal mehr mit dem britischen Ölkonzern BP zu tun. Es störten aber gar nicht einmal so sehr die Ölkatastrophe im Golf und die Mühen BPs, das Bohrloch zu schließen. Da sagte Cameron das, was amerikanische Ohren hören wollten: Er verstehe "vollkommen die Entrüstung" in den USA über den britischen Konzern.

Vielmehr beschäftigte BP die beiden Politiker noch in ganz anderer Hinsicht, und Cameron räumte ein, dass sie "ausführlich" darüber gesprochen hätten: die mögliche Verstrickung des Konzerns in die vorzeitige Entlassung des libyschen Lockerbie-Attentäters Abdel Baset al-Megrahi aus britischer Haft - ein Thema, das in den USA die wegen des Öldesasters ohnehin in Wallung geratenen Emotionen weiter hochkochen lässt.

"Eine schlechte Entscheidung"

Cameron erklärte indes, dass er die Entlassung "zutiefst" bedaure und für falsch halte. Er habe sich bereits als Oppositionsführer dagegen ausgesprochen. Der Libyer war 2001 zu lebenslanger Haft verurteilt worden wegen seiner Beteiligung an dem Bombenattentat auf einen PanAm-Jumbojet im Dezember 1988, bei dem 270 Menschen ums Leben gekommen waren.

Im Sommer vergangenen Jahres war der an Prostatakrebs leidende al-Megrahi aus humanitären Gründen aus der Haft entlassen worden, mit dem Hinweis, dass er höchstens ein Vierteljahr zu leben habe. Al-Megrahi wurde in Libyen ein Heldenempfang bereitet und lebt seither dort unbehelligt.

In der vergangenen Tagen kam die Sache in den USA erneut hoch, als vier Senatoren von der US-Regierung die Untersuchung einer möglichen Verstrickung von BP in die vorzeitige Freilassung des Attentäters forderten. Danach soll der Konzern die britische Regierung zu dem Gefangenentransfer gedrängt haben, um eine lukrative Bohrlizenz in libyschen Küstengewässern nicht zu gefährden.

Cameron sagte jetzt, es gebe keine Hinweise darauf, dass sich die für die Freilassung al-Megrahis verantwortliche schottische Regionalregierung von BP habe beeinflussen lassen. Er fügte hinzu, dass er eine Durchsicht der Unterlagen zur Freilassung al-Megrahis angeordnet habe. Dabei solle geklärt werden, ob weitere Angaben zu den Hintergründen der Entscheidung veröffentlicht werden müssten. Obama sagte, er wisse zu schätzen, dass der britische Premier "unsere Verärgerung teilt". Die Freilassung sei eine "schlechte Entscheidung" gewesen.

Das Wort, auf das die Briten warteten

Breiten Raum bei den Gesprächen nahm auch die Lage in Afghanistan ein. Die Briten sind für die Amerikaner die wichtigsten Verbündeten in dem seit fast neun Jahren währenden Krieg. Gegenwärtig haben sie dort rund 10000 Soldaten stationiert. Cameron hatte Anfang Juli einen Abzug der britischen Kampftruppen bis 2015 in Aussicht gestellt. Obama selbst hatte den Beginn des US-Abzugs für den Sommer 2011 terminiert - allerdings nie davon gesprochen, in welchem Umfang er geschehen und bis wann er abgeschlossen werden soll. Beide Politiker unterstrichen indes ihren Willen, den Kampf weiterzuführen.

Überhaupt erhielt Cameron - trotz aller kleineren und größeren Verärgerungen - im Gegensatz zu seinem Vorgänger Gordon Brown eine Vorzugsbehandlung im Weißen Haus. Nach dem Tête-à-Tête im Oval Office und einem Lunch mit Vizepräsident Joe Biden im State Dining Room geleitete Obama den britischen Premier zu einer Pressekonferenz in den East Room. Dort nannte er Cameron nicht nur "Partner und Freund", sondern sprach das Wort aus, auf das Briten immer warten: Obama würdigte die "speziellen Beziehungen" zwischen beiden Ländern. Cameron setzte noch etwas drauf: Beide Länder, so der Premier, hätten eine "essentielle Partnerschaft" entwickelt.

© SZ vom 21.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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