Bundeswehrübung Quadriga:"Mehr Flecktarn auf der Autobahn"

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Um für den Ernstfall gerüstet zu sein, muss die Bundeswehr laut Generalinspekteur Carsten Breuer (im Bild rechts) vor allem eines: üben. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Russlands Krieg gegen die Ukraine veranlasst die Nato zu einer Großübung mit 90 000 Soldaten aus 32 Nationen. Auch Deutschland probt den Bündnis-Verteidigungsfall - mit sichtbaren Begleiterscheinungen.

Von Sina-Maria Schweikle, Berlin

Die heiße Phase der Großübung "Quadriga 2024" hat am Montag begonnen. Mit ihr wird die Sichtbarkeit der Bundeswehr in den kommenden Wochen steigen - und damit verbunden auch die Einschränkungen für die Allgemeinheit. "In den kommenden Wochen werden wir der Bevölkerung einiges zumuten", sagte Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr. Es werde lauter und voller auf Deutschlands Schienen und Straßen. "Mehr Flecktarn auf der Autobahn, ein ungewohnter Anblick für viele", das ist für Breuer zumindest eine militärische Zeitenwende. Mit Quadriga beteiligt sich die Bundeswehr an der Nato-Großübung "Steadfast Defender" (Standhafter Verteidiger). Sie gilt als die größte Militärübung der Alliierten seit Ende des Kalten Krieges. Während des Übungsteils "Grand Quadriga", der bis Ende Mai dauert, werden Soldaten und Soldatinnen der 10. Panzerdivision der Bundeswehr und Gefechtsfahrzeuge nach Litauen verlegt.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine im Februar 2022 hat die Bündnispartner alarmiert. Gemeinsam haben sie nun ein Ziel: die Abschreckung gegenüber Russland. Um sich auf den Ernstfall vorzubereiten, müsse die Bundeswehr eines tun: "Üben, üben und nochmals üben", sagte Generalinspekteur Carsten Breuer bei einer Pressekonferenz in Berlin. "Wir üben Marsch und Transport von Kräften aller deutschen Divisionen des Heeres auf Straße, Schiene zur See und in der Luft." Zusätzlich sei Deutschland im Herzen Europas, die logistische Drehscheibe der Übung - "de facto führen alle Wege über Deutschland". Deshalb möchte er die Bevölkerung gleich zu Beginn sensibilisieren: "Das Übungsgeschehen wird Einfluss und Auswirkungen auf den Alltag in Deutschland haben". Eingebettet in die Heimatschutzübung "National Guardian" nehmen auch Reservistinnen und Reservisten an der Nato-Großübung teil. Bundesweit üben sie den Schutz verteidigungsrelevanter Infrastruktur.

Das Übungsszenario: ein Angriff Russlands auf Nato-Bündnisgebiet

Bundeswehr-Generalleutnant Alexander Sollfrank betonte, dass der Fokus der laufenden Großübung auf der raschen Verlegung großer Truppenteile liege. Aus allen Nato-Ländern sollen Kräfte an die Ostflanke verlegt werden. "Wir müssen uns hier für den Verteidigungsfall vorbereiten." Das Übungsszenario: ein Angriff Russlands auf Bündnisgebiet. Nach Artikel 5 des Nato-Vertrages würde ein solcher als Angriff auf alle Partnerländer betrachtet. Der sogenannte Bündnisfall würde ausgerufen. Russland kritisiert das Großmanöver und wirft dem Bündnis eine Destabilisierung der Weltlage vor.

Insgesamt 90 000 Soldatinnen und Soldaten aus den 32 Nato-Mitgliedsstaaten nehmen an "Steadfast Defender" teil. Mehr als 12 000 von ihnen sind Soldatinnen und Soldaten aus Deutschland. 3000 Fahrzeuge und 300 Luftfahrzeuge der Bundeswehr sind daran beteiligt. Für das deutsche Straßen- und Schienennetz bedeutet dies, dass Militärfahrzeuge transportiert werden müssen und lange Kolonnen von Militärlastwagen verschiedener Nationen mit geringer Geschwindigkeit auf den Straßen unterwegs sein werden. Kein leichtes Manöver. Schließlich ist das deutsche Straßennetz nicht überall auf dem modernsten Stand. Auch deshalb hat die Bundeswehr im Vorfeld Korridore festgelegt, auf denen die Fahrzeuge verkehren können.

Carsten Breuer ergänzt, dass man bestrebt sei, den Personenverkehr nicht zu behindern. Die Deutsche Bahn lässt eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung, ob und welche Auswirkungen die Übung auf den Zugverkehr hat, aus Sicherheitsgründen unbeantwortet. Man äußere sich generell nicht zu militärischen Übungen, teilt eine Sprecherin der Deutschen Bahn mit. Nicht nur die Deutsche Bahn sorgt sich um die Sicherheit der Streitkräfte. "Es ist eine größere Vulnerabilität, wenn man nicht hinter Kasernenzäunen ist, sondern sich auf der Straße bewegt", sagt General Carsten Breuer. Die Soldatinnen und Soldaten seien für das Thema Sicherheit sensibilisiert worden. Nicht zuletzt durch die Festnahme zweier mutmaßlicher russischer Spione, die im Auftrag Russlands Sabotageakte in Deutschland vorbereitet haben sollen, sei das Risikobewusstsein gestiegen. "Wir haben ein enges Netz mit den Sicherheitsbehörden, also mit der Polizei, aber auch mit unseren Feldjägern", sagte Breuer.

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