Afghanistan:"Die Einsätze haben mir gezeigt, was wichtig ist im Leben"

Lesezeit: 3 min

Hauptfeldwebel Naef Adebahr wurde in Afghanistan schwer verwundet - und ist dorthin zurückgekehrt. Er erklärt, was er über das Ende des Einsatzes im Sommer denkt und wie die Mission seine Kameraden und ihn verändert hat.

Interview von Mike Szymanski, Berlin

Die Bundeswehr bereitet sich auf den Abzug aus Afghanistan vor. Im Sommer soll nach fast 20 Jahren ein Einsatz enden, der keinen klaren Gewinner hervorgebracht hat, die Bundeswehr aber nachhaltig verändert hat.

Hauptfeldwebel Naef Adebahr, 37, dürfte zu den letzten deutschen Soldaten gehören, die am Hindukusch im Einsatz sein werden. Er ist derzeit zum dritten Mal als Soldat in Afghanistan. Beim "Karfreitagsgefecht" 2010, bei dem drei seiner Kameraden getötet wurden, wurde er durch drei Beintreffer schwer verwundet. Die Fragen wurden schriftlich beantwortet.

SZ: Was geht in Ihnen vor, wenn Sie hören, dass dieser Einsatz nun endet?

Naef Adebahr: In erster Linie bewegen mich gerade in meiner Funktion als Truppenpsychologiefeldwebel hier die Sorgen der Kameradinnen und Kameraden. Natürlich ist der Abzug der Nato-Truppen ein Thema, das gerade heiß diskutiert wird. Auch ich mache mir Gedanken über den Abzug aus Afghanistan. Darüber, wie es nun weitergehen wird für die Menschen, die hier leben. Insbesondere darüber, was wir als Bundeswehr unter verschiedenen Mandaten in 20 Jahren bewirkt haben.

Auslandseinsatz
:Bundeswehr könnte schon im Juli aus Afghanistan abziehen

Ursprünglich sollten die deutschen Soldaten erst deutlich später zurückkehren. Nun beraten die Nato-Verbündeten über einen früheren Termin.

Von Philipp Saul und Mike Szymanski

Was hat die Bundeswehr bewirkt?

Es wurde sicherlich eine Menge geschafft hier im Land, wie zum Beispiel die Sicherheitskräfte auszubilden oder die Perspektiven der Menschen zu verbessern. Ob eine Einigung zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban erzielt werden kann, ist meines Erachtens ein sehr wichtiger Faktor. Wenn es keine Einigung gibt, wird dieses Land zwangsläufig in vielen Facetten Schwierigkeiten bekommen.

Ich befürchte, dass das, was hier durch Deutsche und internationale Partner geschaffen wurde, auf absehbarer Zeit auf dem Spiel stehen könnte. Dafür sind dann 59 Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan gestorben, 35 davon gefallen und ein Vielfaches mehr an Verwundeten zu beklagen?

Wie hat der Einsatz Sie verändert?

Die Einsätze haben mich in verschiedenen Bereichen meines Lebens verändert - oder besser gesagt - beeinflusst. Der Einsatz 2010, insbesondere das Karfreitagsgefecht und die Folgen, meine Verwundung, hatte natürlich eine sehr große Auswirkung.

Ich wollte perspektivisch nach dem Einsatz einen Fallschirmjägerzug übernehmen. Außerdem hatte ich zusammen mit einem Kameraden aus meinem Zug den Wunsch, nach Calw, zum Kommando Spezialkräfte, zu gehen. Dieser Plan war danach nicht mehr realistisch. Ich habe bis Ende 2011 teilweise nur Strecken von einem Kilometer schmerzfrei gehen können, da war es undenkbar, etwas Derartiges in Angriff zu nehmen.

Wie ging es weiter für Sie?

Dann hatte ich 2012 mit Aufstellung der "Gruppe Sporttherapie nach Einsatzschädigung" als Organisationsfeldwebel die Chance, mich um verwundete, verletzte und erkrankte Kameraden und Kameradinnen zu kümmern. Dies war vor allem durch meine Erfahrungen ein absoluter Glücksgriff für alle Beteiligten. In so kurzer Zeit einen Dienst zu finden, der mir Zufriedenheit gibt, außerhalb der Infanterie, hat mich sehr stark motiviert und, ich glaube, auch durch die schwere Zeit kommen lassen.

Sie gingen trotzdem wieder nach Afghanistan - als Truppenpsychologiefeldwebel. Warum?

Die Einsätze 2018 und jetzt gaben und geben mir noch mal einen anderen Einblick. Den Soldatinnen und Soldaten hier, vor Ort, eine Stütze sein zu können, etwa bei Alltagsproblemen mit der Familie und Freunden zu Hause oder bei ganz speziellen Themen hier im Einsatz, ist ein äußerst sinnvoller Beitrag.

Insgesamt haben mich die Einsätze reifen lassen, haben mir gezeigt, was wichtig ist im Leben: Familie, Gesundheit und ein Beruf, der mich erfüllt und nicht als Belastung gesehen wird. Das alles ist mir wichtig und mache ich mir immer wieder bewusst.

Bemerken Sie - auch in Ihrer Arbeit - wie der Einsatz die Kameraden verändert hat?

In meiner täglichen Arbeit in Deutschland, an der Sportschule der Bundeswehr, sehe ich viele Kameradinnen und Kameraden, denen es schlecht geht. Aber dadurch, dass sie bei uns in der Gruppe Sporttherapie sind, zeigen sie, dass sie noch nicht aufgegeben haben und wieder so gesund wie möglich werden wollen. "Kameraden für Kameraden" ist der Leitspruch der Gruppe Sporttherapie nach Einsatzschädigung, und das spüren unsere Teilnehmer in der Regel von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Ende des Programms.

Dieses Bild ist aber nicht das Gesamtbild der Bundeswehr, sondern ein, in Relation gesetzt, kleiner Teil. Tag für Tag leisten Soldaten in den Einsätzen rund um die Welt einen hervorragenden Dienst für Deutschland und machen wichtige und notwendige Erfahrungen.

Was glauben Sie, in welchem Zustand lassen die internationalen Truppen das Land zurück, wenn der Abzug vollzogen ist, und was bedeutet das aus Ihrer Sicht für die Zukunft des Landes?

Diese Frage kann ich nur zum Teil beantworten. Warum die Bundeswehr 2001 in diesen Einsatz gezogen ist, sollte allen deutschen Bürgern hinreichend bekannt sein. Ich glaube, dass der Terrorismus, insbesondere al-Qaida bekämpft und geschlagen wurde. Dies ist unumstritten. Weitere Ziele, welche die internationalen Truppen sich gesetzt haben, wurden sicherlich auch erfüllt.

Woran ein Abzug auf politischer Ebene nun festgemacht wurde oder wird, ist für mich als Soldat nicht immer erkennbar. Es ist aber auch nicht zwingend wichtig. Mein Auftrag und der jedes Soldaten in diesem oder in anderen Einsatzländern ist klar: nämlich den Willen des Bundestages unter einem ordentlichen Mandat umzusetzen. Was die Zukunft bringt, wird sie uns in Zukunft zeigen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungAbzug aus Afghanistan
:Ein sinnloser Krieg

US-Präsident Biden kündigt den Abzug der USA aus Afghanistan bis zum 11. September an. Danach werden die Taliban an die Macht zurückkehren - und leiden werden vor allem Frauen und Mädchen.

Kommentar von Tobias Matern

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: