Am Sonntag kommt die sogenannte Bundesversammlung zusammen, um den Bundespräsidenten zu wählen. Eine Überraschung ist nicht zu erwarten, Frank-Walter Steinmeier wird im Amt bestätigt werden. Es wird trotzdem die ungewöhnlichste Präsidenten-Wahl in der Geschichte der Bundesrepublik. Denn die Wahlleute werden nicht wie üblich im Plenarsaal des Bundestags zusammenkommen, sondern auf fünf Stockwerke verteilt in einem Nebengebäude des Bundestags, in dem sonst Ausschüsse tagen.
Was ist die Bundesversammlung?
Sie besteht aus allen 736 Bundestagsabgeordneten und einer gleich großen Zahl an Vertretern aus den Bundesländern, die von den Landesparlamenten entsprechend ihrer Zusammensetzung nominiert werden. Deshalb entsenden zum Beispiel die Freien Wähler, die in Bayern, Brandenburg und Rheinland-Pfalz im Landtag vertreten sind, 18 Delegierte nach Berlin. Einzige Aufgabe der Versammlung ist es, das Staatsoberhaupt zu wählen. Geleitet wird sie von der Präsidentin des Bundestags.
Warum braucht es ein Extragremium, um den Bundespräsidenten zu wählen?
Die Bundesversammlung ist ein sogenanntes Verfassungsorgan, im Unterschied zu den ständigen Verfassungsorganen wie etwa Bundestag und Bundesrat gibt es sie aber immer nur, wenn das Staatsoberhaupt gewählt werden muss. Auch der Bundespräsident selbst ist ein Verfassungsorgan. Er ist unter anderem dafür zuständig, den Kanzler und die Minister zu ernennen und zu entlassen - unter bestimmten Bedingungen kann er auch den Bundestag auflösen. Deshalb muss er von einem anderen Gremium gewählt werden. Wegen der Erfahrungen aus der Weimarer Republik, in der der Reichspräsident eine Art Ersatzkaiser war, haben sich die Väter und Mütter des Grundgesetzes gegen eine Direktwahl des Präsidenten durch die Bürger entschieden.
Warum wählen viele Prominente mit?
Die Landtagsfraktionen nominieren gerne auch einzelne Prominente sowie Bürger, die sich zivilgesellschaftlich besonders engagiert haben - diesmal etwa Krankenpflegerinnen oder Fluthelfer. So können sie deren Einsatz ehren oder Bürgernähe zeigen. Manchmal wollen sie sich auch einfach bei jemandem erkenntlich zeigen, weshalb diesmal auch einige ehemalige Ministerpräsidenten sowie die frühere Kanzlerin Angela Merkel als Wahlleute nominiert wurden. Weitere Mitglieder der 17. Bundesversammlung sind zum Beispiel die Biontech-Gründerin Özlem Türeci, der Virologe Christian Drosten, Nationaltrainer Hansi Flick, Astronaut Alexander Gerst, Kabarettist Dieter Nuhr, die Schauspielerinnen Fritzi Haberlandt und Sibel Kekilli sowie Schwimm-Olympiasiegerin Britta Steffen.
Warum findet die Wahl diesmal nicht im Bundestag statt?
Zum ersten Mal wird das Staatsoberhaupt während einer Pandemie gewählt - man muss also für ausreichend Abstand sorgen. Außerdem hat die große Koalition in der vergangenen Legislaturperiode eine mangelhafte Reform des Wahlrechts beschlossen, durch die der Bundestag noch größer wurde. Die Normgröße des Parlaments liegt bei 598 Abgeordneten, aktuell besteht es aus 736 Mitgliedern. Die Zahl der Delegierten aus den Ländern erhöht sich entsprechend. Es musste also ein Weg gefunden werden, wie man 1472 Menschen versammelt, ohne ein Superspreader-Event zu veranstalten. So kam man auf das Paul-Löbe-Haus, das direkt neben dem Reichstagsgebäude steht. In ihm gibt es neben 21 Sitzungssälen und etwa tausend Büros eine zentrale Halle. Dort wird eine Bühne errichtet, auf der unter anderem Versammlungsleiterin Bärbel Bas sitzt. Davor werden Stühle für 470 Wahlleute aufgebaut. 227 weitere Wahlleute werden im Erdgeschoss in angrenzenden Sitzungssälen untergebracht. Der Rest wird in den Etagen eins bis vier platziert. Die meisten Wahlleute werden die Abstimmung nur an Bildschirmen verfolgen können.
Wie läuft die Wahl?
Die Bundesversammlung beginnt um zwölf Uhr. Vor der Wahl gibt es weder Reden der Kandidaten noch eine Aussprache. Die 1472 Wahlleute werden namentlich aufgerufen, ihre Stimme in geheimer Wahl abzugeben. Theoretisch kann jeder oder jede Deutsche gewählt werden, der oder die mindestens 40 Jahre alt ist. Kandidaten können von jedem Mitglied der Bundesversammlung vorgeschlagen werden. Im ersten und zweiten Wahlgang brauchen die Bewerber eine absolute Mehrheit. In einem dritten Wahlgang reicht die relative Mehrheit. Im zweiten oder dritten Wahlgang können neue Wahlvorschläge unterbreitet werden.