Bundestagswahl:Scholz siegessicher, Laschet kämpft um Rückhalt

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Ein Chamäleon wird als Maskottchen die Digitalisierung im Bundestag begleiten. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Während die SPD schon ein Verhandlungsteam aufgestellt hat, muss der Kanzlerkandidat der Union deutliche Kritik aus den eigenen Reihen aushalten. Grüne und FDP stellen unterdessen erste Forderungen an ihre möglichen Koalitionspartner.

Von Joachim Käppner

Die Deutschen haben gewählt - aber wer wird das Land führen? Sowohl SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz als auch sein unterlegener CDU-Rivale Armin Laschet wollen regieren. Am Tag nach der Bundestagswahl wertete Scholz das vorläufige Endergebnis als "klaren Regierungsauftrag" für eine Koalition aus SPD, Grünen und der FDP. Die Sozialdemokratin und Regierungschefin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, die in Mainz ein solches Bündnis anführt, sagte der SZ: "Es gab mal Zeiten, in denen sind Spitzenkandidaten zurückgetreten nach solchen Verlusten. Armin Laschet erklärt stattdessen, er habe einen Führungsauftrag. Das ist schon ein bisschen Realitätsverlust." Die SPD hat sogar schon ein eigenes Verhandlungsteam für Koalitionsgespräche aufgestellt.

Armin Laschet will sich aber keineswegs geschlagen geben. Auch wenn er am Montagnachmittag schon deutlich zurückgenommener klang als noch am Wahlabend, strebt er seinerseits ein Bündnis der Union mit FDP und Grünen an: "Keine Partei kann aus diesem Ergebnis einen klaren Regierungsauftrag ableiten", sagte Laschet nach den Gremiensitzungen seiner Partei, man strebe daher Gespräche "auf Augenhöhe" an. Beide Konstellationen - eine SPD-geführte "Ampel" und eine "Jamaika-Koalition" unter Führung von CDU/CSU - hätten im neuen Deutschen Bundestag eine breite Mehrheit der Abgeordneten.

Laschet wurde freilich bereits am Montag wegen des schlechtesten Wahlresultats in der Geschichte der Union mit hartem Gegenwind aus den eigenen Reihen konfrontiert. Er räumte zwar Fehler ein, plädierte aber für Geschlossenheit. Für ihn geht es wahrscheinlich nun um das politische Überleben. Besonders in den Ostverbänden der CDU, wo Laschet nie beliebt war, gab es Kritik. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer sprach von einem "Erdbeben", es gebe "einen klaren Wählerwillen", demzufolge die Union nicht mehr "die erste Wahl" sei. Die CDU müsse sich jetzt mit ihren Fehlern der vergangenen Monate, vielleicht auch Jahre befassen. Sein CDU-Kollege aus Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, nannte das Ergebnis der Partei "ein Desaster". Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sagte, die Union habe "keinen Anspruch auf Regierungsverantwortung". Jetzt seien zuerst andere gefragt. Der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, sagte in der ARD-Sendung "Hart aber fair" am Montagabend: "Wir haben die Wahl verloren. Punkt." Der klare Auftrag liege bei SPD, Grünen und FDP.

Bundesgesundheitsminister und CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn forderte im Spiegel eine Verjüngung der Parteispitze. Wirtschaftsminister Peter Altmaier forderte eine Neuaufstellung der Union. Das Wahlergebnis habe er sich "vor wenigen Monaten noch nicht einmal in den schlimmsten Alpträumen" vorstellen können. Erste Stimmen der Parteibasis wie der CDU-Kreisverband in Trier forderten bereits einen Sonderparteitag über Spitzenpersonal und Kurs der Partei.

Auch einer Sitzung des CSU-Vorstandes gab es nach Angaben von Teilnehmern heftige Schelte für Laschet. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt rügte demnach Schwächen der Schwesterpartei CDU bei Kurs, Kampagne und beim Kandidaten. Laschets im Kampf um die Kanzlerkandidatur der Union unterlegener Kontrahent, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, sagte in München: "Aus Platz zwei ergibt sich kein Anspruch auf die Regierungsbildung. Wir können nur ein Angebot machen." Man dürfe sich keinesfalls "anbiedern" an Grüne und FPD. Eine Jamaika-Koalition werde es "nicht um jeden Preis" geben.

Aus der Bundestagswahl am Sonntag ging die SPD nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis als stärkste Partei hervor und verbesserte sich im Vergleich zu 2017 deutlich auf 25,7 Prozent. Die Union hingegen stürzte um gleich 8,9 Prozentpunkte auf nur noch 24, 1 Prozent der Stimmen. Die Rolle der Königsmacher fällt den heftig umworbenen kleineren Parteien zu, den Grünen (mit dem Rekordergebnis von 14,8 Prozent) und der FDP (11,8); beide gewannen dazu und schnitten bei Jungwählern am besten ab.

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Ungnädig waren die Wähler mit den politischen Rändern. Die Linke verpasste mit 4,9 Prozent sogar die Fünf-Prozent-Hürde, ist aber aufgrund ihrer drei Direktmandate dennoch entsprechend ihrer Zweitstimmen im Bundestag vertreten. Verluste erlitt auch die rechtspopulistische AfD (10,3), sie büßte 2,3 Prozentpunkte und damit ihren Status als größte Oppositionspartei ein. Sie wurde allerdings in Sachsen und Thüringen stärkste Kraft, was den Unmut der dortigen CDU-Granden über Laschet noch befeuerte.

Die Regierungsbildung wird dadurch nicht einfacher, dass die Liberalen in einer Ampelkoalition und die Grünen im Fall eines Jamaika-Bündnisses Außenseiter wären. Dementsprechend favorisieren die beiden kleinen Parteien das jeweils andere Modell. So sagte FDP-Chef Christian Lindner, ihm fehle die Vorstellungskraft, welche Angebote Olaf Scholz der FDP machen könne, die zugleich auf Begeisterung der SPD-Linken Kevin Kühnert und Saskia Esken stoßen würden. Mit der FDP seien keine Steuererhöhungen zu machen, außer für die Internet-Konzerne, und es werde auch kein Abweichen von der Schuldenbremse geben. Umgekehrt nannte es der grüne Co-Vorsitzende Robert Habeck logisch, erst einmal über eine Ampel-Koalition mit SPD und FDP zu sprechen: "Das heißt aber nicht, dass wir nicht mit der Union reden werden."

Die beiden kleinen Parteien sind nun das Zünglein an der Waage, und sie wissen es. Grüne und FDP wollen daher zuerst Sondierungsgespräche untereinander führen, bevor sie mit Union oder SPD verhandeln. Es gehe jetzt darum, so Habeck, Gemeinsamkeiten mit den Liberalen zu finden, allerdings seien beide Parteien in der Sozial- oder Wirtschaftspolitik weit voneinander entfernt: "Da treffen Welten aufeinander." FDP-Chef Lindner sah das am Montag ähnlich, machte den Grünen aber dennoch Avancen: Er will in den Gesprächen prüfen, ob aus den beiden Parteien "bei allen Unterschieden ein fortschrittliches Zentrum einer neuen Koalition werden könnte", denn "weder die Union noch die SPD stehen für Aufbruch".

Theoretisch möglich wäre auch eine Fortsetzung der regierenden großen Koalition, nunmehr unter einem SPD-Kanzler Scholz. Doch ist der Wille dazu in beiden Parteien sehr gering. Habeck hält eine große Koalition unter Führung der SPD für nahezu ausgeschlossen: "Ich sehe das nicht."

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