Parlament:Der Bundestag soll kleiner werden - aber nicht viel

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Momentan halten sie Abstand. Wenn aber alle 709 Abgeordneten des Bundestages zugegen sind, würde es schnell eng. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die Koalition im Bundestag hat nach jahrelangen Diskussionen ihren Entwurf einer Wahlrechtsreform durchgesetzt. Die Opposition übt heftige Kritik. Ein Gutachten bescheinigt der Reform kaum Wirkung. Wolfgang Schäuble enthält sich der Stimme.

Nach jahrelangen ergebnislosen Debatten über eine Verkleinerung des Bundestags hat die große Koalition gegen den Widerstand der Opposition eine Wahlrechtsreform durchgesetzt. FDP, Linke und Grüne lehnten den Entwurf von CDU/CSU und SPD am Donnerstag strikt ab, weil er aus ihrer Sicht völlig untauglich ist, um die angestrebte Verkleinerung des auf 709 Abgeordnete angewachsenen Parlaments zu erreichen.

Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) enthielt sich der Stimme. Das geht aus dem vom Bundestag am Donnerstagabend veröffentlichten Ergebnis der namentlichen Abstimmung hervor. Der CDU-Politiker hatte selbst lange Zeit versucht, einen überparteilichen Kompromiss für eine Reform hinzubekommen, um den Bundestag bei der nächsten Wahl wieder zu verkleinern. Er war damit jedoch ebenso gescheitert wie schon sein Vorgänger Norbert Lammert (CDU) in der vergangenen Wahlperiode.

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Die Koalitionsfraktionen brachen mit ihrem Vorgehen auch mit der Tradition, Änderungen am Wahlrecht möglichst mit breiter Mehrheit zu verabschieden. Der Gesetzentwurf wurde mit 362 Ja- und 281 Nein-Stimmen bei 8 Enthaltungen angenommen. CDU/CSU und SPD haben zusammen 398 Sitze im Bundestag. Ein gemeinsamer Gesetzentwurf von FDP, Grünen und Linken fand ebenso keine Mehrheit wie ein AfD-Entwurf.

Nach dem Koalitionsentwurf soll es bei der Wahl in einem Jahr bei der Zahl von 299 Wahlkreisen bleiben. Überhangmandate einer Partei sollen teilweise mit ihren Listenmandaten verrechnet werden. Und beim Überschreiten der Regelgröße von 598 Sitzen sollen bis zu drei Überhangmandate nicht durch Ausgleichsmandate kompensiert werden.

In der Debatte wies der Linken-Politiker Friedrich Straetmanns darauf hin, dass bei einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestags sechs von sieben Fachleuten den Gesetzentwurf für wirkungslos erklärt hätten. Auch ein am Donnerstag bekannt gewordenes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags bescheinigt dem Modell von CDU/CSU und SPD nur eine geringe Wirkung. Bezogen auf das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 wäre damit eine Absenkung der Gesamtsitze auf bis zu 682 Abgeordnete möglich gewesen, heißt es darin. Die Regelungen hätten also "eine Ersparnis von bis zu 27 Abgeordneten gebracht". Die Normgröße des Bundestags beträgt 598 Sitze.

Eine größere Reform - dann auch mit einer Reduzierung der Wahlkreise - soll es nach dem Willen der Koalition erst für die Wahl 2025 geben. Dazu soll eine Reformkommission aus Wissenschaftlern, Abgeordneten und weiteren Mitgliedern eingesetzt werden, die spätestens bis zum 30. Juni 2023 ein Ergebnis vorlegen soll.

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